Es gab einmal eine Zeit, da hatte fast jede Ortschaft an der Bahnstrecke im Oberen Donautal einen eigenen Bahnhof. Dazu gehörte auch das zur Stadt Sigmaringen gehörende Gutenstein. Heute ist das Dorf – wie viele Ortschaften – vom sogenannten SPNV (Schienenpersonennahverkehr) abgehängt, obwohl auf dem Gleis noch Züge verkehren.

Jüngst hatten sich deshalb rund 50 Bürgerinnen und Bürger zum Vortrag von Ralf Derwing versammelt. Der SPNV-Experte und Co-Präsident der Initiative Bodensee-S-Bahn machte den Anwesenden Mut, sich für einen Bahnhalt in Gutenstein einzusetzen und zeigte Möglichkeiten auf, wie die Verantwortlichen zum Handeln bewegt werden könnten. Zu dem Vortrag hatte der Verein FairWandel SIG gemeinsam mit dem Ortschaftsrat von Gutenstein eingeladen.

Wenn die Kommunen nichts machen, passiere nichts, sagte Ralf Derwing im Hinblick auf die Schienenpolitik der Landesregierung. Bild: ...
Wenn die Kommunen nichts machen, passiere nichts, sagte Ralf Derwing im Hinblick auf die Schienenpolitik der Landesregierung. Bild: Heinrich Sturm

Und es geht doch

Oft hörten die Initiatoren von SPNV-Projekten von den Verantwortlichen: „Das geht nicht!“, meinte Derwing. Dabei zeigten zahlreiche Beispiele in Baden-Württemberg, dass Bahnprojekte zur Umsetzung gelangten, so lange sie realitätsnah seien, so der Bahnverkehr-Experte. Als Beispiele nannte er die Bodensee-Oberschwaben-Bahn, den Seehas sowie das Seehäsle.

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Fahren, nicht herumstehen

Der Seehas – eine Zugverbindung zwischen Konstanz und Engen – sei, so Derwing, entstanden, weil der damalige Landrat Robert Maus zu Beginn der 1990er Jahre festgestellt habe, dass im Konstanzer Bahnhof Züge ankommen, die für eine halbe Stunde auf ihrem Gleis auf den nächsten Einsatz warten. So sei Maus auf die Idee gekommen, die Züge könnten, anstatt fürs „Herumstehen“ bezahlt zu werden, auch in die andere Richtung weiterfahren. Die Idee des damaligen Landrats habe zu einem der erfolgreichsten regionalen S-Bahn-Projekte geführt, meinte Derwing.

Rund 50 Bürgerinnen und Bürger hatten sich zum Vortrag von Ralf Derwing versammelt. Bild: Heinrich Sturm
Rund 50 Bürgerinnen und Bürger hatten sich zum Vortrag von Ralf Derwing versammelt. Bild: Heinrich Sturm

Realistisch sein

Damit Gutenstein eventuell wieder zu einem Bahnhalt kommt, empfahl Derwing ein ähnliches Vorgehen wie beim Seehas. Mögliche Initiatoren sollten schauen, wo bereits Strukturen vorhanden sind, an die ein solches Projekt an anknüpfen könne. „Was ist realistisch und eventuell mit einfachen Mitteln umsetzbar?“, fragte Derwing. Unrealistisch sei aus seiner Sicht etwa, dass der Schnellzug RE55, der zwischen Donaueschingen und Ulm verkehrt, in Gutenstein halt mache. Der RE55 sei eben ein Regionalexpress, der bei einem zusätzlichen Halt zu viel Zeit und den Anschluss in Ulm verlieren würde, erklärte Derwing.

Engagement auf kommunaler Ebene

Bei einem möglichen Projekt, einen Bahnhalt für Gutenstein einzurichten, sei außerdem zu beachten, dass ein Engagement der Deutschen Bahn nicht zu erwarten sei. Im ländlichen Raum passiere im Hinblick auf den SPNV nur etwas, wenn sich die kommunale Ebene – insbesondere die Landkreise engagierte, meinte Derving. Die Schienenpolitik der Landesregierung setze auf das Engagement der kommunalen Ebene. „Wenn die Kommunen nichts machen, passiert nichts“, sagte er.

Zusammenschluss mit Gleichgesinnten

Auf die Ortschaft Gutenstein bezogen, empfahl SPNV-Experte eine Bürgerinitiative zu gründen die sich für die Bahnanbindung nach Sigmaringen einsetzt. Diese solle sich mit Initiativen in anderen Ortschaften mit gleichem Interesse – wie etwa Hausen im Tal und Laiz – zusammenschließen. Dabei sollte ein Ziel sein, eine Akzeptanz im Kreistag für eine mögliche Verbindung zwischen den Donautal-Ortschaften und Sigmaringen zu schaffen. Für einen möglichen Bahnhalt in Gutenstein hatte Derwing verschiedene konkrete Vorschläge im Gepäck: Einer davon bezog sich auf die Regionalbahn RB68, die zwischen Hechingen und Sigmaringen verkehrt. Der Zug stehe in Sigmaringen abzüglich der tatsächlich benötigten Standzeit 18 Minuten auf dem Gleis, rechnete Derwing vor. Diese Zeit – so der Bahnexperte – könne eventuell reichen, dass der Zug bis nach Gutenstein und wieder zurück fahre.

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Derwing empfahl möglichen Initiatoren eines Bahnhalts in Gutenstein auch die Finanzierung für den Bau einer Bahnhaltestelle durchzuspielen. Als zusätzliche Argumente für die Anbindung der Donautal-Ortschaft an den SPNV nannte er die landschaftliche Attraktivität des Ortes, weshalb auch der im Donautal verkehrende Freizeitexpress dort halten könne.

Angeregte Diskussion

Über eine Stunde lang diskutierte die anwesende Bürgerschaft nach Derwings Vortrag. Darunter auch der ehemalige Ortsvorsteher von Gutenstein Günter Gregori, der bemerkte, dass in der Ortschaft bereits ein Grundstück existiere, das für einen möglichen Haltepunkt in Frage komme. Anwesend war auch der Bürgermeister der Stadt Scheer, Lothar Fischer, der von seinem langen – bisher nicht erfolgreichen – Engagement für einen Bahnhaltepunkt in seiner Gemeinde berichtete.

Der ehemalige Ortsvorsteher von Gutenstein, Günter Gregori (links), bemerkte, dass in der Ortschaft bereits ein Grundstück existiere, ...
Der ehemalige Ortsvorsteher von Gutenstein, Günter Gregori (links), bemerkte, dass in der Ortschaft bereits ein Grundstück existiere, das für einen möglichen Haltepunkt in Frage komme. Neben Gregori sitzt der ehemalige Sigmaringer Stadtrat Gerhard Wilhelm Stöhr. Bild: Heinrich Sturm