Wenn ein Bürgermeister mit 98,6 Prozent wiedergewählt wird, macht das stutzig. Was hat der Mann, der als bürgernah gilt und ohne Gegenkandidat ins Rennen ging, eigentlich richtig gemacht, um ein solches Ergebnis zu erzielen? Im Fall von Markus Hugger, den die Immendinger am Sonntag bei einer Wahlbeteiligung von knapp 42 Prozent im Amt bestätigt haben, lohnt eine Bestandsaufnahme.
Der Erfolg könnte Hugger eigentlich davontragen. Nach einer Zeit großer Unsicherheit wächst seine Gemeinde rasant, schafft Arbeitsplätze, neuen Wohnraum und baut die Kinderbetreuung aus. Das viel zitierte „Tal der Tränen“, das mit dem Abschied vom Garnisonsstandort vor sieben Jahren begann, scheint durchlaufen. Immendingen wird heute von vielen Gemeinden beneidet. Aber das war zum Amtsantritt Huggers vor acht Jahren so nicht absehbar. Auf den damals frisch gewählten Bürgermeister warteten zunächst einmal schlechte Nachrichten. Die deutsch-französische Brigade kündigte den Abzug an, dem Gemeindehaushalt, auch Handel und Gewerbe drohte ein Aderlass. War es nun Zufall oder Glück: Der Stuttgarter Autobauer Daimler interessierte sich für das Kasernenareal, um ein Prüf- und Testzentrums zu bauen. Zur Bedingung machten die Schwaben aber, dass sie das gesamte Areal überplanen dürfen, und dazu sollte auch die verbliebene Bundeswehr ausziehen.
Beispielloser Vorgang
„Wir waren damals eine halbe Konversionsgemeinde und baten um den Abzug der deutschen Streitkräfte“, erinnert sich Hugger, der sich auch politischer Unterstützung sicher sein konnte. Ein beispielloser Vorgang in der deutschen Standortlandschaft, zumal Daimler noch keinen Vertrag unterschrieben hatte. Der Mut, den der Bürgermeister zusammen mit dem Gemeinderat aufbrachte, sollte belohnt werden. Daimler machte mit und baute. Was hier inzwischen entsteht, soll bei dem Autobauer die Zukunft der Mobilität revolutionieren. Es geht um die Entwicklung autonomer Fahrsysteme, um Sicherheit und neue Antriebe. 200 Millionen Euro nahm Daimler nach eigenem Bekunden dafür in die Hand – 300 Mitarbeiter sollen entlang der Teststrecke arbeiten. Die Ansiedlung laufe nach Plan, heißt es. Anfängliche Kritik von Naturschutzverbänden aufgrund der gewaltigen Landschaftseingriffe, die durch umfangreiche Ausgleichsmaßnahmen aufgefangen werden sollen, ist zumindest offiziell inzwischen verstummt. Nach dann bald vier Jahren Bauzeit soll das Test- und Prüfzentrum in diesem Jahr ganz in Betrieb gehen.

Die Einwohnerzahl schnellte um mehr als zehn Prozent auf 6200 Menschen in die Höhe. Hugger spricht von einem „Imagewandel“ seiner Gemeinde, in die vermehrt junge Familien ziehen. Auch die Infrastruktur entwickelte sich weiter: Eine Lidl-Filiale eröffnete, Edeka baute zum Vollsortimenter aus, für Schlecker kam der Drogeriemarkt dm, und der Modemarkt Takko eröffnete im Ort ein Geschäft. Schließlich entstand ein neues Wohngebiet am Ortsausgang.
Projekt mit Sogwirkung
Die ersten 100 Daimler-Mitarbeiter seien bereits in Immendingen, so Hugger, weitere 200 werden erwartet. Das Großprojekt hat längst eine Sogwirkung entfaltet. Hugger verweist auf Anfragen und Ansiedlungen von Zulieferbetrieben, selbst aus Tuttlingen zog ein medizintechnisches Unternehmen nach Immendingen. Der Gemeinderat wies neue Gewerbeflächen aus, allein gegenüber dem Daimler-Prüfzentrum entsteht ein neues Industrie- und Gewerbegebiet.
Entsprechend fließen auch die Einnahmen aus der Gewerbesteuer. Weitere Investoren stehen im Hotel- und Gastronomiebereich am Start. An der Bundesstraße 311 entsteht ein Boardinghaus mit 96 appartementähnlichen Zimmern, in der Nähe des Bahnhofs soll ein Hotel entstehen.
Überwältigt zeigt sich der Bürgermeister über den großen Zuspruch aus seiner Gemeinde. Er sieht aber noch eine Menge Arbeit auf sich zukommen. Es gehe um nichts weniger als den Erhalt der eigenen Identität der Kommune mit ihren einstmals fünf selbstständigen Gemeinden. „Wir müssen eine Lösung finden, wo sich die Gemeinde hin-entwickelt“, sagt Hugger und verweist auf den dörflichen Charakter, den es in den Ortsteilen zu schützen gibt. „Dörfer sollen Dörfer bleiben“, sagt Hugger und fügt mit Blick auf die Entwicklung des Daimler-Standorts an: „Wir legen keinen Wert auf ein zweites Sindelfingen.“
So werden Autos auf der Daimler-Strecke getestet.