Die Schulplanung in Villingen-Schwenningen für die nächsten zehn Jahre wird zum massiven Aufreger für die Dorfgemeinschaften in mehreren Ortschaften. Denn im neuen „Schulentwicklungsplan“, den die Stadtverwaltung ausgearbeitet hat, wird die Schließung der Dorfschulen in Weilersbach, Tannheim und Rietheim vorgeschlagen. Das Ganze soll kurzfristig, in den nächsten zwei Jahren, umgesetzt werden.

„Vor den Kopf geschlagen“

Noch wurde der Entwurf des Schulentwicklungsplans lediglich nichtöffentlich vorgestellt und in den Gremien noch gar nicht diskutiert. Doch die Informationen, die durchgesickert sind, haben ausgereicht, um bei den Betroffenen eine Abwehrfront aufzubauen. Die Verantwortlichen in den betroffenen Ortschaften, fühlen sich durch den Vorstoß der Stadtverwaltung, in den sie in keiner Weise eingebunden wurden, „buchstäblich vor den Kopf geschlagen“, sagt Ortsvorsteherin Anja Keller aus Tannheim.

Weilersbacher Schüler sollen nach Obereschach

Vorgeschlagen wird in dem nichtöffentlichen Entwurf, so ergaben Recherchen des SÜDKURIER, die Schule in Weilersbach, die eine Außenstelle der Grund- und Werkrealschule Obereschach ist, ganz dicht zu machen und die Schüler, aktuell 38, alsbald in Obereschach zu unterrichten.

Außerdem sollen die Schulbezirke Tannheim, Rietheim und Pfaffenweiler zusammengelegt und die Kinder der drei Ortschaften künftig alle in Pfaffenweiler unterrichtet werden. Natürlich wollen die betroffenen Ortschaften ihre Grundschulen nicht verlieren. Und üben an der Planung des zuständigen Amtes für Jugend, Familie, Bildung und Soziales (Jubis) heftige Kritik.

Neue Mensa und jetzt soll die Schule geschlossen werden?

Krasses Beispiel Rietheim: Vor drei Jahren wurde vom Gemeinderat beschlossen, dort für Schule und Kindergarten eine neue Mensa zu bauen. Die Bauarbeiten sind bereits im Gange und sollen bis Jahresende abgeschlossen werden. Dann sind 600.000 bis 700.000 Euro investiert worden, nur, so fragen sich Rietheimer, um die Schule dann bis 2024 dicht zu machen?

Schildbürgerstreich in Rietheim?

Das hält Ortschaftsratsmitglied Roland Messmer aus wirtschaftlicher Sicht für einen Schildbürgerstreich. Schon in den vergangenen Jahren sei viel Geld in die Instandhaltung der Schule geflossen, betont er. Sie sei in bestem Zustand. Jetzt kommt die große Investition für die neue Mensa dazu. Die Schule in den nächsten Jahren zu schließen, um jährlich rund 20.000 Euro Gebäudeunterhaltung einzusparen, mache wirtschaftlich überhaupt keinen Sinn.

Bernd Bucher, Ortsvorsteher von Rietheim: „Wir sind sehr traurig über diesen Vorschlag.“
Bernd Bucher, Ortsvorsteher von Rietheim: „Wir sind sehr traurig über diesen Vorschlag.“ | Bild: SK-Archiv

„Wir sind sehr traurig über den Vorschlag“, betont auch Rietheims Ortsvorsteher Bernd Bucher. Eine zentrale Schule in Pfaffenweiler, hat er ausgerechnet, werde nicht mit weniger Lehrer auskommen als in der jetzigen Schulstruktur. Er werde im nächsten Schritt den Ortschaftsrat umfassend über die neue Entwicklung informieren, dann werde man gemeinsam den Dialog mit dem Gemeinderat und Oberbürgermeister suchen.

Breite Abwehrfront in Weilersbach

Von entschiedener Ablehnung bei den Eltern berichtet Silke Lorke, die Ortsvorsteherin von Weilersbach. Sie hat auf die Schnelle eine Umfrage bei den Eltern der 38 Grundschüler organisiert. Diese lehnten die Schulschließung unisono ab, berichtet Lorke. Mehrere Eltern hätten auch betont, sie wären nie nach Weilersbach gezogen, wenn es keine Grundschule gegeben hätte.

Die Ortsvorsteherin weist darauf hin, dass mit dem Neubaugebiet Schlegelberg weitere 50 Bauplätze im Ort geplant sind. Doch welche jungen Familien werden sich dann hier ein Haus bauen, wenn es keine Schule im Ort gibt?

