Die Nerven liegen blank, wenn es um das Verkehrskonzept geht – vor allem beim Donaueschinger Einzelhandel. Und so lockte die Chance, beim "Öffentlichen Meinungsaustausch" einmal seine Meinung kundzutun, rund 150 Besucher ins Twist. Darunter auch mehr als die Hälfte des Gemeinderates – während CDU und GUB an ihrer Fraktionssitzung festhielten und teilweise später hinzustießen, hatten die FDP, die SPD und die Grünen ihre Vorberatungen für die Gemeinderatssitzung entweder verschoben oder abgesagt.
Wer an diesem Abend gekommen war, um Antworten auf seine Frage zu finden, der wurde eher enttäuscht. Wer allerdings sein Unverständnis, sein Frust und seine Kritik loswerden wollte, dem wurde eine Plattform geboten. Während der Gewerbeverein und die Initiative "Wir für Donau" sich schon vor gut zwei Wochen deutlich zu der Einbahnstraße an der Stadtkirche und der einheitlichen Tempo-20-Zone in der Innenstadt positioniert hatten, kommt nun auch noch die Industrie- und Handelskammer Schwarzwald-Baar-Heuberg dazu. Gemeinsam hat die "Regionale Wirtschaft" ein Drei-Punkte-Programm für das Stadtkonzept Donaueschingen formuliert.
- Abfolge und Umsetzung des Verkehrskonzeptes wären den Beteiligten aktuell unklar. Es bestünde ein Informationsdefizit, wann welche Umsetzungsschritte aufeinanderfolgen. Es stelle sich zudem die Frage, ob diese im Sinne einer attraktiven Innenstadt logisch aufeinander abgestimmt sind. Diese Punkte müssten geklärt werden. Bis dies der Fall ist, sollte das Verkehrskonzept nicht umgesetzt werden.
- Gemeinsamer Austausch: Zur Klärung der Punkte stünde die regionale Wirtschaft zur Verfügung. Der gemeinsame Austausch miteinander sei wichtig. Das gemeinsame Ziel sollte eine attraktive und zukunftsfeste Innenstadt für Bürger, Unternehmen und Gäste sein.
- Weiterdenken: Die weitere Umsetzung des Verkehrskonzeptes sollte die Folgewirkungen auf die Wirtschaftstreibenden vor Ort einschließen. Eventuelle Schäden und negative Auswirkungen würden aktuell nicht beachtet. Hier gelte es anzusetzen.
Deshalb halten Bürger und Einzelhändler nichts von der Einbahnstraße und Tempo 20
Bürger und Einzelhändler kritisieren das Verkehrskonzept. Doch warum?
- Patrick Schmoll: "Wie sieht es in fünf Jahren aus, wenn wir jetzt die Einbahnstraße und die Tempo-20-Zone bekommen. Kein Mensch macht sich Gedanken, was passiert", sagt Patrick Schmoll, einer der Vorsitzenden des Gewerbevereins. Man solle den Menschen nicht mit Gewalt etwas verbieten, sondern sie lenken, indem man ein neues Angebot schaffe. Für den Verkehr bedeute das einen "funktionierenden Ring". Doch die Bahnstraße mit ihren zwei Ampeln und zwei Ausfahrten sei keine Alternative. Und nachdem die Einzelhändler fünf Jahre unter Dauerbaustellen gelitten hätten, bestünde nun überhaupt kein Grund für Hektik.
- DietmarGöbel: Als Arzt in der Karlstraße sieht Dietmar Göbel sich vom Verkehrskonzept massiv betroffen. 4000 Patienten im Monat, die müssten auch zu seiner Praxis kommen – zumal es sich meist um ältere Menschen und Kinder handle. "Ich bin froh, dass ich ein Viertel meiner Praxis bereits nach Bad Dürrheim verlegt habe", sagt Göbel. Und dabei sei er als Magnet nicht zu unterschätzen. Schließlich würden seine Patienten anschließend auch in der Innenstadt einkaufen. "Ich gehe nicht wegen dem Verkehrskonzept, sondern weil es so schnell umgesetzt wird." In Donaueschingen müsste man sich überlegen, was für eine Stadt man wolle: Eine für die Touristen, die mit dem Bus angekarrt werden, die Donauquelle anschauen und wieder weg sind.
