Rumms, das schwere Stahltor fällt ins Schloss. Die Teilnehmer der SÜDKURIER-Leseraktion stehen im Innenhof des Villinger Gefängnisses, das eine Außenstelle der Justizvollzugsanstalt Rottweil ist. Eine gut sechs Meter hohe Mauer, gekrönt mit Stacheldraht, versperrt die Sicht von und nach draußen.
Was ab hier passiert, findet abgeschirmt von der Öffentlichkeit statt. Im Hof werden die Teilnehmer bereits von der JVA-Leiterin Ilona Crispien sowie der Dienstleiterin und dem stellvertretenden Dienstleiter erwartet. Deren Namen nennt der SÜDKURIER auf deren Bitte aus Sicherheitsgründen nicht.
„Herzlich willkommen“, begrüßt Crispien die Gruppe. Das sagt sie sonst vermutlich nicht.
Nur Untersuchungshäftlinge im Villinger Gefängnis
Denn wer hierher kommt, tut dies nicht freiwillig, sondern weil er möglicherweise eine Straftat begangen hat und bis zur Gerichtsverhandlung mehrere Wochen oder gar Monate in Untersuchungshaft bleiben muss.
Bevor die SÜDKURIER-Gruppe das Gebäude betreten darf, müssen die Mobiltelefone abgegeben werden. „Fotografieren und Filmen ist aus Sicherheitsgründen nicht gestattet.“
Strenge Auflagen für Pressefotograf
Glücklicherweise bekommt der Pressefotograf eine Ausnahmegenehmigung. Mit strengen Auflagen: „Auf den Fotos dürfen keine Gitter und keine Türschlösser zu sehen sein.“

Das ist aber dann auch die einzige Strenge, die die Mitarbeiter walten lassen müssen. Die Teilnehmer lernen die Vollzugsbeamten als empathische Menschen kennen, die auch einen guten Umgang mit den Gefangenen pflegen wollen. „Das sind Menschen, die uns anvertraut sind und für die wir Verantwortung haben.“
Diese Verantwortung zeigt sich auch dadurch, dass regelmäßig Sozialarbeiter, Psychologen und bei Bedarf auch ein Arzt Sprechstunden hinter den Gefängnismauern abhalten.
Hunde spüren Drogen und Handys auf
Dennoch müssen Regeln befolgt werden. Regelmäßig werden die Hafträume nach Drogen und Handys durchsucht. Dabei werden auch speziell ausgebildete Drogen- und Handyspürhunde eingesetzt. „Es ist ein ewiges Katz- und Maus-Spiel“, sagen die Mitarbeiter.
Obwohl die Gruppe insgesamt nur aus zehn Personen besteht, werden die Personen in zwei Gruppen durch das Gefängnis geführt. Schnell wird klar, warum. „Es ist hier alles sehr beengt“, sagt die Dienstleiterin fast schon entschuldigend.
Schmale Gänge, kleine Räume
In der Tat; schmale Gänge, kleine Räume und niedrige Türstöcke schränken die Bewegungsfreiheit ein. Vor 150 Jahren waren Gefangene wohl kleiner und dünner.
Die Gruppe durchläuft den Weg, den auch ein Untersuchungshäftling gehen muss, wenn er frisch eintrifft.
Spartanische Ausstattung
Im Aufnahmezimmer werden die Personalien aufgenommen, danach bekommt er Anstaltskleidung. Unterwäsche, Jeans, rotes Oberteil. Dazu eine Kiste mit Hygieneartikeln. Komfort sieht anders aus.
Die Einrichtung hat schon bessere Zeiten gesehen. Und dennoch. „Mir gefällt es hier, ich arbeite sehr gerne hier“, sagt die Dienstleiterin, eine sympathische, fröhliche Frau, der man abnimmt, dass sie ihren Beruf als Vollzugsbeamtin gerne macht.

