Nein, ans Aufhören denkt Vreny Kunz noch lange nicht. Und das, obwohl sie das Rentenalter längst erreicht hat. Aber da ist einerseits die Tatsache, dass niemand den Job übernehmen könnte. Und anderseits – und das ist viel wichtiger -, dass sie ihre Arbeit liebt.

Es geht um die abgeliebten Puppen, die Fundstücke von Omas Dachboden, die zerlöcherten Kuscheltiere, das uralte Spielzeug vom Großvater. Sorgenkinder nennt Kunz sie. Und sie liebt es, ihnen neues Leben einzuhauchen.

Eigentlich lebt Vreny Kunz in der Schweiz, doch mehrmals im Jahr reist sie nach Rottweil, zu Kornelia Hermann in ihr verzaubertes Puppenmuseum, in dem Kindheitsträume wahr werden. Und dann kommen die Leute aus der ganzen Region mit Spielzeugen, die die Puppendoktorin wieder herrichten soll.

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Ein älteres Ehepaar aus Villingen hat gleich mehrere dabei – etwa 100 Jahre alte Puppen, die allerdings in ziemlich desaströsem Zustand sind.

Hier zählt die Liebe, nicht der Marktwert

Lohnt es sich noch, das zu richten? Eine Frage, die Vreny Kunz oft hört. Und die sie eigentlich mit einem klaren Nein beantworten müsste, wenn sie es von der wirtschaftlichen Seite betrachten würde. Denn Sammlerstücke wie Käthe-Kruse-Puppen oder Steiff-Tiere sind auf dem Markt kaum noch etwas wert.

Die Besucher haben eigens für diesen Termin mit Vreni Kunz ihr Spielzeug ins Rottweiler Puppenmuseum gebracht.
Die Besucher haben eigens für diesen Termin mit Vreni Kunz ihr Spielzeug ins Rottweiler Puppenmuseum gebracht. | Bild: Moni Marcel

Aber für die meisten Besitzer der alten Spielsachen zählt nicht der Marktwert, sondern die Liebe zu den alten Stücken, die Erinnerungen, die drin stecken. Manchmal ist es sogar die erste eigene Puppe, wie bei der 80-jährigen Dame aus Aldingen, die sich riesig freut, dass Vreny Kunz die Puppe wieder hergerichtet hat und sie diese nun abholen kann.

Die Eltern lachten sie aus

Eine andere Dame, sie kommt ebenfalls aus Villingen, erzählt mit leuchtenden Augen, wie sie sich als Zwölfjährige am Schaufenster des Spielzeugladens in ihrer Heimatstadt Hannover die Nase plattdrückte und von der schönen Käthe-Kruse-Puppe träumte. Die Eltern lachten sie aus, sie sei doch längst zu alt, um mit Puppen zu spielen. Doch sie habe nicht nachgegeben, erzählt sie, und irgendwann war Bärbel, wie sie sie taufte, ihr Eigen.

Bärbel ist kürzlich Opfer eines Hundewelpen geworden, den ihre Besitzerin zu Besuch hatte: Die Haare sehen wüst aus, aus Rissen am Körper quillt das Rentierhaar, mit dem sie ausgestopft ist. Vreny Kunz weiß, was zu tun ist, für den Körper färbt sie Stoff passend ein, eine neue Frisur bekommt Bärbel auch. Nach Wunsch der Besitzerin, versteht sich.

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Eigentlich bekommt die Puppendoktorin alles wieder hin, schließlich hat sie jahrzehntelange Erfahrung. Und einen Fundus an Ersatzteilen. Den liefern Puppen oder Kuscheltiere, die keiner mehr will.

Zwischen Puppenseele und Online-Shopping

Wegwerfen? Geht nicht, da sind sich die Puppendoktorin und die Puppenmuseumsbetreiberin Kornelia Hermann absolut einig. „Sie haben für mich alle eine Seele“, sagt Kornelia Hermann, manchmal gehe sie durch die Ausstellungsräume und wünsche allen einen guten Morgen.

Allzu beschädigte oder verschmutzte Kleidung ist häufig nicht zu retten. Dann wirft die Puppendoktorin die Nähmaschine an.
Allzu beschädigte oder verschmutzte Kleidung ist häufig nicht zu retten. Dann wirft die Puppendoktorin die Nähmaschine an. | Bild: Moni Marcel

Aber auch sie merkt, dass die Sammelleidenschaft am Aussterben ist. Das Museum betreibt sie aus Leidenschaft. „Es trägt sich gerade so.“ Und noch ein weiterer leerer Laden in Rottweil? Nein, daran will Kornelia Hermann auch nicht schuld sein. Zudem kommen doch immer wieder Leute, die einen Plüsch-Rottweiler als Souvenir oder eine Kasperlepuppe für die Enkelkinder kaufen.

Ob die künftige Fußgänger-Hängebrücke Neckar-Line und die Landesgartenschau 2028 einen Schub für die Rottweiler Innenstadt bringen werden? Kornelia Hermann würde es freuen, skeptisch bleibt sie dennoch. Haben sich die Leute in den vergangenen Jahren doch viel zu sehr daran gewöhnt, vom Sofa aus einzukaufen, findet sie.

Wie die Puppendoktorin arbeitet

Vreny Kunz berät währenddessen das Ehepaar aus Villingen mit dem Korb voller Puppen, die teilweise nur noch aus Einzelteilen bestehen. Die Puppenfachfrau weiß, mit welchem Material sie da rangehen kann, Pappmaché oft, in Formen gepresst und mit Leim und Pflanzenöl verstärkt, oder Porzellan. Das kann man reparieren. Im Gegensatz zu moderneren Puppen aus Plastik.

Hochwertige Puppen lassen sich meist reparieren. Notfalls liefern sie für andere die Ersatzteile.
Hochwertige Puppen lassen sich meist reparieren. Notfalls liefern sie für andere die Ersatzteile. | Bild: Moni Marcel

Wenn Kornelia Hermann solche für ihr Museum angeboten bekommt, dann gibt sie diese meist weiter an die Aktion Eine Welt. Wo sie dann für wenig Geld verkauft werden und der Erlös in Hilfsprojekte gesteckt wird. So hat jeder was davon.

Und die Dame aus Villingen freut sich, dass Vreny Kunz aus den Einzelteilen wieder schöne Antiquitäten machen wird. Nur die Kleider, die die Puppen trugen, die sind reif für die Tonne. Doch auch das ist kein Problem. „Ich mach mich schon mal ans Nähen“, meint sie schmunzelnd.

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Damit alles fertig ist, bis die Puppendoktorin am 19. und 20. Juli mit den reparierten Lieblingen wieder ins Rottweiler Puppenmuseum kommt.