Herr Yahyaijan, zunächst eine Frage an Sie als Sportdirektor: Wenn Sie eine Prioritäten-Liste über den vierten Platz in der Oberliga, den Klassenerhalt der U21 oder die Aufstiege der U19 und der U17 aufstellen müssten. Wie würde die ausfallen?
Schwierige Frage, doch würde ich den Verbleib unserer U21 in der Verbandsliga gleichsetzen mit dem Aufstieg der A-Junioren. Weil beides ganz wichtig für die Zukunft des FC 08 ist und uns noch mehr Möglichkeiten gibt. Deshalb stehen sie für mich gemeinsam auf Platz eins. Dahinter die Meisterschaft unserer B-Junioren und dann unser vierter Platz.
Wirklich? Das Team, in dem Sie Cheftrainer sind, nur an letzter Stelle?
Ja klar. Denn wenn wir ehrlich sind, spielt es letztlich doch keine Rolle, ob wir Vierter, Fünfter oder Sechster werden. Außer einem guten Gefühl können wir vom vierten Platz nichts kaufen.
Dennoch ist Rang vier ein großer Erfolg. Oder sehen Sie dies anders?
Natürlich nicht. Vor allem, wenn man bedenkt, dass wir die letzten Wochen der Saison nur noch mit einem sehr kleinen Kader gespielt haben. Gemessen am Tabellenplatz haben wir dieses Jahr sicherlich „überperformed“.
Wie ist dies zu verstehen?
Wir haben wahrscheinlich mehr als nur das Maximale aus unseren Möglichkeiten rausgeholt. Wir haben in dieser Saison einige Spiele gewonnen, obwohl wir qualitativ nicht die bessere Mannschaft waren. Ausschlaggebend dafür war oftmals die herausragende taktische Disziplin meiner Spieler.
Gab es noch weitere Gründe für die erfolgreiche Saison?
Ja, ein ganz entscheidender Punkt war unser Team-Spirit. Womit aber nicht nur die Spieler gemeint sind. Bei uns greifen inzwischen so viele Rädchen ineinander und haben ihren Anteil am Gesamterfolg. Somit hat auch das „Team hinter dem Team“ dazu beigetragen, dass wir ein funktionierendes Mannschaftsgefüge auf dem Platz hatten.
Ein Gefüge, das nun auseinandergerissen wird. Immerhin verlassen mindestens sechs Spieler den FC 08.
Dass es Spielerwechsel gibt, ist ganz normal. Die hatten wir in der Winterpause auch und trotzdem waren wir in der Rückrunde stabil, wenn nicht sogar noch stabiler.
Wobei die Rückkehrer Tevfik Ceylan und Daniel Wehrle nicht wirklich als Neuzugänge zu bezeichnen waren.
Das stimmt schon, da war die Integration leicht. Sie kannten die anderen Spieler, kannten den Verein. Doch bei einigen für die neue Saison ist dies nicht anders. So ist beispielsweise unser neuer Torhüter Dennis Klose mit einigen Spielern aus der Mannschaft seit Jahren befreundet. Auch die anderen Spieler kennen wir gut und lange, da sehe ich keinerlei Probleme auf uns zukommen.
Welchen Abgang werden Sie am meisten vermissen?
Alle, weil sie ausnahmslos feine Kerle sind und uns, jeder auf seine Art, weitergeholfen haben. Sie waren stets loyal und ich als Trainer hatte ein besonderes Verhältnis zu jedem einzelnen von ihnen.
Warum gehen sie dann?
Dafür gibt es viele unterschiedliche Gründe. Thomas Kunz zum Beispiel hat die Firma seines Vaters übernommen, hat dadurch kaum mehr Zeit für den Fußball. Außerdem stand für uns fest, dass wir uns verbessern wollen und haben dementsprechend positionsabhängig nach Verstärkungen gesucht. Die haben wir gefunden, können aber den Kader nicht aufblähen.
Jetzt kommen mit Nico Rodewald und Matthias Stüber aus Ilshofen sowie Maxime Foulon und Ryan Hertrich aus Linx vier Spieler von zwei Absteigern. Riskant?
Überhaupt nicht. Selbst wenn diese Mannschaften abgestiegen sind, so waren die Spieler klare Leistungsträger bei ihren Vereinen. Nico Rodewald hat bereits Erfahrung in der 3. Liga und der Regionalliga, Matthias Stüber hat die komplette Jugendabteilung bei der TSG Hoffenheim durchspielt. Und auch Maxime und Ryan waren jahrelang in der Jugendakademie von Racing Straßburg.
Nochmals zur abgelaufenen Runde: Nachdem nun das „offizielle Endergebnis“ feststeht: Was bleibt bei Ihnen hängen?
Was die gesamte Liga betrifft, finde ich extrem bitter für die Stuttgarter Kickers, dass sie mit 91 Punkten nicht direkt aufgestiegen sind. Ich drücke ihnen aber auf jeden Fall in den Relegationsspielen die Daumen. Auch der Abstiegskampf war bis zum Schluss extrem spannend.
War der Abstand zu den beiden Spitzenteams nicht ein wenig groß?
Ich habe stets betont, dass man gegen Mannschaften mit einer professionellen Struktur, wie eben in Freiberg und Stuttgart, auf eine gesamte Saison eigentliche keine Chance hat. Dies hat sich bewahrheitet. Du kannst vielleicht mal in einem Spiel gut dagegen halten, wie wir beim Unentschieden bei den Kickers, aber auf lange Sicht werden sie sich aufgrund ihrer Struktur normalerweise durchsetzen.
Zurück zur Frage mit Ihren Erinnerungen an diese Spielzeit.
Positiv ist auf jeden Fall, dass nach zwei Corona-Abbrüchen in Folge die Runde zu Ende gespielt werden konnte. Aber auch bei uns gab es einige herausragende Ereignisse. Zum Beispiel die Einbindung unseres eigenen Nachwuchses in den Aktiven-Bereich. Und damit wären wir wieder am Beginn des Gesprächs. Was wir sportlich erreicht haben, ist unglaublich. Ich kann mich nicht erinnern, dass es so etwas in Villingen schon mal gab. Durch den Klassenerhalt mit der U21 in der Verbandsliga und den Aufstiegen in der Jugend haben wir uns optimale Bedingungen geschaffen, um weiterhin sportlich erfolgreich zu arbeiten.