„Noch einmal den Weg zum Strand gehen, einen griechischen Frappé trinken, die intensiven und so vertrauten Gerüche und Geräusche der Insel aufsaugen – Sina Mikiqi-Höfler wünscht sich nichts sehnlicher als das“. So beginnt die Helios Klinik Rottweil eine Geschichte, die sich um den Herzenswunsch einer Krebspatientin auf ihrer Palliativstation dreht – um ihren Kampf und um ihre Hoffnung.

Dieser auf den ersten Blick einfache Wunsch fühle sich für die 59-Jährige, die seit einem Jahr einen erbitterten Kampf gegen Krebs führe, fast unerreichbar an.

Die Flugtickets sind gekauft

Denn noch wollten ihre Beine nach der Chemotherapie nicht so laufen, wie sie es brauche, um die Reise anzutreten. Noch fühle sich der Körper nicht stark genug.

Aber der Wille sei da. Und die Flugtickets zur griechischen Insel Korfu seien gekauft. Sie will mit ihrer Schwester zusammen am 17. August fliegen, teilt die Helios Klinik mit.

„Nur noch ein einziges Mal nach Hause“

Als sie auf der Palliativstation der Helios Klinik Rottweil ihre Geschichte erzählt, ist sie überzeugt: „Ich werde in diesem Flieger sitzen und gemeinsam mit meiner Schwester diese Reise machen. Ich will nur noch ein einziges Mal nach Hause. Ich möchte zurück an die Plätze, wo wir als Kinder waren. Ich möchte ganz allein am Meer sitzen, die Luft einatmen und mit allem abschließen – damit endlich ein bisschen Frieden in mein Leben kommt“, sagt sie.

Sina Mikiqi-Höfler sei in Deutschland auf die Welt gekommen, im Alten Spital in Rottweil. Sie spreche ein „gepflegtes Schwäbisch“, kenne sich bestens in der Gegend aus – und trotzdem leuchteten ihre Augen ganz anders, wenn sie von „da unten“, von der Insel Korfu erzähle.

Dort habe ihre Oma gelebt – und die große Familie, die vielen Cousins und Cousinen, Tanten und Onkel versammelten sich in den Sommerferien in Omas Haus.

Viele Schicksalsschläge erlitten

„Mein Leben war richtig schlimm, aber da war ich glücklich. Ich habe immer von diesen Momenten, von den Gedanken an die Kindheit da unten gezehrt“, sage Sina Mikiqi-Höfler heute.

Ihr Leben in Deutschland sei nicht einfach gewesen: Sie sei in den 60er-Jahren als „Ausländerkind“ aufgewachsen, habe auch als Erwachsene Gewalt und mehrere Schicksalsschläge erlebt.

Der Körper verträgt die Chemotherapie nicht

Der letzte liege gerade mal zwölf Monate zurück: die Diagnose Scheidenkrebs. Auf die Diagnose folgten eine OP und eine Chemotherapie, die Sina Mikiqi-Höfler habe abbrechen müssen, weil ihr Körper damit nicht klargekommen sei. Ihre Haare habe sie trotzdem verloren – und die ganze Kraft in ihren Beinen.

„Ich hatte so richtig schöne griechische Haare – lang, dick, wellig. Wenn ich mir aber aussuchen dürfte, würde ich heute auf jeden Fall lieber meine Beine zurückhaben. Ich brauche sie gerade so sehr!“, sagt sie.

Jeden Tag üben mit dem Rollator

Deshalb übt sie auf der Palliativstation in der Helios Klinik Rottweil jeden Tag mit dem Rollator. „Ich muss da runter, auch wenn ich auf allen Vierern auf dem Flughafen laufen muss.“

Der Krebs von Sina Mikiqi-Höfler hat mittlerweile in die Lunge gestreut. „Ich habe mich damit abgefunden, dass ich sterbe. Ich habe es akzeptiert. Ich habe keine Wut mehr und habe allen vergeben“, sagt die 59-Jährige.

Sehnsucht nach ihrer Oma

Doch der Traum, noch einmal zu Hause zu sein, lässt sie nicht los. „Wissen Sie, wenn ich dort aus dem Flugzeug steige, die Augen schließe und diesen Geruch spüre – es ist, wie wenn die Oma die Türe aufmacht und uns Enkelkinder sieht, uns packt und abknutscht, bis wir klatschnass sind“, sagt sie.

An ihre Oma erinnert sie sich gern. „Ich sehe sie, wie sie in der Räucherkammer sitzt und den Thunfisch macht. Wie sie Käse macht. Ich weiß noch gut, wie sie nach Knoblauch gerochen hat – den hat sie pur gegessen. Jetzt weiß ich, worauf es im Leben ankommt – nämlich darauf, sich geliebt und geborgen zu fühlen.“

Die Pflegekräfte Lisa Ginter (links) und Nadine Garcia-Romero (rechts) machen ihrer Patientin Sina Mikiqi-Höfler immer wieder Mut. Auch ...
Die Pflegekräfte Lisa Ginter (links) und Nadine Garcia-Romero (rechts) machen ihrer Patientin Sina Mikiqi-Höfler immer wieder Mut. Auch viele andere Kolleginnen und Kollegen unterstützen sie. | Bild: Tatsiana Zelenjuk, Helios Klinik Rottweil

Sina Mikiqi-Höfler will sich bei vielen Menschen für die Unterstützung bedanken – vor allem bei ihrer Schwester und bei ihren Eltern. „Ich bin auch dankbar, dass ich so eine tolle Tochter habe. Und auch hier auf der Palliativstation bin ich so gut aufgehoben“, zitiert sie das Klinikum.

Auf Station wüssten alle um ihren großen Traum und versuchten mit vereinten Kräften, das Unmögliche zu ermöglichen. „Du schaffst das“, sage Pflegerin Nadine Garcia-Romero, wenn die Patientin mal wieder zu zweifeln beginne. „Du schaffst das ganz bestimmt!“

Jede Nacht in der Klinik träumt sie von der Heimat. „Ich wünsche mir nichts mehr als das. Noch mal auf dem Balkon sitzen und das einfache Essen genießen, noch mal am Strand sein, noch ein letztes Mal durch den Markt laufen, mit all den Streitereien. Noch ein letztes Mal glücklich sein.“

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