Die Narren übernehmen bald im Rathaus die Macht, die Historiker blicken indes auf den Samstag, 22. Februar aus einem anderen Grund. Dann jährt sich zum 80. Mal der schwere Fliegerangriff, der weite Teile der Donaustadt in Trümmer legte.

Unzählige Tote, schwere Zerstörungen

Die Sirenen heulten am Donnerstagmittag, 22. Februar 1945, über Donaueschingen. Ein Bombengeschwader der Alliierten näherte sich der Donaustadt und warf seine tödliche Fracht ab.

Die Stadt war nach dem Angriff eine Trümmerlandschaft, schrieb der Chronist Ernst Zimmermann, der frühere Donaueschinger Hauptamtsleiter, vor fünf Jahren im SÜDKURIER: „Ungezählte Tote, 124 total zerstörte, 276 schwer beschädigte und 727 leicht beschädigte Gebäude, eine unterbrochene Wasser- und Stromversorgung, eine teilweise zerstörte Kanalisation sowie zerstörte Straßen und Brücken.“

Erschwerend kam hinzu: „Auch die Deutschen wirkten an der Zerstörung der Infrastruktur mit: etwa mit den sinnlosen Sprengungen der Brücken über Brigach, Breg und Donau.“

Der ehemalige Donaueschinger Hauptamtsleiter und Chronist, Ernst Zimmermann (Archivbild).
Der ehemalige Donaueschinger Hauptamtsleiter und Chronist, Ernst Zimmermann (Archivbild). | Bild: Jakober, Stephanie

Die schlimmen Ereignisse des Kriegsendes beschrieb Helmut König, der von 1931 bis 1968 als Lehrer am Fürstenberg-Gymnasium tätig war. Sie finden sich im Band 1945 der von der Stadt erstellten Jahreschroniken, auf Königs Aufzeichnungen bezieht sich auch Chronist Ernst Zimmermann, dessen Bericht als Grundlage dient.

„Ein Bombenteppich“

Die ersten Bomben am 22. Februar fielen um 13.45 Uhr. Ein „Bombenteppich und Reihenwürfe ins Stadtzentrum zerstörten 38 Häuser und beschädigten weitere 53 schwer“, schrieb Ernst Zimmermann. Für die Stadt waren dies die schwersten Sprengbomben-Angriffe.

Überlebenschance war niedrig

Wer sich in einem Gebiet unter Bombenhagel aufhielt, hatte kaum eine Überlebenschance. „Betroffen waren insbesondere die Bereiche von der Poststraße bis zur Zeppelin-, Käfer- und Herdstraße sowie Goethe- und damalige Dietrich-Eckart-Straße.“

Und weiter: „Völlig zerstört wurde auch das Landratsamt, in dessen Luftschutzkeller viele Menschen den Tod fanden. Die evangelische Kirche wurde schwer beschädigt und die städtische Festhalle zerstört.“

„Drei Stunden später fiel erneut Bomben, etwa beim „Schwanen“ in Allmendshofen. Auch Pfohren und Wolterdingen wurden an diesem Tag bombardiert. In Pfohren starben dabei neun Menschen, in Wolterdingen sogar 28. Dort wurde auch die Kirche zerstört.“

Mehrere Angriffe

Die Stadt kam nicht zur Ruhe. Am 23. Februar gab es einen erneuten Angriff auf den Bahnhof. Laut Polizeibericht wurden dabei 96 Personen getötet, 56 verwundet und zwölf vermisst.

Am 25. Februar erfolgte ein Luftangriff auf die Kasernen. Die Bilanz: 136 Tote, 51 Verwundete und 20 Vermisste (fast alle Wehrmachtsangehörige). 24 Gebäude wurden total zerstört, 38 schwer beschädigt.

In den folgenden Tagen und Wochen heulten täglich die Sirenen. Am 20. April, einen Tag, bevor französische Streitkräfte die Stadt einnahmen, erfolgte ein Luftangriff mit Phosphor-Bomben, die circa 30 Häuser im Stadtzentrum in Brand setzten.

Massengräber in Allmendshofen

Nach den Bombenangriffen war es schwierig, Verschüttete zu retten, Verletzte zu versorgen und Tote zu bergen. Es mangelte oft an notwendigen Hilfsmitteln, schrieb Ernst Zimmermann.

