Es ist bis heute eines der markantesten Gebäude in der St. Georgener Innenstadt. Nicht nur wegen seines gelben Anstrichs, auch wegen seiner imposanten Größe. Das Hotel „Hirsch“ war über viele Jahrhunderte das erste Hotel am Platz. Einst logierte hier sogar Kaiser Wilhelm II. Vom Ruhm vergangener Tage ist längst nichts mehr übrig. 1989 musste das Hotel „Hirsch“ Konkurs anmelden. Nachdem mehrere Jahre verschiedene Pächter ein chinesisches Restaurant betrieben, ist das einstige Hotel heute ein Wohnheim für Flüchtlinge.
Die Geschichte des Hotel „Hirsch“ reicht bis ins 17. Jahrhundert zurück. Der Brigacher Wolfgang Göbel hat dazu über die Jahre viel Material gesammelt und dem SÜDKURIER für diesen Artikel zur Verfügung gestellt. An der Stelle des „Hirsch“ stand demnach früher der klösterliche Maierhof, der 1633 abgebrannt ist. 1666 hat ein Christian Obergfell dort eine „Behausung zum Betrieb des Bäckerhandwerks“ errichtet. Sein Nachfahre Philipp Obergfell hat dann neben der Bäckerei auch eine Wirtschaft betrieben, die 1729 in einer Aufzeichnung als „beste St. Georgen Gassenwirtschaft“ bezeichnet wurde.
Unter anderem Fritz Walter besuchte St. Georgen
Das heutige Gebäude ist freilich nicht mehr das Originalgebäude. Dieses fiel 1836 einem Brand zum Opfer und wurde von Phillip Haas, dem Gründer der Firma Phillip Haas & Söhne, dessen Vater ab 1804 Eigentümer des „Hirsch“ war, wieder aufgebaut. Somit hat das heutige Gebäude gute 185 Jahre auf dem Buckel. Ein Umstand, der einem der späteren Besitzer in den 1990er Jahren noch erhebliche Diskussionen mit dem Denkmalamt bei der Renovierung bescheren sollte.

1958 kaufte die Hoteliersfamilie Roßmy den „Hirsch“, die zuvor ein Hotel in Schönau im Wiesental betrieben haben. Deren Sohn Günther leitete das Hotel in St. Georgen und übernahm es ab 1968. Unter seiner Leitung wurde der Ruf des „Hirsch“ als erstes Haus am Platz mit seiner hervorragenden Küche weiter ausgebaut. Die St. Georgener Bürger kamen gerne, hielten Stammtisch, feierten Vereins- und Familienfeste und genossen die kulinarischen Spezialitäten. Auch die St. Georgener Geschäftswelt führte ihre Firmenkunden selbstverständlich in den „Hirsch“. Viele Feriengäste und auch zahlreiche Prominente genossen ebenfalls die niveauvolle Gastfreundschaft des Hoteliers Günther Roßmy und seiner Frau Marianne. Unter anderem verbrachten Opernsänger Rudolf Schock und der Fußballspieler Fritz Walter hier erholsame Tage.
Ende der 1980er geht es stetig bergab
Zum 1. Januar 1986 verkauften Roßmys das Hotel aus gesundheitlichen Gründen an Kurt und Sigrid Nufer. Das Apotheker-Ehepaar aus der Nähe von Karlsruhe erfüllte sich damit den Traum von einem eigenen Hotel. Dieser Traum sollte bereits drei Jahre später wie eine Seifenblase zerplatzen. Das hohe Niveau des Vorgängers war für die branchenfremden Hotelbesitzer nicht zu halten. Die Gäste blieben nach und nach aus. Im Januar 1989 stellten die Nufers Konkursantrag. Nufer erhob damals schwere Vorwürfe gegen die damals eigenständige Sparkasse St. Georgen. Das Objekt sei bereits bei der Übernahme Ende 1985 überbeliehen gewesen. Zins und Tilgung seien nicht zu erwirtschaften gewesen, teilte Nufer damals schriftlich dem SÜDKURIER mit.
Seit 2015 eine Flüchtlingsunterkunft
Nur wenige Wochen später eröffnete Richard Gschwendtner das Hotel neu, nachdem seine „Krone“ in Peterzell kurz davor niederbrannte. Doch schon zum Ende desselben Jahres gab Gschwendtner den „Hirsch“ auf und orientierte sich nach Donaueschingen. Letztlich kam das Hotel unter den Hammer. Die Sparkasse ersteigerte das Objekt samt dazugehörigem Nebengebäude mit zwei Arztpraxen damals für 1,38 Millionen Mark (rund 710 000 Euro). Und veräußerte es kurz darauf an einen Interessenten weiter. Nach gleichermaßen ambitionierten wie gescheiterten Plänen eines britischen Pächters, der das gesamte Hirsch-Areal in ein Kultur- und Freizeitzentrum umwidmen wollte, waren ab Mitte der 1990er Jahre chinesische Restaurants unter wechselnder Leitung im „Hirsch“.
2015 endet der Hotel- und Restaurantbetrieb endgültig. Aus dem einst ruhmreichen und weit über die Region hinaus bekannten und geschätzten Hotel „Hirsch“ wurde eine Flüchtlingsunterkunft. Von dem einstigen Flair der vergangenen Jahrhunderte ist nichts mehr übrig.