24 Dosen hat Ralf Bennetz am Freitagvormittag in der Gemeinschaftspraxis Ulrich/Bennetz in Klegen noch zu verimpfen. Um 11:15 Uhr geht es los. Dreieinhalb Stunden wird es wohl dauern, sagt er. Mit der Sprechstunde könnte es knapp werden. In der kommenden Woche wird er mehr Zeit haben. Und das ist eine schlechte Nachricht. Denn anders als erwartet, bekommen Ralf Bennetz und Andrea Ulrich nun nicht mehr Impfstoff, sondern weniger.

Andrea Ulrich und ihr Kollege Ralf Bennetz sind enttäuscht. Sie haben die Praxiskapazitäten aufgestockt und müssen nun wieder ...
Andrea Ulrich und ihr Kollege Ralf Bennetz sind enttäuscht. Sie haben die Praxiskapazitäten aufgestockt und müssen nun wieder herunterfahren. | Bild: Anja Ganter

In der ersten Woche waren sie mit 24 Dosen pro Arzt gestartet. Insgesamt also 48. In der vergangenen Woche waren es 66 Dosen, die sie verimpfen konnten. Für die kommende Woche bekommen sie nur noch 18 Dosen pro Arzt.

Ende April sollten die Dosen für die Hausarztpraxen deutlich steigen. Sie haben Personal aufgestockt, Block-Impfungen vorbereitet, Impflisten erstellt. Und jetzt? 18 Dosen. „Das ist minimal“, sagt Ulrich.

Ein bisschen muss es sich für Andrea Ulrich angefühlt haben, als würde man sie auf dem Beschleunigungsstreifen abrupt runterbremsen auf. Man kommt noch voran, es ist kein totaler Stillstand, aber ein Rennen gewinnt man so sicher keines mehr. Ulrich beschreibt es so: „Es ist sehr unfair, dass wir jetzt kaltgestellt werden. So fühlt es sich für mich an.“ Denn: „Alle haben gedacht, jetzt geht es richtig los.“

500 Patienten stehen auf der Warteliste – darunter noch Menschen über 80, die nicht ins Impfzentrum wollten und auf das Impfangebot beim Hausarzt gewartet haben. Aber auch Krebskranke, Transplantierte oder Pflegende. 20 Termine musste sie wieder absagen für die kommende Woche. „Es ist sehr traurig.“ Eine Erklärung dafür, warum es nur so wenige Dosen sind, haben sie nicht bekommen. Ein Erklärungsversuch von Ulrich: Die Biontech-Dosen, die für die Hausarztpraxen vorgesehen waren, müssen nun zum Teil in den Impfzentren vorrätig gehalten werden, für die Zweitimpfungen der unter 60-Jährigen, deren Erstimpfung mit Astrazeneca war.

In ihrer Freizeit haben sie Schnelltests angeboten, in ihrem Urlaub in der Osterwoche hat Ulrich geimpft. Sie erzählt das nicht, um ihre Leistung zu bejubeln. Sie erzählt es, um zu zeigen, wie sehr die Hausärzte sich dafür einsetzen, dass es voran geht. „Das mache sicher nicht nur ich.“

Sie sind der erste Ansprechpartner. Die Patienten vertrauen ihnen. Es sind Andrea Ulrich und Ralf Bennetz, die vor dem Termin im Impfzentrum dem Patienten versuchen, die Angst zu nehmen. Es sind Andrea Ulrich und Ralf Bennetz, die nachts zu den Patienten fahren, wenn sie mit den Nebenwirkungen der Impfung zu kämpfen haben. Es sind Andrea Ulrich und Ralf Bennetz, die zu den Schwerstkranken nach Hause fahren und sie dort impfen. Insgesamt 18 haben sie so schon geimpft. Das nimmt Zeit in Anspruch. 15 Minuten müssen sie allein zur Nachbeobachtung dort bleiben.

Und es sind Andrea Ulrich und Ralf Bennetz, die jetzt in ihrer Praxis in Klengen stehen, mit den Schultern zucken und frustriert sind. Das Schlimmste, sagen sie: „Dass wir null Einfluss darauf haben. Wir wissen gar nichts.“ Die meisten Entscheidungen erfahren sie maximal eine Woche vorher und meistens nur aus der Presse. „Das macht es sehr schwer zu planen.“

Dienstags können sie die Impfdosen in der Apotheke bestellen, am Donnerstag bekommen sie Bescheid, wie viele sie tatsächlich bekommen. Dann können sie die Termine für die kommende Woche ausmachen. Sie priorisieren nach Alter, nach Vorerkrankungen und danach, ob eine Person beispielsweise als Pflegende der einzige Sozialkontakt eines Menschen ist.

Und dann gibt es noch ein Problem: Für nächste Woche sollen sie neben Biontech auch zehn Astrazeneca-Dosen bekommen. Das erhöht nochmal den Aufwand. Mehr Beratung, mehr Absagen. „Keiner will das mehr haben“, sagt Ulrich. Etwa 25 Prozent der Impfberechtigten lehnen die Impfung mit Astrazeneca von vornherein ab, so ihre Erfahrung.

Das Personal arbeitet bereits am Anschlag, sagt Ulrich. Sie und Bennetz sicherlich auch, das sagt sie aber nicht. Sie sagt nur: „Ich habe schon lange keinen Tag mehr vor 21 Uhr Feierabend.“ Mit Bürgermeister Michael Schmitt haben sie gerade erst abgesprochen, dass sie auch mal Impfaktionstage am Wochenende machen wollen, zu denen dann jeder aus Brigachtal kommen kann. Wenn sie genügend Impfstoff haben, versteht sich. In ihrer Praxis könnten sie übrigens 100 Dosen in der Woche schaffen. 50 pro Arzt. Also mehr als das Doppelte von dem, was sie jetzt zur Verfügung haben.

„Wir haben den Patienten signalisiert, dass wir loslegen können“, sagt Ulrich. Jetzt müssen sie sagen: „Wir können einfach nicht.“