Angela Donno ist Sozialpädagogin und Geschäftsführerin des Vereins Grauzone, der Missbrauchsopfer aus dem ganzen Kreis betreut: „Es sind rund 70 Fälle, die jährlich neu dazukommen, aber wir haben auch viele Menschen, denen wir über einen längeren Zeitraum zur Seite stehen.“ Sie schätzt, dass die Dunkelziffer der Missbrauchsopfer im Kreis – wie überall in Deutschland – extrem hoch ist. 

Mittlerweile gehe man davon aus, dass statistisch jedes achte Kind Opfer sexueller Gewalt wird. Mittlerweile sei die Sensibilität wesentlich höher geworden was das Thema Missbrauch anbelangt. Um diese Sensibilität herzustellen, investiere der Verein viel Arbeit in die Prävention.

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Angela Donno führt aus, dass es für missbrauchte Kinder etwas einfacher ist, ihr Trauma zu verarbeiten, wenn sie schnell Hilfe bekommen. „Wenn der Missbrauch sich über einen längeren Zeitraum erstreckt, dann bricht das die Kinder.“ Wie Angela Donno berichtet, arbeiten Täter fast immer mit „Vertuschungsmechanismen“. Das passiere oft ganz subtil, gerade wenn die Täter aus dem familiären Umfeld kommen. Opfer würden mit unterschiedlichen Mitteln erpresst und zum Schweigen gebracht, sie verfügen dann nicht über die innere Stärke, ihr Schweigen dennoch zu brechen und sich zeitnah Hilfe zu holen, führt Angela Donno aus.

Auch dass ein missbrauchtes Kind wie in dem geschilderten Fall noch dafür verantwortlich gemacht wird, dass zum Beispiel eine Familie auseinanderbricht, geschehe häufig. „Die Täter versuchen, dem Opfer die Schuld zuzuweisen.“

Angela Donno ist auch der Meinung, dass viele Urteile bei sexuellem Missbrauch „zu lasch“ seien. „Das Urteil müsste dem gerecht werden, was die Täter den Opfern angetan haben.“ Vor allem müssten die Verjährungsfristen wegfallen. Es gebe Fälle, da könnten Missbrauchsopfer erst Jahrzehnte nach dem Geschehen darüber sprechen.

So wie eine Frau, die die Hilfe der Grauzone-Expertinnen gesucht hat: „Erst mit 40 Jahren ist sie in der Lage gewesen, ihren Stiefvater anzuzeigen, der sie missbraucht hatte, als sie 14 war.“ Allerdings war die Tat dann verjährt, für die Frau sei die Anzeige aber dennoch ein Befreiungsschlag gewesen, auch wenn sie aus der Familie ausgestoßen wurde. „Alle haben zu ihr gesagt: Musst Du jetzt noch damit ankommen?“. Für Angela Donno lässt sich diese Frage nur mit Ja beantworten: Egal wann und in welcher Situation müssten Opfer immer die Gewissheit haben, dass sie Hilfe erhalten.

Der Verein Grauzone entstand 1992 durch die Initiative einer betroffenen Mutter. Ihre Tochter hatte sexuelle Gewalt erlebt und beide wünschten sich Beratung und Unterstützung. Da die Mutter keine Anlaufstelle mit spezieller Expertise zum Thema sexuelle Gewalt finden konnte, gründete sie mit einigen weiteren Frauen Grauzone als Anlaufstelle für Betroffene und indirekt Betroffene. Bald schon kamen professionelle Sozialarbeiterinnen dazu. Bis 2001 wurde der Verein ausschließlich von ehrenamtlich tätigen Frauen getragen. 2005 war der Hilfebedarf in der Gesellschaft bereits so gewachsen, dass die Kräfte und Ressourcen der Ehrenamtlichen überschritten waren. Es wurde die erste hauptamtliche 50-Prozent Stelle eingerichtet, aktuell arbeiten drei hauptamtliche Mitarbeiterinnen, Honorarkräfte und viele Ehrenamtliche mit großem Engagement für den Verein Grauzone und helfen Betroffenen.