Immendingen – Die Gemeinde Immendingen hat im vergangenen Jahr ein Stück Kultur verloren. Der Gesangverein Liederkranz, 1843 gegründet, hat sich aufgelöst. Es war der älteste Verein und über lange Zeit einer der dominierenden Vereine des Ortes.

Seit Jahren hatte der Verein Nachwuchssorgen. Trotz nachhaltiger Bemühungen und vieler Aktivitäten gelang es nicht, einen ausreichenden Sängernachwuchs zu gewinnen. Die Situation bedrohte den Chor immer mehr in seiner Existenz. Um dem Verein doch noch eine Chance zu geben, wurde er im Jahr 2021 für ruhend erklärt. Innerhalb von drei Jahren hätte, so das Vereinsrecht, die Möglichkeit bestanden, wieder in eine aktive Phase einzutreten. Nach der Pandemie, in welcher der Probebetrieb eingestellt werden musste, war die Zahl der Sänger jedoch auf acht geschrumpft, viel zu wenig, um einen Chor besetzen zu können.

So blieb in der außerordentlichen Mitgliederversammlung am 28. November nur der Weg, über die Auflösung des Vereins Beschluss zu fassen. Als Liquidatoren wurden der Vorsitzende Ralf Eyrich und Kassierer Josef Schwarz bestellt. Nach Ablauf eines Jahres geht laut Satzung das Vereinsvermögen auf die Gemeinde über.

Interessant ist, dass die Vereinsgründung in Bachzimmern erfolgte. Mitarbeiter des dortigen Schmelzwerkes, der Amalienhütte, hatten sich des Öfteren zu frohem Liede zusammengefunden. Dieser Sängerrunde schlossen sich Immendinger Sängerfreunde an. So kam es 1843 zur Gründung des Männergesangvereins Liederkranz. Der damalige Leiter der Schmelzwerkschule, Hauptlehrer Wiehl, übernahm die Leitung des Vereins. Bereits 1876 löste sich der kaum erblühte Liederkranz wieder auf. Erst nach sieben Jahren, am 14. Januar 1883, erstand der Verein zu neuem Leben. Satzungen wurden erstellt und als Vereinslokal das Gasthaus Löwen gewählt. In den Folgejahren erlebte der Verein eine neue Blütezeit und wurde bereits 1887 in den Badischen Sängerbund aufgenommen. Eine durch gestörte Harmonie ausgelöste Krise konnte 1905 überwunden werden. Im Ersten Weltkrieg verstummten die Lieder der einst frohen Sängerschar. Bereits 1919 wieder aktiv, feierte man 1924 mit 14 Gastvereinen das 80. Stiftungsfest mit Fahnenweihe. Die damals rasante Geldentwertung bildete den Grund für das um ein Jahr verzögerte Jubiläumsfest.

Die Teilnahme am Badischen Sängerfest in Karlsruhe bildete 1935 noch einmal einen Höhepunkt in der Vereinsgeschichte. Der Verein führte in der Folge nur ein kümmerliches Dasein. Nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem die schönen Lieder wieder ganz verstummten, erfolgte 1946 auf Initiative von Eugen Münzer, der sodann 24 Jahre den Verein leitete, die Neugründung. Alsbald erwies sich der Männergesangverein mit glanzvollen Jahren als bedeutender Aktivposten im kulturellen Leben der Gemeinde, mit vielen Höhepunkten, einer Vielzahl von Auftritten, Konzerten, veranstalteten tollen Waldfesten und zahlreichen Begegnungen bei landesweiten Freundschaftstreffen. Das stimmungsvolle Repertoire von hoher Qualität wurde teilweise auch im Rundfunk übertragen. Auch Kompositionen aus Verdis Opern wurden dargeboten.

Der Nachwuchs fehlt

Bei allen Erfolgen machte sich jedoch der gesellschaftliche Wandel bemerkbar. Bereits im Jahr 2000 warnte man in einer Mitgliederversammlung vor einem „Kollaps“, wenn es nicht gelänge, Nachwuchssänger zu finden. Man unternahm deshalb schon sehr früh große Anstrengungen, den Auswirkungen des Zeitgeistes entgegenzuwirken. Es wurde ein Projektchor gebildet, der zusammen mit dem Gesamtchor zum 160-jährigen Bestehen als Opernchor in der Festhalle auftrat. Unter der Leitung des seit 2015 amtierenden Vorsitzenden, Ralf Eyrich, wurden die Anstrengungen zur Gewinnung neuer Sänger durch eine Vielzahl von Aktivitäten noch einmal verstärkt. Der Erfolg blieb jedoch aus.

Eine letzte große Veranstaltung bildete der im Jahr 2018 mit einem fulminanten Jubiläumskonzert gefeierte 175. Geburtstag, wozu der Vorsitzende Eyrich eine Festbroschüre mit der Vereinsgeschichte herausgegeben hatte. Es war jedoch schon damals nicht sicher, ob den 175 Jahren eine weitere Zeit hinzugefügt werden könne: Die einzelnen Stimmen in dem vierstimmigen Chor waren nur mit je drei Stimmen besetzt.