Es ist ein guter Tag für Elisa (Namen geändert): Die 17-Jährige kann nach langen Kämpfen den Namen ihrer Mutter annehmen. Sie will den Namen des Vaters nicht mehr tragen, der ja auch der Nachname des Großvaters ist. Dieser Mann hat das Mädchen missbraucht, als sie 13 Jahre alt war. 

Leben für immer verändert

Bis heute kämpft sie mit den Folgen, ist in therapeutischer Behandlung und ihre Mutter weiß, dass diese Geschichte das Leben des Mädchens für immer verändert hat.

Für Katharina B. ist es nur schwer erträglich, dass ihr Schwiegervater für seine Tat mit einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung davongekommen ist. „Er hat erst alles geleugnet, dann aber ein volles Geständnis abgelegt“, berichtet sie im Gespräch mit dem SÜDKURIER, der alle Akten und das Urteil einsehen konnte. Auch die Tochter selbst hat in einem Telefonat die Geschichte und ihre Erlebnisse bestätigt und betont, dass sie es wichtig findet, dies öffentlich zu machen.

Vor dem Amtsgericht Villingen ist der Prozess gegen einen Mann geführt worden, der seine zum Tatzeitpunkt 13-jährige Enkeltochter ...
Vor dem Amtsgericht Villingen ist der Prozess gegen einen Mann geführt worden, der seine zum Tatzeitpunkt 13-jährige Enkeltochter missbraucht hat. | Bild: Greiner, Anja

Strafmildernde Gründe

Das Geständnis des Großvaters wirkte sich natürlich strafmindernd aus, ebenso wie die Tatsache, dass der Rentner bislang noch nicht auffällig geworden ist, also keine Vorstrafen hat und zu dem Zeitpunkt seine pflegebedürftige Frau betreut hat.

Katharina B. hat sich nach der Berichterstattung über den Prozess gegen ein Paar, das sich unter anderem an einem Säugling vergangen hat, an den SÜDKURIER gewendet. Die Strafkammer hat den Mann zu fünf Jahren Haft wegen schweren sexuellen Missbrauchs verurteilt, die Frau muss drei Jahre in Haft. Katharina B. meint zu diesem Urteil: „Ich bin traurig, böse, erschrocken und wütend über dieses Urteil.“ Sie hält es für viel zu milde, ebenso wie das Urteil gegen ihren Schwiegervater.

Das könnte Sie auch interessieren

Neben der Bewährungsstrafe gab es für den Mann noch eine Geldstrafe in Höhe von 3000 Euro, das Geld bekommt seine Enkelin: „Das stottert er monatlich mit 30 Euro ab, weil er so wenig Geld hat“, berichtet die Mutter.

Keine Auflagen für den Täter

„Der Mann läuft frei herum, es gibt keinerlei Auflagen, dass er sich beispielsweise Kindern nicht nähern darf“, erzählt sie. Die Folgen für sie und ihre beiden Töchter dagegen sind gravierend: Ihre Ehe ist gescheitert, weil ihr Ex-Mann zu seinem Vater steht, die Heimatstadt hier im Kreis musste sie verlassen. „Meine Tochter lebte in der ständigen Angst, ihrem Peiniger irgendwo in der Stadt zu begegnen.“

Das habe so krasse Ausmaße angenommen, dass Katharina B. mit ihren Töchtern nur frühmorgens oder ganz spät am Abend einkaufen konnte. „Bevor wir geparkt haben, musste ich mehrmals um den Parkplatz fahren: Sie wollte sichergehen, dass nirgends das Auto ihres Großvaters steht“, erzählt die Mutter. Bei einem Markt in der Stadt schaute sich das Mädchen dauernd verängstigt um, um ja einer möglichen Begegnung auszuweichen. „Das hat uns natürlich massiv belastet“, berichtet die Mutter.

Radikaler Schnitt

So hat sie den radikalen Schnitt beschlossen: Das Leben in der gewohnten Umgebung, die für die Tochter keinerlei Sicherheit mehr bietet, aufzugeben und in einer anderen Stadt einen Neuanfang zu wagen. „Das war und ist noch schwer, hier Fuß zu fassen.“ Für den neuen Job musste sie noch einige Prüfungen ablegen und viel lernen, dazu den Umzug managen, die Scheidung einleiten, für die Töchter da sein.

