Der Polizeieinsatz macht am Mittwoch landesweit Schlagzeilen: Ein 48 Jahre alter Mann wird in seinem eigenen Garten durch den Schuss eines Polizisten getötet. Er soll die Beamten mit einer Waffe bedroht und diese trotz mehrmaliger Aufforderung nicht fallen gelassen haben. Zuvor war der Mann vom Rottweiler Vinzenz von Paul-Hospital (VVHP) als vermisst gemeldet worden.
Der Fall wirft Fragen auf: Was geschieht eigentlich, wenn eine Patientin oder ein Patient verschwindet? Und erfährt eine neurologische Fachklinik, ob Patienten im Vorfeld straffällig geworden sind?
Zum konkreten Fall des Mannes aus Schramberg dürfe die Klinik aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Angaben machen, sagt Nicole Schröder, im VVHP für Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Die Klinik gibt aber allgemein Auskunft zur Unterbringung der Patienten und zur Vorgehensweise bei Vermisstenfällen.
Werden Patienten mit strafrechtlich relevantem Hintergrund untergebracht?
„Patientinnen und Patienten mit strafrechtlichem Hintergrund werden nicht in unserer Einrichtung betreut, da für den Strafvollzug mit Krankheitsbezug die forensischen Einrichtungen des Landes zuständig sind“, sagt Nicole Schröder. Das VVPH betreue Patienten, die zur Krisenintervention oder zur Therapie professionelle Hilfe eines Krankenhauses in Anspruch nehmen.
Als psychiatrische Fachklinik sei das VVPH eine zugelassene Einrichtung für die Unterbringung nach dem Psychisch-Kranke-Gesetz (PsychKG). Zum Behandlungsspektrum gehöre die Versorgung von volljährigen Menschen mit psychiatrischen, psychosomatischen und psychotherapeutischem Hilfebedarf. Auch Patienten mit Abhängigkeitserkrankungen und neurologischen Erkrankungen werden hier behandelt.
Die Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie die forensische Psychiatrie decke das VVPH nicht ab. Am Zentrum für Neurologie des VVPH ist außerdem eine lokale Schlaganfalleinheit angegliedert, mit der die Einwohner des Landkreises Rottweil versorgt werden.
Erfährt die Klinik, ob ein Patient im Vorfeld auffällig war?
Generell werden bei der Anamneseerhebung die Gründe für die Einweisung eruiert, sagt Nicole Schröder. „Hier sind wir allerdings angewiesen auf die Informationen, die uns durch die Patienten, gegebenenfalls Angehörige, Rettungsdienste oder Polizei zur Verfügung gestellt werden.“ Patienten in psychiatrischen Ausnahmesituationen könnten natürlich auch ohne strafrechtlichen Hintergrund oder Verurteilung ein herausforderndes Verhalten zeigen.
Wo werden Patienten in Ausnahmezuständen untergebracht?
„Patientinnen und Patienten in psychiatrischen Ausnahmezuständen werden bei Fremd- oder Selbstgefährdung und fehlender Absprachefähigkeit in der Regel auf einer beschützend geführten Station aufgenommen“, erklärt Nicole Schröder. Diese Stationen seien aber nicht mit entsprechenden Stationen einer forensischen Klinik zu vergleichen.
Wie kann man sich den Alltag auf einer beschützenden Station vorstellen?
Die Patienten werden von Ärzten, Pflegenden, Psychologen und Spezialtherapeuten betreut. Neben der bedarfsweise medikamentösen Therapie gebe es Gesprächstherapie, Ergotherapie, Beschäftigungstherapie, geführte Spaziergänge oder auch Gartenausgang. Ziel der Behandlung auf einer beschützend geführten Station sei es, die Patienten nach ihrer Stabilisierung auf eine weiterführende spezialisierte Station zu verlegen, um dort eine weitere Stabilisierung und Remission, also einen Stillstand, der Symptome zu erreichen.
Ein Aufenthalt auf einer beschützend geführten Station bedeute nicht automatisch, dass die Patienten untergebracht seien und keinen Ausgang erhielten. Unter dem Gesichtspunkt einer Belastungserprobung sei es notwendig, ihnen auch Einzelausgänge zu ermöglichen.
Was geschieht, wenn ein Patient verschwindet?
Bei Patienten, die ihre Therapie eigenständig abbrechen – zum Beispiel nicht aus einem Ausgang zurückkommen oder auf eigenen Wunsch die Klinik verlassen – werde in Abhängigkeit der Gefahr wie Fremd- oder Selbstgefährdung reagiert. Hierfür gebe es innerklinische Prozesse, die im Bedarfsfall zum frühestmöglichen Zeitpunkt eingeleitet werden, sodass alle Beteiligten über die Suche informiert werden, sagt Nicole Schröder.
Bei Patientinnen und Patienten, die freiwillig in Behandlung sind und bei denen keine Anhaltspunkte für eine Selbst- oder Fremdgefährdung vorliegen, sei das Einschalten der Polizei meist nicht erforderlich, solange keine Anhaltspunkte für eine Selbstgefährdung vorliegen.
Bei Patienten mit einer richterlichen Unterbringung zur Therapie oder bei bestehender Selbstgefährdung werden diese von Seiten der Klinik als vermisst gemeldet, Nachforschungen zu ihrem Verbleib erfolgen dann von der Polizei. Die Entscheidung über eine Fahndung im Rahmen des Streifendienstes oder einer Personensuche obliege der Polizei.
Helfen noch andere bei der Suche?
Grundsätzlich verfügt das Vinzenz von Paul-Hospital über eine freiwillige Werkfeuerwehr, die im Falle der Suche nach einem Patienten unterstützend tätig werden kann. Die Aufgabe beschränke sich dabei auf das Absuchen des Klinikgeländes mit den entsprechenden Gebäuden, um damit die Kräfte der Polizei zu entlasten, sodass diese sich auf die umliegende Gegend konzentrieren können. Das Vorhalten einer Werkfeuerwehr sowie die Unterstützung bei einer Personensuche sei jedoch keine gesetzliche Verpflichtung und sei eine freiwillige Leistung des Vinzenz von Paul Hospital.