- Oliver Kaltenbach: Der Hindenburgsring und die Hermann-Fischer-Allee sollen zur Alternative für die Josefstraße und "An der Stadtkirche" werden, wenn die Fürstenbergstraße zur Einbahnstraße wird? "Dann muss die Hermann-Fischer-Allee 20 000 Autos aufnehmen. Was haben bei so viel Verkehr rechts und links Fahrradstreifen zu suchen?", fragt sich Oliver Kaltenbach.
- Sabine von Landsberg-Velen: "Der Hindenburgring ist jetzt schon an der Kapazitätsgrenze", sagt die Kinesiologin, die ihre Praxis an der Mühlenstraße hat. Und Tempo 20 für die Innenstadt sei tödlich. "Da fahre ich nicht mehr in die Innenstadt, in der Zeit, die ich da brauche, komme ich auch irgendwo anders hin."
- Nadine Lorenz: "Die Bahnhofsstraße ist jetzt schon an der Kapazitätsgrenze. Ich bekomme das ja jeden Tag mit", sagt Nadine Lorenz vom Telekom-Shop. 8000 zusätzliche Fahrzeuge, die durch die Einbahnstraße an der Stadtkirche hinzukommen würden, könnte die Straße gar nicht aufnehmen.
- Christan Köster: Das Problem in der Karlstraße sei nicht der normale Verkehr.
- Michael Sörgel:"Die Innenstadt muss erreichbar sein", sagt der Vermieter des Nahkauf-Marktes an der Karlstraße. Sei dies nicht der Fall, sei bald der nächste Magnet weg. "Ich verstehe nicht, dass man mit Gewalt die Parkplätze in der Innenstadt reduzieren will." In anderen Kommunen würde man mit Neid nach Donaueschingen schauen, weil dort kostenlose Parkplätze direkt vor den Geschäften vorhanden sind. Und wohin die Verkehrsänderungen am Rathausplatz geführt haben, könnte man ja an der Mühlenstraße, der Käferstraße und der Villinger Straße sehen, die "tot" wären. "Der Kunde sucht sich andere Wege und vor allem andere Geschäfte", sagt Sörgel. Das Verkehrskonzept sollte nicht "eisern durchgekämpft" werden, sondern die Gemeinderäte sollten sich ihren Fehler eingestehen.
- Volker Sülzle:"Ich bin kein Fan des Verkehrskonzeptes, aber der Gemeinderat hat sich ernsthafte Gedanken gemacht", sagt der Rechtsanwalt aus Pfohren. Es wären sicher auch viele gute Gedanken gewesen. Aber nun werde das Verkehrskonzept zu schnell und ohne Abstufungen umgesetzt.
- Klaus Lehmann fragt sich, welche Notwendigkeit es für die Einrichtung einer Einbahnstraße an der Stadtkirche gibt.
Die Reaktionen
- OB Erik Pauly: "Ich glaube nicht, dass wir etwas übers Knie brechen." Das Verkehrskonzept sei lange diskutiert und die verschiedensten Varianten geprüft worden. "Die Welt wird nicht untergehen wegen einer Einbahnstraße." Und Bürgermeister Bernhard Kaiser: "Es gibt keine einfachen Lösungen in einer historisch gewachsenen Stadt." Es wären zig Varianten geprüft worden.
- Michael Blaurock (Grüne): "Es gab keine partaipolitischen Interessen." 99 Prozent der Fragen, die nun aufkommen, wären bereits beantwortet worden.
- Johannes Fischer (CDU): Ich gehöre zu den wenigen, die nicht für die Einbahnregelung waren." Ein guter Einzelhandel brauche Verkehr.
- Roland Erndle (FDP): "Ich werde einen Antrag stellen, dass wir das Thema nochmals diskutieren."