Früher wurden dort Autos repariert. Doch seit 1984 brummt in der einstigen Werkstattgarage in der Rietgasse 34 nur noch die Fasnet. Dies allerdings auf Hochtouren. Die Fastnachts-Beiz der Villinger Rietvögel, bekannt als „Rietbunker“, kennt in Villingen fast jedes Kind. Sie steht für Spaß, Fischwecken und bodenständige Fasnet.

Emsige Nachforschungen der Rietvögel brachten es jetzt zutage: Nicht 1983, erst 1984 wurde die alte Garage der Autowerkstatt Ummenhofer erstmalig zur närrischen Besenwirtschaft geschmückt. Treibende Kräfte waren damals eine Handvoll junge Rietvögel, zu der Klaus Paulus, Gerhard „Mäx“ Schneider, Hans Csano, Mathhias Steiner und Frank Ummenhofer gehörten.
Am Anfang war eine Garagenwerkstatt
Bis Ende der 70er Jahre wurde die Garage als Werkstatt genutzt. 1979 aber zog das Autohaus in neue Räume im Industriegebiet Vockenhausen. Frank Ummenhofer gelang es dann, seine Eltern zu überzeugen, dass er mit den Rietvögeln die alte Garage als Fasnetstüble nutzen darf. Das war der Beginn einer langen närrischen Tradition. Längst ist der „Rietbunker“ die älteste Fastnachts-Beiz in Villingen.

Den Namen hat der Rietbunker übrigens von seinem Vorgänger geerbt. Lange Jahre feierten die Rietvögel ihre Fastnacht in der Schreiner-Werkstatt von „Stumpe-Schriener“ Hermann Hupfer, damals der Chef der Rietvögel. Der Zugang zu dessen Schreinerei führte durch einen schmalen und niedrigen Gang, der dem „Rietbunker“ zu seinem Namen verhalf.
Um Mitternacht ist Schluss im Bunker
Die Geschichte der Fasnet im neuen „Rietbunker“ nach 1984 war, glaubt man den Erzählungen der alten Rietvögel, vor allem ungetrübte Fastnachtsfreude. Ein Grund dafür: Der Rietbunker schließt auch an den hohen Tagen stets konsequent um Mitternacht.
Diese „Eigenheit“, so berichtet Frank Ummenhofer, hat dazu geführt, „dass wir nie Ärger hatten mit Betrunkenen und keine Schlägereien“. Die Schließung zur Mitternacht war eine eiserne Regel, die Franks Mutter Elisabeth Ummenhofer den jungen Rietvögeln 1984 zur Auflage gemacht hatte.

Sie hat sich im Rückblick sehr bewährt. Heinz Zimmermann, der aktuelle Rietvogel-Chef, erfreut sich daran jedes Jahr. „Wenn wir um Mitternacht fertig sind, putzen wir den Rietbunker, und dann sitzen wir oft noch zusammen bis in den Morgen. So können auch wir die Fasnet gemeinsam genießen“, schwärmt der Rietbürgermeister.
Hier wurden viele Ehen angebahnt
In den 40 Jahren wurden die Fastnachten im Rietbunker zum Quell zahlreicher närrischer Auftritte, Begegnungen und Anekdoten. „Hier haben sich viele Freundschaften und Ehen angebahnt, das war fast schon ein Ehe-Institut“, schmunzelt Frank Ummenhofer, der selbst viele Jahre als Rietvogel-Chef den Verein und den Bunker geleitet hat.
Er und seine Mitstreiter durften erleben, wie sich ihr Domizil zu einer der begehrtesten Fastnachts-Kneipen aufschwang. Am Anfang nur ein Vereinstreff der Rietvögel, stießen im Laufe der Jahre immer mehr externe Besucher dazu.
Mit diesem Zulauf wurde auch das kreative Potenzial der Rietvögel beflügelt. Manche närrischen Auftritte sind inzwischen Legende. Kein Wunder, dass sich vor der Ummenhofer‘schen Garage an den Fasnet-Samstagen lange Schlangen von Menschen bilden, die unbedingt einen Platz ergattern wollten. Doch für ein Massenpublikum ist dieser Bunker nicht gebaut. Inzwischen wird der Eintritt längst über Türsteher geregelt.

Kubon und der Türsteher
Mit einem solchen bekam es vor Jahren auch der damalige Oberbürgermeister Rupert Kubon zu tun. Als das Stadtoberhaupt eines Abends Einlass in den Bunker begehrte, stieß er an der Tür aber auf Rietvogel Matthias (“Beppo“) Steiner, der ihn aufhielt. „Ich bin der Bürgermeister“, soll Kubon sich vorgestellt haben. Der Beppo, so schwören seine Kumpels, habe spontan zurückgefragt: „Von welcher Zunft?“
Die legendären Fischbrötchen
Zu den Erfolgskriterien der Rietbunker-Fasnet gehören auch die stets frischen Fischbrötchen, die einen breiten Liebhaberkreis gefunden haben, sowie die höchst zivilen Preise für Speis und Trank. „Wir wollen, dass sich jeder die Fasnet leisten kann“, verdeutlicht Heinz Zimmermann.

Vom Bunker und seinem Aufschwung profitierte der gesamte Verein. Hatten die Rietvögel Ende der 70er-Jahre aufgrund eines Generationswechsels kaum noch aktive Mitglieder, brachten die „Jungen“ in den 80er-Jahren neues Leben in die Zunft. Inzwischen hat der Verein eine steile Entwicklung genommen und über 800 Mitglieder.
Kein Wunder, dass die Rietvögel aufs Äußerste alarmiert waren, als das Haus in der Rietgasse 34 vor fünf Jahren verkauft werden sollte. „Wir haben sogar überlegt, dass einige von uns das Haus gemeinsam kaufen, um den Bunker zu retten“, berichtet Heinz Zimmermann.

Die Zukunft scheint gesichert
Doch der Verein hatte riesiges Glück. Gekauft wurde das Haus ausgerechnet von einem Paar, das sich vor Jahren im Rietbunker kennen und lieben gelernt hatte. Da hatte wohl der Fasnetgoascht die Hand im Spiel.
Die neuen Eigentümer sind begeisterte Fastnachter und inzwischen engagierte Mitglieder bei den Rietvögeln. Die Zukunft des Bunkers scheint somit langfristig gesichert. Und so hofft der Verein, dass es in diesen Räumen noch viele schöne Fastnachtsabende geben wird.