Julia Lutz

Der Zollernalbkreis hat gestern den Schwellenwert von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in den letzten sieben Tagen deutlich überschritten. Am Donnerstag lag die Inzidenz bei 60,2. Sie kletterte am Freitag auf einen Wert von 69,7. 208 Personen sind derzeit (Stand Freitag) mit SARS-CoV-2 infiziert.
Aufgrund der bereits bekannt gegebenen Maßnahmen des Bundes, die aber noch nicht rechtswirksam sind, wird der Landkreis zunächst keine zusätzliche Allgemeinverfügung mit Beschränkungen erlassen. Diese hätte ursprünglich am Sonntag in Kraft treten sollen, informiert die Behörde

Kreis appelliert an Bürger

„Wir erleben derzeit eine dynamische Entwicklung im Zollernalbkreis. In den letzten Tagen sind die Neuinfektionen – mit 38 Infektionen heute – deutlich angestiegen. Wir appellieren weiterhin an die Bürgerinnen und Bürger die bekannten und gängigen Schutzmaßnahmen umzusetzen und einzuhalten“, so Sozial- und Rechtsdezernent Georg Link am Donnerstag. Am Freitag wurden 28 neue Fälle gemeldet, die sich auf das ganze Kreisgebiet verteilen.

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Lockdown stößt auf Widerstand

Der geplante Teil-Lockdown stößt auf Widerstand bei den Städten in Baden-Württemberg: 35 Rathauschefs um Boris Palmer wehren sich in einem Appell an Winfried Kretschmann – darunter auch die Oberbürgermeister aus Albstadt und Balingen sowie die Bürgermeister aus Hechingen und Sigmaringen.
Der geplante Lockdown für Gastronomie, Kultur und öffentliches Leben stößt auch auf Unverständnis bei den Kommunen in Baden-Württemberg. Sie fordern Lockerungen, um den Rückhalt der Bürger nicht zu verlieren

Bürgermeister schreiben Brief an Ministerpräsident

Den Appell haben 35 Oberbürgermeister und Bürgermeister unterzeichnet, darunter auch die Oberbürgermeister aus Albstadt Klaus Konzelmann, aus Balingen Helmut Reitemann, die Bürgermeister aus Hechingen Philipp Hahn und aus Sigmaringen Marcus Ehm. Die Maßnahmen werden in dem Brief als willkürlich kritisiert. „Wir fragen uns, nach welchen Kriterien die Bereiche ausgewählt wurden, die nun komplett geschlossen werden sollen“, heißt in dem Brief.

Einsatz für Kultur und Gastronomie

Kultureinrichtungen wie Theater und Kinos sowie die Gastronomie und Hotellerie seien als Treiber des Infektionsgeschehens von geringer Bedeutung. In dem Brief heißt es, die Branchen hätten gute Hygienekonzepte. „Es ist für uns nicht ersichtlich, dass durch den kompletten Lockdown dieser Bereiche das Tempo der Pandemie ausreichend gebremst werden könnte“, heißt es im Schreiben weiter.

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Bürgermeister sehen Zusammenhalt gefährdet

Offenbar sei die Politik der Meinung, dass diese „am ehesten verzichtbar“ seien. „Dieser Auffassung treten wir entgegen. Kunst, Kultur und Gastronomie machen das Leben in unseren Städten wesentlich aus. Sie einfach abzuschalten, gefährdet auf Dauer Bürgersinn, Zusammenhalt und Lebensgeist der Stadtgesellschaften“, eißt es weiterhin. Um die Pandemie zu besiegen, müsse man die Bürger der Region mitnehmen.

Dauert der Lockdown bis zum Frühjahr?

Zudem trauen Unterzeichner der Zusage nicht, dass die Maßnahmen wie angekündigt nur befristet bis Ende November gelten sollen. Es sei zu befürchten, dass wegen mangelnder Effektivität der Maßnahmen der Teil-Lockdown „bis zum Frühjahr“ andauern werde. Die Unterzeichner betonten, dass die angekündigten Hilfen nicht ausreichen würden. Es entstünden Strukturbrüche und viele Gastronome seien zum Lockdown gezwungen.

Das Schreiben im Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

wir wissen, dass die Lage ernst ist und wir der weiteren Ausbreitung des Corona-Virus entschieden entgegentreten müssen. Hierbei haben Sie wie in der Vergangenheit unsere volle Unterstützung. Wir können aber nur erfolgreich sein, wenn wir auch die Bürgerinnen und Bürger vom Sinn der Maßnahmen überzeugen können. Das fällt uns bei den gestern in Berlin gefassten Beschlüssen schwer.

Wir fragen uns, nach welchen Kriterien die Bereiche ausgewählt wurden, die nun komplett geschlossen werden sollen. Theater, Oper, Kino, Gastronomie, Hotellerie und Cafés haben gute Hygienekonzepte etabliert und sind als Treiber des Infektionsgeschehens nach unserer Kenntnis von eher geringer Bedeutung. Es ist für uns nicht ersichtlich, dass durch den kompletten Lockdown dieser Bereiche das Tempo der Pandemie ausreichend gebremst werden könnte.

Es scheint, als liege der Auswahl der Schließungsbereiche die Annahme zugrunde, dass diese am ehesten entbehrlich seien. Dieser Auffassung treten wir entgegen. Kunst, Kultur und Gastronomie machen das Leben in unseren Städten wesentlich aus. Sie einfach abzuschalten, gefährdet auf Dauer Bürgersinn, Zusammenhalt und Lebensgeist der Stadtgesellschaften. Wir sehen die Gefahr, dass die Maßnahmen damit das gefährden, was wir zuallererst brauchen, um die Pandemie durchzustehen.

Das gilt umso mehr, als wir zwar lesen, dass die Schließungen bis zum Ende des Monats befristet sein sollen, darauf aber nicht vertrauen können. Im Gegenteil. Es ist zu befürchten, dass die Pandemie durch diese sektoralen Eingriffe so wenig gebremst wird, dass sie bis zum Frühjahr verlängert werden müssen. Das hätte gravierende Strukturbrüche zur Folge. Allein mit Geld kann man Unternehmergeist, Kreativität und Leistungswillen nicht erhalten. Dauerhafte Abwertung und Untätigkeit wird viele zum Aufgeben treiben. Was dadurch zerstört wird, ist auf lange Zeit nicht mehr wiederherzustellen.

Aus diesem Grund bitten wir Sie, die Umsetzung der Beschlüsse im Landesrecht nochmals auf den Prüfstand zu stellen. Wir sind uns im Klaren, dass Baden-Württemberg keine völlig andere Linie fahren wird. Aber wir hielten es für angemessen, dem Infektionsschutz bei der Definition der Maßnahmen einen höheren Stellenwert zu geben und von gänzlich abstrakten Verboten Abstand zu nehmen. Beispielsweise ist Gastronomie mit Decken oder Heizstrahlern an der frischen Luft nach unserer Meinung völlig unbedenklich. Der Besuch einer Kunstausstellung oder einer Theatervorstellung kann durch weiter verschärfte Besucherzahlgrenzen, Masken und Abstände sicher gestaltet werden.

Wir bitten Sie, diese Differenzierungen nochmals zu erwägen, bevor ein allzu pauschalerLockdown angeordnet wird.