Bernhard Lipp ist stellvertretender Direktor des Amtsgerichts Villingen-Schwenningen und erklärt auf Nachfrage des SÜDKURIER: „Ich habe in dem Prozess gegen den Großvater, der seine Enkeltochter missbraucht hat, den Vorsitz geführt.“
Gewichtige Gründe
Auf die Frage, ob das Urteil, eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung, zu mild sei, erklärt er: „Es gab gewichtige Gründe, die zu diesem Urteil geführt haben.“ Der wichtigste Grund war das Geständnis des Rentners. „Wenn Opfer von Sexualstraftaten, gerade wenn sie minderjährig sind, nicht noch einmal aussagen müssen, wirkt sich das immer besonders strafmildernd aus“, erklärt Lipp. Für die Opfer sei eine Aussage vor Gericht in der Regel „retraumatisierend“.
Erdrückende Beweislage
Lipp hatte zwei Verhandlungstage anberaumt und am ersten Tag das junge Mädchen noch nicht als Zeugin vorgeladen. „Der Angeklagte hat am ersten Tag noch kein Geständnis abgelegt“, so Lipp. Er habe dem Rentner verdeutlicht, dass die aus der vorliegenden ermittlungsrichterlichen Videovernehmung des Mädchens Aussage sehr glaubhaft sei. Lipp spricht insoweit von einer „erdrückenden Beweislage.“ Er halte es für nahezu ausgeschlossen, dass ein junges Mädchen so detailliert und überzeugend ein solches Tatgeschehen schildern könne, wenn dieses nicht stattgefunden hat. Am zweiten Verhandlungstag kam das Geständnis nach Rückfrage des Anwalts, ob dieses zu einer Strafminderung führe.
Schwerer sexueller Missbrauch
Ja, Bernhard Lipp kann es gut nachvollziehen, wenn viele Menschen ein solches Urteil für „zu milde“ halten. „Es war sicher eine grenzwertige Entscheidung, für die es aber Gründe gab“, so Lipp. So habe sich der Mann bis dahin nie etwas zuschulden kommen lassen, der Umstand, dass er sich um seine pflegebedürftige Frau kümmerte, wurde als strafmildernd gewertet. In das Urteil eingeflossen ist die Dauer des Missbrauchs, es handelte sich um einen einzelnen Übergriff und auch dabei nicht um einen vollzogenen Beischlaf. „Die Art, Intensität und Dauer eines sexuellen Übergriffes sind für das Strafmaß entscheidend.“ Da das Mädchen erst 13 war, wurde der Mann wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt. Hier beginnt das Strafmaß bei einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, die in diesem Fall zur Bewährung ausgesetzt werden konnte.