Stefan Müller, Gartenbauingenieur in der Abteilung Stadtgrün, hält am Dienstagmorgen vor dem Bickentor 25 Gramm dessen in der Hand, was ihn und seine Kollegen in den vergangenen sieben Monaten „viel Hirnschmalz“ gekostet hat: Eine Blumenmischung speziell entwickelt für die Doppelstadt, bestehend aus 22 beziehungsweise 38 verschiedenen Blumenarten (darunter Borretsch, Kamille, Kornblume, Malve, Mohn, Natternkopf, Ringelblume, Salbei und Vergissmeinnicht). "VS blüht auf" heißt die Mischung, die ab sofort in beiden Stadtbezirken angepflanzt werden soll und so viele unterschiedliche Arten enthält, dass Müller bei der offiziellen Präsentation der Saatmischung auf anhieb nicht mehr alle benennen kann. "Dass mit dem Flaum? Das weiß ich jetzt auch nicht mehr genau, was das ist."
Die Idee kam den Mitarbeitern der Abteilung Stadtgrün, als es um die Jahresplanung 2018 ging. Ein "Grünes Stadtmarketing", optisch ansprechend, ökologisch wertvoll (vor allem als Insektenweide) und wirtschaftlich sinnvoll sollte es sein. Das blühende I-Tüpfelchen: In den Wappenfarben blau, rot, gelb und weiß sollte die neue Blumenmischung die Parkanlagen und Grünstreifen zieren.

Sie haben Fachliteratur gewälzt, sich andere Städte angeschaut, sich mit anderen Gärtnern ausgetauscht. Sie haben geprüft, wo die Flächen zum Anpflanzen am besten sind, sie haben Tabellen erstellt und wieder verworfen, sie haben frostharte Pflanzen gesucht – nur eines haben sie nicht gemacht: die Mischung einmal zur Probe ausgesät. Keiner von ihnen weiß, wie das, was sie sich in der Theorie überlegt haben, nun in der Praxis funktionieren wird. Sie vertrauen auf ihr Wissen und auf die Natur selbst. Das Testgebiet, wenn man so will, wird sich in den kommenden Monaten über 1600 Quadratmeter Grünstreifen und Blumenbeete in beiden Stadtbezirken erstrecken.
Zwei Abmischungen haben sie entwickelt – eine hohe (das ist die mit 38 Blumenarten, darunter beispielsweise auch Sonnenblumen) und eine niedrige (22 Blumenarten). Angepflanzt wird je nach Lage: die niedrige an der Straße, damit die Sicht nicht behindert wird, die höhere in den Parkanlagen. Rund 7000 Euro hat die Aktion gekostet – Folgekosten wie die Pflege der Pflanzen nicht miteingerechnet.
Angepflanzt wird in den Stadtbezirken ab dieser Woche. 800 Quadratmeter werden jeweils bepflanzt. In Villingen vor allem in den Ringanlagen und auf dem Hubenloch. In Schwenningen auf der Möglingshöhe und an den Stadteinfahrten. In den vergangenen Tagen wurden dafür bereits die Grasnaben abgefräst. Auch die Kreisverkehre werden bepflanzt.
Im Juni sollten dann die ersten VS-Blumen blühen. Weiß und blau sollen die beherrschenden Farben sein. Aber: „Je nach Standort können die Blütenfarben variieren“, sagt Müller.
Gemischt wird bei der Saatgut-Manufaktur Mössingen. Mössingen im Landkreis Tübingen ist, wenn man so will, Vorreiter aller Blumenstädte. Auch dort gibt es eine eigene Blumenmischung und mit den auffallenden Sommerblumen entlang der Straßen und auf öffentlichen Flächen nennt man Mössingen auch „Blumenstadt“.
Auf dem Weg zur Blumenstadt VS können auch die Bürger ein Stück mitgehen. Die können sich an mehreren Stellen in der Stadt (siehe Infokasten) die neue Blumenmischung für den Eigengebrauch kostenlos abholen. 3000 Tüten sind erstmals vorrätig. Ist die Nachfrage hoch, wird nachbestellt.
Für Müller und sein Team von der Abteilung Stadtgrün geht es jetzt darum, zu beobachten: Was wächst wo und wie? Der Boden, die Lichtverhältnisse, all das ist unterschiedliche, je nachdem, wo die Blumenmischung angesät wird. Sie werden auch das alles wieder festhalten und analysieren. Und sie werden sich kümmern: Sie werden düngen, wenn es nötig ist, sie werden im Hochsommer auch mal zusätzlich gießen. „Wir päppeln das Zeug, dass es gut wächst“, sagt Müller. Sie haben ein Stück Natur geschaffen, das bedarf Pflege.
Jeder kann mitmachen
3000 Tüten mit Saatgut haben sie für die Bürger der Doppelstadt abgefüllt. Eine Tüte enthält 25 Gramm Saatgut und reicht für drei Quadratmeter. Die Pflanzenmischungen liegen ab sofort in den Bürgerservicezentren und den Touristinformationen sowie in den Stadtbibliotheken, den Rathäusern und im Amt für Straßenbau, Stadtgrün und Altlasten (Marktplatz 1 in VS-Schwenningen) kostenlos zur Abholung bereit. Bei der Bepflanzung sollte auf einen guten, frischen Boden geachtet werden. Ohne Unkraut und gut durchgeharkt sollte er sein. Zur besseren Ausbringung der Saatmischung kann ein wenig Sand unter die Samen gemischt werden. Wenn tatsächlich alle 3000 Tüten angepflanzt werden von den Bürgern der Doppelstadt, entspricht die bepflanzte Fläche dann rund zwei Fußballfeldern. Sind die Tüten vergriffen, wird nachbestellt werden.