Nach dem Schulabschluss stellt sich vielen jungen Menschen die Frage nach ihrer beruflichen Zukunft. Dass sich ein großer Teil der Jugendlichen lieber für ein Studium statt für eine Berufsausbildung entscheidet, ist keine Neuigkeit mehr.

Viele Ausbildungsplätze bleiben daher unbesetzt. Doch fehlt es wirklich allen Branchen an Zuwachs?

Zahl der Azubis rückläufig

Miriam Kammerer ist stellvertretende Geschäftsbereichsleiterin Bildung und Prüfung bei der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg. Sie erklärt, dass die Zahl der neuen Azubis in der Region in fast allen Berufen rückläufig sei.

Miriam Kammerer ist stellvertretende Geschäftsbereichsleiterin Bildung und Prüfung bei der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg.
Miriam Kammerer ist stellvertretende Geschäftsbereichsleiterin Bildung und Prüfung bei der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg. | Bild: IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg

Zwar habe sich auch das Angebot der Stellen aufgrund der derzeitigen wirtschaftlichen Lage reduziert. Trotzdem gebe es seit Jahren mehr freie Stellen als Bewerber.

Verschiedene Gründe für Mangel

Die Gründe für den Mangel sind vielfältig. Der demografische Wandel, sagt Kammerer, führt insgesamt zu kleineren Jahrgängen und damit weniger potenziellen Auszubildenden.

Heutzutage mache zudem ungefähr die Hälfte eines jeden Jahrgangs Abitur. Somit würden sich auch mehr Schulabgänger für ein Studium entscheiden.

Einige Jugendliche würden außerdem direkt nach der Schule arbeiten gehen – ohne abgeschlossene Ausbildung. Laut Kammerer sei das „besorgniserregend“. Das schränke nämlich die Berufschancen der Betroffenen ein und erhöhe das Risiko, in Zukunft arbeitslos zu werden.

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Ausländische Azubis als Lösung

Eine besonders vom Azubimangel betroffene Branche ist die Pflege, wie Jenny Fries, die Pflegedienstleiterin im Pflegeheim St. Lioba in Villingen bestätigt.

Die Zahl der Azubis sank dort in den vergangenen Jahren stetig, erzählt Fries besorgt. Zwar sei das Pflegeheim auch auf Jobmessen vertreten, allerdings gebe es eher wenig Resonanz. Um auf den sozialen Medien für Ausbildungsplätze zu werben, wie es manche andere Ausbildungsbetriebe tun, fehle schlichtweg die Zeit.

Seit drei Jahren nimmt das Pflegeheim deshalb Auszubildende aus dem Ausland auf. Die Lehrlinge kommen unter anderem aus Vietnam, Kamerun und Kroatien. Auszubildende aus Deutschland gebe es auch, allerdings nur sehr wenige, erzählt Fries.

Große Bandbreite an Tätigkeitsfeldern

Maria Sebastian und Sonia Tchihou gehören zu denjenigen, die dem Mangel an Pflegekräften entgegenwirken. Die jungen Frauen kommen aus Indien, beziehungsweise Kamerun und sind für die Ausbildung zur Pflegefachkraft nach Deutschland gezogen.

Maria Sebastian (links) und Sonia Tchihou machen eine Ausbildung zu Pflegefachfrauen im Pflegeheim St. Lioba in Villingen.
Maria Sebastian (links) und Sonia Tchihou machen eine Ausbildung zu Pflegefachfrauen im Pflegeheim St. Lioba in Villingen. | Bild: Vivienne Joos

Sebastian äußerte schon als Kind den Wunsch, im Pflegebereich zu arbeiten, erzählt sie. Die Ausbildung zur Krankenpflegerin ist in Indien jedoch kostspielig und das Ansehen des Berufs zudem sehr niedrig. Deshalb entschied sie sich nach ihrem Abitur, in Deutschland eine Ausbildung zur Pflegefachfrau zu absolvieren.

Tchihou, die in Kamerun zunächst Buchhalterin war, entdeckte ihre Leidenschaft für die Pflege, als sie ihre kranke Großmutter pflegte. Seit der Reform der Ausbildung zur Pflegefachfrau schätzt sie, dass die Bandbreite an Tätigkeitsfeldern größer geworden ist. So ist es möglich, nicht nur in der Altenpflege, sondern auch in der Kranken- und Kinderkrankenpflege zu arbeiten.

