Fast erinnert es an die Zeiten, als das Benzinpreis-Monopol der großen Mineralölkonzerne durch die sogenannten freien Tankstellen im Lande durchbrochen wurde. Die Betreiber solcher Tankstellen sind nicht konzerngebunden, können somit das Benzin auf dem freien Markt einkaufen und ihre Preisgestaltung selbst bestimmen. Der Effekt: Oft ist der Liter Benzin an solchen Tankstellen ein paar Cent günstiger als an der sogenannten Markentankstelle, ein paar Meter weiter.
Und jetzt wiederholt sich im Villingen-Schwenninger Ortsteil Zollhaus dieses Szenario im Bereich der E-Mobilität. Hier geht es um den Strom, den die Fahrer von E-Autos bislang an einer der vielen Ladesäulen der verschiedenen Strom-Anbietern zapfen.
Davon gibt es sehr viele, vom Marktführer EnBW bis hin zu Stadtwerken, etwa den Stadtwerke Villingen-Schwenningen (SVS). Derzeit variiert auch hier das Preisniveau zwischen all diesen Anbietern um mehrere Cent pro Kilowattstunde.
Ladestation im Eigenbetrieb
Landwirt Jochen Hauser betreibt seine neue Ladestation im Zollhaus aber selbst. Auch den kompletten Bau der nötigen Infrastruktur vor Ort hat er selbst finanziert, abzüglich einer kleinen Förderung aus Landesmitteln.

Um das Laden für Jedermann zu jeder Zeit zu ermöglichen, greift er auf einen Dienstleister zurück. Die Firma CityWatt übernimmt hier die Abrechnung über die üblichen Verfahren. Wer die Smartphone App von CityWatt herunterlädt, kann darüber eine kostenlose Registrierung vornehmen und seine Zahlungspräferenzen hinterlegen.
Die Kilowattstunde kostet 59 Cent
Über diesen Zugang kostet eine Kilowattstunde 59 Cent an Hausers Ladesäule. Und wer die Ladekarte eines anderen Anbieters vorzeigt, kann üblicherweise dort auch Strom tanken.
Das läuft über sogenannte Roaming-Abkommen, hat aber meistens auch einen zusätzlichen Preisaufschlag zur Folge. Am Beispiel der EnBW kostet dann die Kilowattstunde hier nun 89 Cent, ein erheblicher Unterschied.
Zum Vergleich: An den DC-Ladestationen der SVS kostet die Kilowattstunde 64 Cent, vorausgesetzt, man hat eine (monatlich) kostenpflichtige Ladekarte der SVS oder ist schon Energie-Kunde bei der SVS. Ansonsten werden aber 94 Cent fällig, das ist dann noch einiges mehr. Wer die EnBW-Karte präsentiert, bezahlt dann hingegen nur 69 Cent.

Bei Hauser wird zusätzlich auch das AdHoc-Laden angeboten. Dabei wird auch das problemlose Bezahlen mit einer normalen Debit-Karte (EC-Karte) und anderen Karten inklusive PayPal möglich, also ganz ohne App oder Registrierung.

Das ist inzwischen bei allen neu installierten Ladesäulen gesetzlich vorgeschrieben. Bei dieser Bezahlmethode kostet die Kilowattstunde 64 Cent, und das wird einem am Kartenterminal vor dem Bezahlen auch so angezeigt.
Deutliche Preissenkung schon im Blick
Jochen Hauser will die aktuellen Preise aber noch deutlich unterbieten, denn ihm liegt das Thema Energiewende und das Erzeugen und Nutzen von günstiger Solarenergie am Herzen.
Immerhin erzeugt er mit seiner großen PV-Freiflächenanlage bis zu vier Megawatt. Die nutzt er zum einen in seinem Landwirtschaftsbetrieb selbst und speist den Überschuss zum anderen zu den üblichen Vergütungssätzen ins öffentliche Netz ein.
Nachdem die Bundesregierung zum Jahreswechsel aber das neue Solarspitzengesetz auf den Weg gebracht hat, erhalten solche Anlagenbetreiber zeitweise keine Vergütung, sobald der Preis an der Strombörse negativ ist. Das ist immer dann der Fall, wenn die Sonne kräftig scheint und überall im Land mehr Energie erzeugt als gleichzeitig verbraucht wird.