Über weitere schmale Gänge und vorbei an schweren Zellentüren, hinter denen sich Räume etwa für Arztsprechstunden befinden, geht es ein Stockwerk höher in den Zellentrakt.
Dabei muss die Gruppe immer wieder stoppen, weil immer wieder vergitterte Tore auf- und wieder zugesperrt werden müssen.
Zwischendurch erläutern die beiden Dienstleiter, die die Gruppen durch das Gebäude führen, alle Fragen der neugierigen Teilnehmer.
Zum Beispiel geht es darum, dass derzeit 17 Häftlinge, alles erwachsene Männer, hier in Untersuchungshaft sitzen
18 Hafträume für maximal 44 Gefangene
Wie lange dauert so eine U-Haft? Zwischen sechs Monaten bis zu zwei Jahren, so die Antwort – je nachdem, wann die Verfahren stattfinden.
Die aktuelle Situation ist für die Häftlinge schon fast komfortabel. „Wir haben 18 Hafträume mit Platz für bis zu 44 Gefangene“, erläutert die dienstleitende Vollzugsbeamtin.

Früher mussten die Häftlinge oft zu viert in einem Haftraum leben. Heute könnte für jeden Gefangenen ein eigener Haftraum zur Verfügung stehen. „Die meisten wollen aber gar nicht alleine sein, weswegen wir meist Zweier-Belegung haben“, erläutert die Beamtin.

Auf rund zwölf Quadratmetern in den großen Zellen und neun Quadratmetern in den kleinen Hafträumen gibt es jeweils zwei Etagenbetten, dazu Kleiderspinde, ein Tisch, Waschbecken und eine Toilette, die nur durch einen Vorhang abgetrennt ist. Privatsphäre? Fehlanzeige.

Nach dem Blick in die Küche, wo zwei Köchinnen täglich abwechslungsreich für Häftlinge und Mitarbeiter kochen, geht es in den Arbeitsbereich. Untersuchungshäftlinge müssen nicht, aber können arbeiten, so die Information.
Stundenlohn: 1,08 Euro
Für viele ist es eine willkommene Abwechslung zum ansonsten tristen Haftalltag. Bis auf eine Stunde Freigang, in der sie sich im Hof mit Mithäftlingen unterhalten können, sind sie ansonsten in ihrem Haftraum.
Mit ihrer Arbeit verdienen sie auch Geld, 1,08 Euro pro Stunde. Damit können sie sich Dinge für den persönlichen Bedarf, etwa Zigaretten, Obst oder Süßigkeiten kaufen.

„Wir arbeiten hier im Akkord 35 Stunden in der Woche“, erklärt der Leiter des Vollzuglichen Arbeitswesens. Produziert werden hier unter anderem Betriebsstundenzähler für ein örtlich ansässiges Unternehmen.
Dass die Häftlinge arbeiten können, sei wichtig für einen geordneten Tagesablauf. Auch sieht der Arbeitsbetriebsleiter dies als wichtigen Schritt auf dem Weg zur Resozialisierung.

Nach gut zwei Stunden Knastalltagschnuppern wurden die Teilnehmer wieder auf freien Fuß gesetzt.
Gefangenenausbrüche zwischen Tragödie und Komödie
Nicht, ohne zuvor Antwort auf die Frage bekommen zu haben, ob es hier auch schon Ausbruchversuche gab. „Ja, einige.“ So seien in den 1980er Jahren zwei Männer ausgebrochen, von denen einer später auf der Flucht erschossen wurde.
„Und einmal kletterte einer über die Mauer, fuhr mit dem Zug nach St. Georgen, trank dort einen Kaffee und kam wieder zurück“, erklärt der stellvertretende Dienstleiter. Und kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.
Für die Teilnehmer war der Besuch im „Café Viereck“, wie das Gefängnis umgangssprachlich genannt wird, ein eindrückliches Erlebnis. „Mich hat am meisten die Unterbringung beeindruckt. Diese Enge, ich hatte das Gefühl kaum atmen zu können“, erklärt Gabriele Stollbert.
Hochachtung für die Beschäftigten
Auch die Beschäftigten habe bei ihr einen besonderen Eindruck hinterlassen. „Man spürt, dass diese Menschen ihren Beruf mit viel Freude ausüben, meine Hochachtung.“
Thilo Harm wollte „einfach sehen, wie es da drinnen aussieht.“ Und er kam zu dem Schluss; „dass das Gebäude von außen mehr hermacht als von innen.“