Bei der Präsentation der Statistik der Rottweiler Staatsanwaltschaft sparte die leitende Staatsanwältin Sabine Mayländer nicht mit Kritik am Cannabis-Gesetz: Man müsse schon „bekifft“ gewesen sein, dieses Gesetz zu machen. Es habe der Justiz nicht nur viel zusätzliche Arbeit gebracht, sondern auch Ungerechtigkeiten. Denn so seien die „schlampigen“ Straftäter, die ihre Strafe auch beim vierten Mal nicht bezahlt hatten, am Ende ohne davongekommen, während die Sorgfältigen zahlen mussten.

700 Verfahren habe man händisch durchschauen müssen, so Mayländer, und nun müsse man sich mit Anträgen zur Löschung im Strafregister auseinandersetzen. Ihr selbst sei es egal, ob der Autofahrer, der sie als passionierte Radlerin in den Rollstuhl bringe, bekifft sei oder nicht. Es tue nichts zur Sache, ob man einem Drogenabhängigen den Führerschein abnehme oder nicht. „Die fahren auch ohne Führerschein.“

Das Landgericht Rottweil – hier werden 2024 mehr Verkehrsdelikte verhandelt.
Das Landgericht Rottweil – hier werden 2024 mehr Verkehrsdelikte verhandelt. | Bild: Moni Marcel

Oft sind die Anzeigen nicht gerechtfertigt

Etwa zwei Drittel der Verfahren, die die Staatsanwaltschaft 2024 bearbeitet hat, konnten eingestellt werden. Viele davon seien Anzeigen, die nicht gerechtfertigt waren. Solche gegen die Rundfunkgebühren beispielsweise, für die die Staatsanwaltschaft nicht zuständig ist und wo man den Leuten klarmachen müsse, dass sie hier einen Antrag an die entsprechende Behörde stellen müssen. „Man hat das Gefühl, es gibt immer mehr Wahnsinnige um einen herum“, so die leitende Oberstaatsanwältin.

Die Zahl der offenen Verfahren sinkt

Auch wurden viele Verfahren abgearbeitet. Die Zahl der offenen Verfahren sank von 2451 Ende 2023 auf 2365 Ende 2024, die Verfahrenszeit wurde um durchschnittlich zwei Tage verkürzt. Auf der anderen Seite ist in einigen Bereichen der Aufwand wesentlich größer geworden. Das beziehe sich vorwiegend auf Fälle, bei denen viele Daten ausgewertet werden müssen, beispielsweise bei Kinderpornographie oder Sozialversicherungsbetrug.

Es gibt mehr Körperverletzungen

Körperverletzungs- und Diebstahldelikte seien mehr geworden, betonte Sabine Mayländer. Die hatten während der Pandemie abgenommen, „das hat leider nicht angehalten.“ So waren es 2022 1223 Körperverletzungen, 2023 1342 und im vergangenen Jahr 1557. Bei den Diebstählen stieg die Zahl von 2023 auf 2024 um zwölf Prozent. Um Geldwäsche ging es 572 Mal, im Jahr davor 577 Mal. Im Bereich der Sexualdelikte gab es einen Anstieg von acht Prozent. Bei der Verbreitung von pornografischen Schriften waren es 20 Prozent mehr: 364 Fälle im Jahr 2023, 438 Fälle im vergangenen Jahr.

Die Leute fahren immer schlechter oder schneller

Eine Steigerung von 19 Prozent gab es bei den Verkehrsdelikten: „Die Leute fahren immer schlechter. Oder immer schneller“, stellt die leitende Staatsanwältin fest.

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17 Kapitaldelikte (2023: 15 Fälle) verzeichnet die Statistik, das sind Mord und Totschlag. Hingegen gab es eine Halbierung der Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz – Ergebnis der neuen Gesetzgebung – von 1044 auf 561 Verfahren im Jahr 2024. Allerdings blieben im Bereich der schweren Verstöße mit einer Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wie beim Handeltreiben mit nicht geringer Menge oder unter Einsatz von Waffen die Zahlen nahezu unverändert: 72 Fälle im Jahr 2023, 69 Fälle 2024. Damit habe sich das Argument, dass das neue Gesetz die Drogenbanden bekämpft, nicht bewahrheitet.

Es werden mehr Geldstrafen vollstreckt

Mehr geworden ist die Zahl der Vollstreckungsmaßnahmen: von 3177 im Jahr 2023 auf 3563. Der Schwerpunkt bilde hier die Vollstreckung von Geldstrafen, die Menge der Freiheitsstrafen stieg von 197 auf 236. Allerdings wurden 1589 Hafttage und damit eine Menge Geld eingespart, weil Leute, die ihre Geldstrafe nicht zahlen konnten, gemeinnützige Arbeit ableisten.

Arbeit finanziert sich weitgehend selbst

Ferner hat sich die Arbeit der Staatsanwaltschaft weitestgehend selbst finanziert: Mehr als 3,3 Millionen Euro an Bußgeldern brachte sie in die Staatskasse, darauf sei man stolz. Weitere 171.000 Euro an Geldauflagen gingen an gemeinnützige Einrichtungen.

Das Landgericht in Rottweil.
Das Landgericht in Rottweil. | Bild: Silas Stein

Aufwühlende Fälle in der Region

Frank Grundke und Markus Wagner gingen abschließend auf die besonderen Verfahren im vergangenen Jahr ein: Ein am zweiten Weihnachtsfeiertag 2023 bei einer Feier erstochener Mann und ein Täter, der sich vorsätzlich in den Vollrausch getrunken hatte. Oder eine Bande, die Metall aus Firmengebäuden in Millionenhöhe stahl, ein versuchter Mord in Rottweils Innenstadt, bei der der Angestellte eines Lokals beinahe seinen Chef umgebracht hätte. Aufwühlend war auch das Verfahren gegen einen ehemaligen Lehrer, der den kleinen Sohn einer Bekannten schwer sexuell missbrauchte.

Für Grundke sind das die Fälle, die ihm während seiner langen Dienstzeit in Erinnerung bleiben werden: Ein Ehrenmord und der Fall eines Vaters, der mit seiner eigenen Tochter sechs Kinder gezeugt hatte.