Ein Satz, den man im Gerichtssaal nicht so oft hört, sagte die Vorsitzende Richterin Corinne Schweizer in einem Drogenprozess jetzt vor dem Landgericht Rottweil: „Bitte nehmen Sie dem Angeklagten die Fußfesseln ab.“

Der 34-Jährige, der zusammen mit seinem 25-jährigen Cousin wegen Drogenhandels und Besitz von Kokain und Marihuana vor Gericht stand, hatte nämlich gerade eine Bewährungsstrafe bekommen – also wurde er direkt aus der Untersuchungshaft entlassen. Sein Cousin allerdings bleibt im Gefängnis: Er wurde zu drei Jahren und acht Monaten Haft verurteilt.

Polizei fallen Drogen sofort auf

Die beiden Cousins aus dem Raum Stuttgart waren im Sommer 2024 auf dem Autobahnparkplatz an der A81 im Bereich Unterhölzer Wald bei Geisingen mit anderthalb Kilo Kokain im Auto erwischt worden.

Und das rein zufällig und auch nur deswegen, weil den Zollbeamten der 25-Jährige wegen seiner großen Nervosität aufgefallen war. Das Kokain war zudem so ungeschickt unter dem Sitz versteckt, dass die in blaue Folie gewickelten Drogenpakete schon zu sehen waren, als die Fahrertür aufging.

Angeklagter nimmt Cousin in Schutz

Schon bei der ersten Vernehmung hatte der 25-Jährige seinen älteren Cousin in Schutz genommen. Dieser habe mit dem Drogentransport nichts zu tun, sei nur mitgefahren, weil ihm langweilig gewesen sei. Und das glaubte ihm das Gericht. Ebenso, dass die beiden nicht mit den Drogen handeln, sondern sie dem früheren Besitzer nach Konstanz zurückbringen wollten. Denn die Ermittler fanden weder auf den Handys der beiden entsprechende Hinweise noch auf ihren Konten.

Rückendeckung vom Arbeitgeber

Beide haben selbst Kokain und Marihuana geschnupft und geraucht, „und die Ermittlungen haben nichts erbracht, dass damit Handel getrieben wurde.“ Zudem spielte es eine wichtige Rolle, dass beide Angeklagte von ihren ehemaligen oder zukünftigen Arbeitgebern Rückendeckung bekommen haben: Der ältere der Cousins wird in einem Kebab-Restaurant arbeiten können, dem jüngeren hält sein Arbeitgeber, ein Händler für Autoersatzteile, die Stelle zumindest bis September frei. Wie zufrieden er mit seinem inhaftierten Mitarbeiter sei, das ließ er das Gericht schriftlich wissen.

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Ebenso glaubten die Richterinnen den beiden, dass sie die Schreckschusspistole und die Messer, die bei den Durchsuchungen der Zimmer der beiden gefunden wurden, nicht dafür genutzt wurden, eventuelle Kunden unter Druck zu setzen.

Deswegen und wegen der großen Menge an Drogen hatte der Staatsanwalt für den Jüngeren eine Haftstrafe von fünfeinhalb Jahren gefordert, für den Älteren drei Jahre.

Kristian Frank, der Verteidiger des 25-Jährigen, hatte in seinem Plädoyer auch darauf hingewiesen, dass sein Mandant nur als Kurierfahrer unterwegs gewesen sei – und einen Kurier könne man nicht für die transportierte Ware verantwortlich machen, das sehe sogar der BGH so.

Der Mann muss regelmäßige Urinproben abgeben

Der 34-Jährige muss nun in den zwei Jahren Bewährung die Finger von Drogen lassen, das wird in einer vierteljährlichen Urinprobe auch kontrolliert. Die Kosten dafür muss er selbst tragen. Und er muss eine Suchtberatung machen. Ob ihm eine Bewährung zustehe? „Darüber haben wir sehr lange nachgedacht“, wandte sich Richterin Corinne Schweizer an den Mann. Und sich letztlich dafür entschieden. „Aber das war wirklich knapp!“.