Die Barthaare sind stellenweise grau geworden, doch insgesamt hat der Zahn der Zeit bislang ziemlich erfolglos an Georg Winkler genagt. Die Regeneration dauert mit 58 Jahren zwar länger als früher, vielleicht hat auch die Dynamik etwas gelitten, aber das macht der Vorsitzende des TTC Mühlhausen locker mit der Routine von einigen Millionen Ballwechseln wett. Er selbst glaubt zwar nicht mehr so verbissen zu sein wie früher, selbst eine Woche ohne Tischtennis sei inzwischen mal möglich, allerdings nur, wenn es wirklich sein muss.
In den vergangenen Monaten musste es sein. Es soll Menschen geben, die nach einer Lungenentzündung erst mal ein halbes Jahr auf jede Art von Sport verzichten. Und wer sich aus ungeklärten Gründen mit einer Thrombose plagt, also einer Blutgefäß-Verstopfung, hat meist auch andere Dinge im Kopf als Trainingseinheiten oder Spiele mit den Teamkollegen. Georg Winkler tat vor wenigen Tagen wieder das, was er am liebsten in seiner Freizeit macht. Tischtennis spielen. Und zwar verdammt gut. Weil Jochen Burt Fieber hatte und seinen Einsatz in der Oberliga absagen musste, rückte Winkler in den Kader für den Doppelspieltag nach. Gegen den TTC Odenheim hatte er mit zwei Einzelsiegen maßgeblichen Anteil am 5:5-Endstand. Und am Tag darauf folgte gegen die SpVgg Gröningen-Satteldorf ein weiterer Erfolg. „Damit habe ich selbst nicht gerechnet“, sagte Winkler später. Nicht vor diesem Wochenende, nicht nach den vergangenen Monaten.

Ende 2024 war plötzlich die Luft raus. „Ich habe nach drei Treppenstufen gehechelt wie ein Hase“, erinnert sich der 58-Jährige. „Dabei habe ich eigentlich eine sehr gute Kondition.“ Dazu kamen Schmerzen im linken Knöchel, die immer schlimmer wurden. Die Atemnot wurde nach mehreren Untersuchungen als Lungenentzündung erkannt, die Probleme im Knöchel durch eine Thrombose verursacht. Wahrscheinlich erblich bedingt, vielleicht hat auch der Flug nach Bali in den Sommerferien geschadet, als er zusammen mit seiner Frau Renate erst 13 Stunden im Airbus saß, nach etwa drei Stunden Pause noch einmal fünf weitere. Winkler bekommt Blutverdünner, Antibiotika, muss Stützstrümpfe tragen, muss zusehen, wie die Kollegen an der Platte stehen und er selbst sich schonen muss.
Die Winklers, eine Tischtennis-Familie
Sein Sohn Niklas, 27, mit dem er normalerweise in der Verbandsliga-Reserve zusammen spielt, hat ihn damals in der Oberliga vertreten. „Mit Erfolg“, berichtet der stolze Papa, „wenngleich er mit mehr Trainingsfleiß noch besser sein könnte“. Da ist er wieder, der Ehrgeiz des Vaters, immer gut gemeint, seine große Stärke, aber eben nicht jedermanns Routine.
Tischtennis ist Familiensache im Hause Winkler. Georg dominierte jahrelang die Bezirksmeisterschaften am Bodensee, Sohn Niklas hat gehörig Talent vererbt bekommen, Tochter Svenja, 25, ebenso. Sie spielt mit Mama Renate zusammen in der ersten Damenmannschaft des TTC Mühlhausen in der Landesklasse. „Ich liebe unseren Familienzusammenhalt“, sagt Winkler. „Wir unterstützen uns gegenseitig, verbringen viel Zeit miteinander.“
Die Gesundheit des Papas war zuletzt natürlich das große Thema. Am Valentinstag führt Georg seine Frau aus, beim Essen kamen aber wieder Schmerzen und Kurzatmigkeit. „Vielleicht hat beides nichts miteinander zu tun, vielleicht bedingt die Thrombose aber auch die Lungenentzündung oder umgekehrt oder beides hat zumindest miteinander zu tun“, vermutet Winkler. Ein Gefäßarzt soll in den nächsten Tagen für Klarheit sorgen, im schlimmsten Fall droht eine OP.
„Vielleicht geht es ja auch ohne“, hofft Winkler, der als Logistik-Leiter bei Fondium in Singen arbeitet und möglichst schnell wieder fit werden möchte, denn für den TTC Mühlhausen stehen die entscheidenden Wochen an. Sechs Spiele müssen in der Oberliga Baden-Württemberg noch ausgetragen werden. Die Hegauer sind aktuell Tabellenzweiter, könnten diese Position am 8. März mit einem Sieg gegen den Drittplatzierten TTV Ettlingen ausbauen und sich auf dem Relegationsplatz festsetzen. „Alles ist möglich“, weiß Winkler, denn dem Stamm-Quartett mit Adam Robertson, Noe Keusch, Kai Moosmann und Jochen Burt ist vieles zuzutrauen.
TTC Mühlhausen will in die Regionalliga
Ist der Aufstieg vielleicht sogar schwerer als der Klassenerhalt? „So könnte man vermuten“, schätzt Ersatzmann Winkler die Lage ein, denn in der Relegation ginge es nicht nur gegen einen anderen Oberligisten, sondern auch noch gegen ein Regionalliga-Team, das obendrein voraussichtlich noch Heimrecht in den Entscheidungsspielen hätte. Noch ist das Zukunftsmusik, noch muss die Pflicht vor der Kür gelingen – nichts anderes wäre ein Aufstieg, denn in der Regionalliga, der vierthöchsten Spielklasse in Deutschland, war der Bezirk noch nie zuvor vertreten.
Vor allem aber muss Georg Winkler erst mal wieder vollständig gesund werden. Immerhin kann er bereits wieder mit dem Rad zur Arbeit fahren. Und der nächste Urlaub an Ostern ist auch schon geplant. Nach New York soll es gehen – mit der ganzen Familie. Mit Stützstrumpf am Fuß, hoffentlich dem Aufstieg in die Regionalliga als Erinnerung und der Vorfreude auf noch viele gemeinsame Tischtennis-Spiele mit dem TTC Mühlhausen im Gepäck.