Nur selten konnten Menschen lebend aus den Trümmern geborgen werden wie ein Ingenieur der Villinger Firma Kienzle im Haus Gleichauf in der Zeppelinstraße oder ein verschütteter junger Posthelfer im Erdgeschoss der Postamt-Ruine. „Die geborgenen Toten wurden in Massenbegräbnissen hinter dem dörflichen Friedhof in Allmendshofen beigesetzt, nachdem der Stadtfriedhof selbst durch Bombentreffer zu einem Kraterfeld geworden war.“

Keine lebenden Zeitzeugen mehr

Zeitzeugen leben heute kaum noch. Rolf Gleichauf, Jahrgang 1953, vom Druck- und Kopiergeschäft in der Zeppelinstraße 14, hat von den Schrecken des Krieges von seinem Vater Kurt Gleichauf erfahren. Der Vater war Jahrgang 1927, wurde noch im letzten Kriegsjahr eingezogen und habe mitbekommen, „wie kaputt Donaueschingen war“.

Blick in die Wasserstraße, Zeichnungen von Walter Merz-Ziegler, Stadtarchiv Donaueschingen
Blick in die Wasserstraße, Zeichnungen von Walter Merz-Ziegler, Stadtarchiv Donaueschingen | Bild: Stadtarchiv Donaueschingen/Ernst Zimmermann

Im April 1945, also kurz vor Kriegsende, sollte er als Soldat von Bayern mit einem der letzten Züge nach Berlin fahren. Am Bahnhof sei er aus dem Zug heraus kommandiert worden, „er soll heim, die Eltern ausgraben, sie hätten sonst niemand“, schildert der Sohn. „Das war sein Glück“, sonst wäre er nicht lebend zurückgekommen.

Mit keinem seiner Kameraden aus Donaueschingen, die mit dem Vater eingezogen worden seien, habe er danach noch Kontakt gehabt. Die Eltern wohnten damals in der Zeppelinstraße 12.

Enorme Wucht der Bomben

Ein Nachbarhaus in der Zeppelinstraße, die damalige Metzgerei Deufel an der Ecke zur Rosenstraße, sei wie das Elternhaus wohl auch explodiert, sagt Rolf Gleichauf. Dort habe der Vater noch Maschinenteile der Metzgerei ausgegraben. Rolf Gleichauf zeigt Fotos von der Zeppelin- und der Rosenstraße und rekonstruiert anhand der Aufnahmen die Wucht der Bomben.

Zerstörte Zeppelin- und Wasserstraße

Die Schäden durch die Luftangriffe blieben noch jahrelang sichtbar. Wie es noch 1947 gerade in der Zeppelinstraße und in der Wasserstraße aussah, hielt Walter Merz-Ziegler in zwei eindrucksvollen Zeichnungen fest, die sich im Stadtarchiv Donaueschingen befinden.

Auf der Straße liegt Schutt, viele Häuser haben zerstörte Giebel, ähnlich wie die Gedächtniskirche in Berlin, oder es steht sogar nur noch eine Fassade.

Erfahrenes Jägerbataillon

Zurück in die Gegenwart. Für das in Donaueschingen stationierte Jägerbataillon 292 gehören Einsätze in Konfliktgebieten mit all ihren Folgen zum Alltag. In der Fürstenbergkaserne gibt es deshalb einen sogenannten Lotsen, der sich um einsatzgeschädigte Soldatinnen und Soldaten kümmert.

Dass alles getan werden müsse, um Frieden zu bewahren und zu schaffen, betont auch Donaueschingens Oberbürgermeister Erik Pauly, in der Bundeswehr Offizier der Reserve. Um den Frieden zu verteidigen, so Pauly, gehöre auch eine wirtschaftliche und militärische Stärke.

Oberbürgermeister Erik Pauly, er ist Bundeswehroffizier in der Reserve.
Oberbürgermeister Erik Pauly, er ist Bundeswehroffizier in der Reserve. | Bild: Stadt Donaueschingen

Mahnende Worte

Der 79-jährige Chronist Ernst Zimmermann mahnt angesichts der zunehmenden Konflikte zu Besonnenheit und zu friedlichen Lösungen. Sein Credo: „Was bringt Krieg? Nur Leid und Not, sonst nichts.“ Die Menschheit habe nichts gelernt.

Ähnlich mahnende Worte hatte Michael Blume, Antisemitismusbeauftragter der Stuttgarter Landesregierung, im Oktober 2024 auf einem Vortrag in den Donaueschinger Donauhallen geäußert. Fast schon seufzend hatte Blume im Hinblick auf Israel, den Gazastreifen und den ganzen Nahen Osten in den Raum gestellt: „Wie weit könnte die Region sein, wenn man das Geld statt für Waffen für Schulen ausgeben würde.“