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Vorurteile beeinflussen Berufswahl

Fries vermutet, Jugendliche lassen sich vom negativen Image der Pflegeberufe leiten, etwa häufige Wochenend-Arbeit oder schlechte Bezahlung. Beim Thema Bezahlung habe sich jedoch in den letzten Jahren einiges getan, betont die Pflegedienstleiterin. Die Vorstellung, Pflegefachkräfte seien unterbezahlt, kann Jenny Fries nicht bestätigen.

„Es ist ein unglaublich sinnstiftender Beruf“, sagt Jenny Fries über ihre Arbeit. Kein Tag sei wie der andere. Zudem arbeite man mit Menschen zusammen, die wirklich dankbar seien. „Wenn man dann noch in einem tollen Team arbeitet, macht es richtig Spaß!“, betont Fries.

Handwerksbetriebe müssen Initiative zeigen

Anders als Jenny Fries kann sich Dirk Gläschig nicht über den Azubimangel beklagen. Er ist der Geschäftsführer des Installationsbetriebs Gläschig in Villingen. Hier werden Anlagenmechaniker und Elektroniker für Gebäudetechnik ausgebildet.

Dirk Gläschig ist der Geschäftsführer des Installationsbetriebs Gläschig in Villingen.
Dirk Gläschig ist der Geschäftsführer des Installationsbetriebs Gläschig in Villingen. | Bild: Vivienne Joos

Zwar sei die Suche nach Auszubildenden für Installationsbetriebe deutschlandweit durchaus herausfordernd, erklärt Gläschig. Wenn ein Betrieb allerdings Engagement zeige und ein attraktives Umfeld für die Azubis schaffe, sei es möglich, genügend zu finden, sagt er.

Dazu gehöre, im Vorfeld der Ausbildung Praktika anzubieten und einem fundierten Ausbildungsplan zu folgen. „Sich zurückzulehnen und sich dann zu beschweren, dass keine Auszubildenden kommen, bringt nichts“, sagt Gläschig.

Justin Vager ist angehender Anlagenmechaniker und stimmt den Aussagen Gläschigs zu. Er schätzt den Freiraum, den er in seinem Ausbildungsbetrieb genießt und sieht sich auch in Zukunft in seinem Beruf. Gleichzeitig bedauert er das Bild des Handwerks in der Öffentlichkeit. „Das Handwerk wird schlechter angesehen, als es in Wirklichkeit ist“, sagt Vager.

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Immer noch viele Industriekaufleute

Da der Schwarzwald-Baar-Kreis stark industriell geprägt sei, ist Industriekaufmann/-frau der beliebteste Ausbildungsberuf in der Region, erklärt Miriam Kammerer von der IHK. Im bundesweiten Ranking liegen Industriekaufleute auf Platz acht.

Dementsprechend gibt es in der Branche keinen Mangel an Azubis zu verzeichnen. Im Gegenteil: Katherina Fleig, Verantwortliche für die angehenden Industriekaufleute bei EBM-Papst in St. Georgen erzählt, die Firma habe in den letzten Jahren meist mehr Bewerbungen als angebotene Ausbildungsplätze erhalten.

Katherina Fleig betreut die angehenden Industriekaufleute bei EBM-Papst in St. Georgen.
Katherina Fleig betreut die angehenden Industriekaufleute bei EBM-Papst in St. Georgen. | Bild: Daniel Jaeger

Abwechslungsreiche Tätigkeit macht Ausbildung attraktiv

Was den Beruf so erstrebenswert macht? Nisa Sabanci, Auszubildende bei EBM-Papst, gefällt vor allem die abwechslungsreiche Tätigkeit in verschiedenen Abteilungen wie Vertrieb oder Buchhaltung.

Nisa Sabanci befindet sich im zweiten Lehrjahr zur Industriekauffrau.
Nisa Sabanci befindet sich im zweiten Lehrjahr zur Industriekauffrau. | Bild: Pagitta Dieterle

Die Konditionen im Industriebereich seien außerdem sehr gut, die große Bandbreite an Tätigkeitsbereichen bietet zudem die Möglichkeit, sich als junge Person zu orientieren, ergänzt Katherina Fleig.