„Vielleicht hätte ich auch in Therapie sollen, aber dafür war bislang überhaupt keine Zeit“, erzählt Katharina B. Zeitweise hat sie in dieser Phase nur vier Stunden geschlafen. Noch immer ist ihr die Erschütterung über den sexuellen Missbrauch, der sich irgendwann im Jahr 2015 zugetragen hat, anzumerken. „Meine Tochter hat sich mir ja auch nicht anvertraut, sie hat fast ein Jahr lang geschwiegen und das alles mit sich herumgeschleppt.“

Durch Zufall entdeckt

Wie die Geschichte ans Tageslicht kam? „Ich war mal völlig genervt, weil Elisa ständig am Handy hing.“ Nach mehreren Drohungen hat die Mutter der Tochter das Handy dann weggenommen. Es lag auf dem Küchentisch und obwohl sie das bis zu diesem Zeitpunkt noch nie getan hat, schaute sich die Mutter die Whatsapp-Nachrichten der Tochter an. „Ich saß morgens auf dem Balkon, es war eisig kalt und ich hatte einen Morgenmantel an“, erinnert sie sich genau.

Einem Freund hat Elisa anvertraut, was ihr der Großvater angetan hat, als sie dort einmal mit der Schwester übernachtet hat. „Ich habe gar nicht gemerkt, wie kalt es war, weil ich innerlich zu Eis erstarrt bin“, berichtet die Mutter, die durch eine Handynachricht erfährt, dass der Großvater die Enkeltochter missbraucht hat.

Dann handelt sie sofort: Sie fährt in die Schule, holt die Tochter aus dem Unterricht und konfrontiert sie mit ihrem Wissen. Noch in der Schule bricht das Mädchen zusammen. Die Mutter geht sofort zur Kripo und erfährt dort große Hilfe. „Die haben sofort das Handy ausgelesen.“ Ihr Mann reagierte auf ihre Anrufe nicht und die Polizei hat ihr empfohlen, mit den Kindern drei Tage abzutauchen, während sie den Rentner mit den Vorwürfen der Enkeltochter konfrontieren.

Was Katharina B. bis heute erregt: „Er hat ein dreiviertel Jahr geleugnet, erst während des Prozesses hat er ein Geständnis abgelegt.“ Die Familie des Ex-Mannes ist aber von der Unschuld des Rentners überzeugt, ihre Tochter gilt in der Familie als Verräterin: „Mit dieser Last muss das Mädchen auch noch leben.“

Aussage in Konstanz

In Konstanz hat Elisa ihre Aussage gemacht, begleitet von Fachleuten des Vereins Grauzone aus Donaueschingen, die Mutter durfte bei den Aussagen der Tochter nicht dabei sein. „Sie war aber absolut glaubwürdig, hat sich nie widersprochen und dem ganzen Druck standgehalten“, ist sie stolz auf den Mut ihrer Tochter, sich dem diesem Verfahren zu stellen.

Das könnte Sie auch interessieren

Umso wütender ist sie über das Urteil: „Es wäre schon eine Genugtuung gewesen, wenn er eine Gefängnisstrafe bekommen hätte.“ Zumal die Aussagen der Tochter alle auf Video aufgezeichnet worden sind. Der Freund von Elisa, dem sie sich in einem Chat anvertraut hat, wurde auch an seinem Wohnort von einem Richter vernommen, seine Aussage aufgezeichnet.

Mutter macht sich Vorwürfe

Katharina B. macht sich Vorwürfe, dass sie ihre Tochter quasi zum Missbrauch „hingefahren hat“. „Wir haben die Kinder zu den Großeltern zum Übernachten gebracht, damit wir weggehen konnten.“ Im Ehebett verging er sich an seiner Enkeltochter. Die Schwester hatte währenddessen geschlafen, die pflegebedürftige Oma hielt sich im Wohnzimmer auf.

Mädchen leidet bis heute

Bis die heute 17-Jährige diesen Missbrauch verarbeitet hat, wird wohl noch einige Zeit vergehen. „Sie ist ein echter Stubenhocker, was mich einerseits freut, da ich so das Gefühl habe, sie besser beschützen zu können.“ Andererseits will die Mutter, dass ihre Tochter ein normales Leben führt, dieses genießen kann und weggeht.

Geschwister sollten getrennt werden

Sie weiß auch, dass sie der jüngeren Tochter, die heute zwölf Jahre alt ist, viel Aufmerksamkeit schenken muss. „Sie ist natürlich in dieser Zeit etwas vernachlässigt worden und hat ja gar nicht verstanden, was um sie herum geschieht.“ Bei der Scheidung wollte man die Geschwister sogar trennen, dann hat die Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht bekommen, der Vater darf die jüngere Tochter alle zwei Wochen sehen. Ihr fällt es schwer, ihre jüngere Tochter zu einem Mann zu bringen, der den Missbrauch der Schwester bis heute anzweifelt und verhöhnt.