Neue Kosten durch Ganztagsbetreuung

Die Stadt argumentiert bei den Schulschließungen auch mit den zusätzlichen Kosten der Ganztagesbetreuung, die auf die Kommunen zukommen. In der Tat soll es in Baden-Württemberg zum Schuljahr 2026/27 einen Rechtsanspruch auf Ganztagesbetreuung geben. Deshalb muss die Stadt die Schulen räumlich und vor allem personell aufrüsten. Eine Ganztagesbetreuung in jeder bestehenden Dorfschule würde dann erhebliche Zusatzkosten verursachen.

Silke Lorke, Ortsvorsteherin von Weilersbach: „Die Dorfschule ist das Herz jeder Ortschaft. Wir hoffen, dass das der Gemeinderat ...
Silke Lorke, Ortsvorsteherin von Weilersbach: „Die Dorfschule ist das Herz jeder Ortschaft. Wir hoffen, dass das der Gemeinderat das auch so sieht und im Jahr des 50. Bestehens von Villingen-Schwenningen anerkennt, dass auch die kleinen Ortschaften in der gemeinsamen Stadt wichtig sind“. | Bild: SK-Archiv

Doch ist das so? Silke Lorke hält dagegen, dass der Betreuungsbedarf in Weilersbach relativ gering sei. Aufgrund der dörflichen Strukturen gebe es bei den Eltern wenig Bedarf für schulische Ganztagsbetreuung. Viele Familien hätten die Großeltern im Ort, viele legten auch Wert darauf, dass ihre Kinder am Nachmittag Freiräume außerhalb der Schule haben sollen. Die wenigen Einzelfälle, die eine Ganztagesbetreuung wünschten, könnten ja künftig durchaus nach Obereschach fahren, so Lorke.

Lorke: Die Dorfschule ist das Herz jeder Ortschaft

Die Einsparung von 20.000 Euro im Jahr rechtfertigt aus Sicht der Ortsvorsteherin nicht eine Schließung. Das Thema wird schon seit 15 Jahren diskutiert, Weilersbach ist die kleine Außenstelle von Obereschach. Bislang, so Lorke, habe man die Schließung stets aus pädagogischen Gründen vereint aufgrund der sinnvollen Maxime: „Kurze Beine, kurze Wege“. Daran dürfe sich nichts ändern.

Die Dorfschule sei das Herz jeder Ortschaft, so Lorke. „Wir hoffen, dass das der Gemeinderat das auch so sieht und im Jahr des 50. Bestehens von Villingen-Schwenningen anerkennt, dass auch die kleinen Ortschaften in der gemeinsamen Stadt wichtig sind“.

„Lächerliche Einsparungen“

Ortsvorsteher Anja Keller hält es für die Tannheimer Grundschüler ebenfalls „für unzumutbar“, täglich mit dem Bus nach Pfaffenweiler verfrachtet zu werden.

Die von der Stadt hochgerechneten Einsparungen, sagt sie, „sind lächerlich gering gegenüber den sozialen Nachteilen“. Und sie zählt auf: Ohne Dorfschule verlieren die Kinder ihr „Heimatgefühl“, die Vereine „bluten aus“, weil sie ihren Nachwuchs durch Kooperationen mit der Schule rekrutieren. „Das ist ein Fußtritt gegen das Ehrenamt.“ Die Schließung wäre auch ein Schlag für den Förderverein der Schule. Dieser habe 20 Jahre die Kernbetreuung der Kinder und nachmittägliche Arbeitsgemeinschaften übernommen, ohne Hilfe der Stadt, ehrenamtlich.

Anja Keller, Ortsvorsteherin von Tannheim: „Es heißt doch immer, wir sind eine gemeinsame Stadt. Dann sollten wir auch Rücksicht ...
Anja Keller, Ortsvorsteherin von Tannheim: „Es heißt doch immer, wir sind eine gemeinsame Stadt. Dann sollten wir auch Rücksicht aufeinander nehmen.“ | Bild: SK-Archiv

Für die Zukunft der Dorfschule mit derzeit 46 Kindern sieht sie gute Rahmenbedingungen. Derzeit sind 60 Buben und Mädchen im Kindergarten, ein neues Baugebiet ist ausgewiesen, das in den nächsten Jahren junge Familien nach Tannheim bringen wird.

„Jetzt fängt man wieder an, bei den Ortschaften zu sparen und uns auszubluten“, ärgert sich die Ortsvorsteherin. „Es heißt doch immer, wir sind eine gemeinsame Stadt. Dann sollten wir auch Rücksicht aufeinander nehmen“, findet Anja Keller.