Billiger Strom tanken als Mitglied im Ladeclub
Hauser hat sich ausgerechnet, dass er seinen eigenen Solarstrom auch für 35 Cent pro Kilowattstunde anbieten kann. Das geht auch, weil ihm ja die Ladesäule selbst gehört. Wer zu diesem Preis bei Hauser Strom tanken will, braucht nur einen passenden Ladechip von ihm direkt.

Um das besser organisieren zu können, plant der umtriebige Landwirt einen sogenannten Ladeclub zu gründen. Damit will er alle Privatleute ansprechen, die bei sich zu Hause keine passende Lademöglichkeit haben. Zusätzlich aber auch Unternehmen, die bereits eine Flotte von E-Fahrzeugen betreiben, zum Beispiel Taxis und Handwerker.
Doch damit nicht genug. Zollhaus liegt zwar strategisch gut im Städtedreieck VS und Bad Dürrheim, bedeutet aber doch für Stromsuchende immer auch eine kleine Anfahrt und etwas mehr Zeit. Auch hier hat Hauser eine Idee, die er nun auch in die Tat umsetzt.
Ehemaliges Gasthaus Zollhäuse als Warte-Lounge
Die Ladezeit an einer DC-Ladesäule liegt typischerweise so um die 30 bis 60 Minuten, je nach Fahrzeug und Lademenge. Diese Zeit kann man natürlich für eine kleine Pause nutzen und etwas essen und trinken, wenn einem danach ist.

Eigens dafür hat Hauser nun das ehemalige Gasthaus Zollhäusle umgebaut und bietet dort ein entsprechendes Selbstbedienungsangebot an. Verbunden mit einem gemütlichen beheizten Aufenthaltsraum mit Fernsehen und Gratis-Internet sollen hier zukünftig Mitglieder seines Ladeclubs jederzeit per Chip freien Zugang haben.
Mittagessenangebot an bestimmten Tagen
Zusätzlich plant er jeweils montags und dienstags auch ein bewirtschaftetes Mittagessensangebot. Also an den Tagen, an denen das benachbarte Café Hildebrand seine Ruhetage hat.
Auch Parkgebühren entstehen beim Laden und Relaxen in Hausers Lounge nicht. Das ist ein Unterschied zu den sonst herrschenden Konditionen. Denn je nach Anbieter und Standort kostet üblicherweise auch das Parken während des Ladens etwas.
Zumindest verlangen die großen Anbieter, wie die EnBW, Aral und andere bei Überschreiten einer vorgegebenen maximalen Ladezeit zusätzlich eine sogenannte Blockierungsgebühr, die recht schnell ins Geld gehen kann.
Bald bis zu fünf Säulen?
Wenn sich alles so entwickelt, wie sich Hauser das vorstellt, so können aus der ersten Ladesäule unter dem Solardach im Zollhaus bald auch bis zu fünf Säulen werden, in Summe also zehn Ladepunkte beziehungsweise 20 Parkplätze. Und die alle mit modernster Ladetechnik, die pro Ladepunkt bis zu 300 KW liefern kann.
Damit setzt Hauser seine Vision von mehr Unabhängigkeit von den großen Energie-Lieferanten in die Tat um, verbunden mit einem Preisangebot, welches weit und breit erst einmal seinesgleichen sucht. Dazu kommt noch, dass die Betriebskosten bei E-Fahrzeugen inzwischen deutlich unter denen von Verbrennerfahrzeugen liegen. Das bestätigen unter anderem auch der ADAC, Check24 und andere.