Nach bisher ergebnislosen Verhandlungen hatte die IG Metall für den 2. November zu ersten Warnstreiks in der Region aufgerufen, woran sich nach Angaben der Gewerkschaft 3350 Beschäftigte beteiligten, darunter rund 350 Mitarbeiter von Kramer, wie Frederic Striegler, zweiter Bevollmächtigter der IG-Metall Singen, gestern auf Anfrage des SÜDKURIER bestätigte. Es sei offensichtlich, dass die Arbeitgeber nicht annähernd in der Lage gewesen wären, in der Friedenspflicht ein ernst zu nehmendes Angebot vorzulegen, kritisieren die Arbeitnehmervertreter, dass nach drei Verhandlungsterminen die Arbeitgeber ein Angebot präsentierten, dass man nur als „Schlag ins Gesicht“ bezeichnen könne, informiert die IG Metall in einer Pressemitteilung zu der Protestaktion am vergangenen Mittwoch.
Gewerkschaft: „Kollegen und Kolleginnen sind stinksauer.“
„Nach der Tarifflucht des Arbeitgebers ist dies die nächste Enttäuschung für die Kramer-Beschäftigten – die Kolleginnen und Kollegen sind stinksauer“, wird Jörg Pietsch, Betriebsratsmitglied bei Kramer, in der Mitteilung zitiert. Er warnt, dass diese Auseinandersetzung für die Lieferfähigkeit des Unternehmens „Gift“ sei. „Ich wünsche mir, dass der Arbeitgeber so schnell wie möglich zur Einsicht kommt und die Konflikte beendet“, erklärt Pietsch.
Steigende Inflation belastet Arbeitnehmer
An der Protestaktion hatten neben Kramer in Pfullendorfer mehrere tausend Beschäftigte in Singen und Gottmadingen beteiligt, und zwar bei den Unternehmen Amcor, Constellium, 3A Composites und Fondium. „Wer angesichts der steigenden Inflation und der Abschlüsse in anderen Branchen mit so einem unzureichenden Angebot um die Ecke kommt, der provoziert den Konflikt und wirkt ihm nicht entgegen“, so Bernhard Widmann, Betriebsratsvorsitzender von Constellium. Luis Brito, Betriebsratsvorsitzende von Amcor, ergänzte: „Das Angebot ist mehr als ausbaufähig und wird der Leistung meiner Kolleginnen und Kollegen bei Amcor bei weitem nicht gerecht. So ist die Tarifrunde nicht zu lösen. Eine tabellenwirksame Erhöhung der Entgelte habe für uns in dieser Tarifrunde oberste Priorität.“
Weitere Protestaktionen in der Region sind möglich

Nach Angaben von Frederic Striegler werden weitere Aktionen in der ganzen Region folgen, kündigt der-IG Metall-Funktionär an. Man mache kein Geheimnis daraus, dass man sich auf eine konfliktäre Auseinandersetzung gut vorbereitet habe. „Wir denken auch verschiedene Szenarien und somit unterschiedliche Schärfegrade der Eskalation durch“, macht Helene Sommer, 1. Bevollmächtigte der IG Metall in Friedrichshafen-Oberschwaben und Singen klar, dass man von den Arbeitgebern schnell ein besseres Angebot erwarte, sonst sei eine Steigerung der Arbeitskampfmaßnahmen zu erwarten.
Tarifflucht stößt auf heftigen Protest
Nicht nur die stockenden Tarifverhandlungen sorgen bei der Kramer-Belegschaft für Unruhe, Ärger und Wut. Schon vor vier Wochen verließen sich die Werkstore, um gegen den von der Unternehmensführung angekündigten Ausstieg aus dem Tarifvertrag zu protestieren. Ein vielhundertfaches „Ja“ erhielt IG-Metall-Vertreter Striegler damals auf eine Frage, ob die Kramer-Beschäftigten sauer über die Unternehmenspläne seien. Die Tarifflucht stößt den aktuell 760 Beschäftigen in Pfullendorf besonders auf, weil die Belegschaft des Wacker Neuson Konzerns in wirtschaftlich schwierigen Jahren durch unentgeltliche Überstunden die Firma unterstützt hatte.
Tarifvertrag läuft noch bis 31. Dezember 2022
Nur wenige Tage, nachdem Kramer-Geschäftsführer Christian Stryffeler in einem Interview mit SÜDKURIER-Redakteur Siegfried Volk die Tarifgebundenheit des Unternehmens explizit als positives Argument bei der Personalsuche erwähnt hatte, wurde bekannt, dass Wacker Neuson den Tarifvertrag, der bis zum 31. Dezember 2022 läuft, gekündigt hat. Erst nach dessen offiziellen Auslaufen könnte die IG Metall bei Kramer zu Streikaktionen gegen diese Tarifflucht aufrufen.