Sie machten ihrem Ärger ordentlich Luft: Rund 300 Mitarbeiter der Firma Kramer zeigten gestern bei einer von der IG Metall Singen veranstalteten Kundgebung vor den Toren des Unternehmens deutlich, was sie von dem angekündigten Ausstieg der Firma aus der Tarifbindung halten. Mit Pfeifen, Ratschen und Fahnen ausgerüstet, riefen sie den Unmut über das Vorgehen ihres Arbeitgebers laut heraus.

IG-Metall-Bevollmächtigter spricht zu den Mitarbeitern

„Seid Ihr sauer?“, fragte Frederic Striegler, zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Singen, zu Beginn der Kundgebung in die sichtlich aufgewühlte Menge. Pfiffe und ein vielstimmiges, lautes „Ja“ ertönten als Antwort. „Ihr seid sauer, weil man Euch den Tarif wegnimmt!“, stellte der Redner daraufhin fest. Die IG Metall hatte die Kundgebung angesetzt, weil die Geschäftsführung des Bau- und Landmaschinenherstellers in Pfullendorf in der vergangenen Woche die Tarifflucht aufgekündigt hatte.

Beschluss kam völlig überraschend

„Das kam für uns vollkommen überraschend“, sagte Dominic Widmer dem SÜDKURIER auf Nachfrage. Er ist einer der insgesamt rund 760 Mitarbeiter des Unternehmens in Pfullendorf. Den Beschluss kann Widmer absolut nicht nachvollziehen – genauso geht es seinem Kollegen Thomas Liehner. „Wir alle haben zusammen einen super Job gemacht in den vergangenen Jahren und super Produkte auf die Beine gestellt“, betonte Liehner. Jetzt sollte deshalb auch jedem Mitarbeiter „ein Stück von dem Kuchen gegeben werden“.

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Dem schließt sich Frederic Striegler an, indem er daran erinnert, dass der Wacker Neuson Konzern durch einen Ergänzungstarifvertrag unbezahlte Stunden von allen Beschäftigten verlangt habe. In schwierigen Zeiten hätten die Mitarbeiter damit die Firma unterstützt. „Das Unternehmen hat Tausende von Stunden im Jahr geschenkt bekommen, in einer Zeit, als es dem Konzern nicht so gut ging. Jetzt sollten die Mitarbeiter eigentlich etwas zurückbekommen dafür“, betonte der Gewerkschafter.

Ärger über Aussagen im Interview

Striegler ärgert sich darüber, dass Geschäftsführer Christian Stryffeler erst vor kurzem in der regionalen Presse berichtete hatte, dass man ein tarifgebundenes Unternehmen sei, das neue Mitarbeiter suche. „Für wie blöd hält man die Belegschaft und die Bevölkerung, wenn man erst mit einem Werbeargument in die Bütt geht, um dann den Tarifvertrag zu kündigen? Das halte ich für eine Frechheit und für verlogen“, betonte der IG-Metall-Bevollmächtigte.

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„Wir müssen uns auf einen enormen Kampf einstellen. Jeder hier ist dabei wichtig“, sagte Striegler. Generell fordert die IG Metall derzeit acht Prozent mehr Lohn für alle Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie. Ab November werde dafür flächendeckend gestreikt. Auch die Mitarbeiter der Firma Kramer würden zu Warnstreik-Aktivitäten aufgerufen, kündigte er an. Auf Nachfrage des SÜDKURIER erläuterte der Gewerkschaftler, dass sich diese Warnstreiks dann ausschließlich auf die Forderung nach der achtprozentigen Lohnerhöhung beziehen werden; speziell wegen der Tarifflucht bei der Firma Kramer könne es theoretisch ab Januar zu Streiks kommen, da der Tarifvertrag zum 31. Dezember ausläuft.

Neue Verträge werden angeboten

Vor der Kundgebung soll es eine Betriebsversammlung gegeben haben. Den Mitarbeitern würden nun neue Verträge angeboten werden, so Frederic Striegeler. „Ich habe versucht, ihnen den Druck zu nehmen, weil einige dachten, es wäre ein Verrat an der IG Metall, einen neuen Vertrag zu unterschreiben“, sagte der Gewerkschafter. Wenn die IG Metall es schaffe, wieder eine Tarifbindung herzustellen, dann stehe der Tarifvertrag über solchen Arbeitsverträgen. Er empfahl jedoch den Arbeitnehmern, die Verträge durch einen Anwalt oder die IG Metall prüfen zu lassen, damit die Konditionen stimmen.