Radsport: – Eine „Achterbahnfahrt der Gefühle“ ist dieser Giro für ihn gewesen. Der Albbrucker Nico Denz, Radprofi in Diensten des französischen Teams AG2R La Mondiale, erlebte bei der dreiwöchigen Rundfahrt durch Italien, die vor eineinhalb Wochen in Verona endete, Höhen und Tiefen. Krankheit, Sturz und fast die Aufgabe, dann „Wiederauferstehung“, aber hauchdünn am Etappensieg vorbei. Da war alles dabei für ihn. Langeweile kam nie auf.

Nach eineinhalb Wochen zu Hause in Albbruck, wo er mit seiner Freundin wohnt, und nach dem Start bei seinem Heimrennen, dem Großen Preis des Kantons Aargau in Gippingen, wo er auf Rang 16 landete, müssen im Hause Denz wieder die Koffer gepackt werden. Am heutigen Mittwoch geht es mit dem Flieger nach Minsk in Weißrussland, wo am Freitag die Europaspiele in verschiedenen Sportarten beginnen. Für den 25-jährigen Profi vom Hochrhein steht am Sonntag das Straßenrennen an. Als Zugabe gibt‘s dann am kommenden Dienstag noch das Zeitfahren. Und das alles im Trikot der Nationalmannschaft.

Heimspiel: Nico Denz auf der Bühne beim Profi-Rennen in Gippingen.
Heimspiel: Nico Denz auf der Bühne beim Profi-Rennen in Gippingen. | Bild: Welte, Gerd

Für Denz war der Giro ganz klar der Höhepunkt in seiner Saisonplanung. „Ich wollte eine Etappe gewinnen. Das war mein großes Ziel“, blickt er zurück. Ein Etappensieg bei dieser dreiwöchigen Rundfahrt mache einen Radprofi unsterblich. „Dann hast du einen Namen und ausgesorgt. Dann hast du einen Status“, ärgert er sich noch heute über den Verlauf der Tour.

Schon im vergangenen Jahr war er bei der Rad-EM in Glasgow als Neunter nah dran am Triumph, und beim Giro musste er sich um Sprint um einen Etappensieg knapp geschlagen geben und wurde Zweiter. „Der zweite Platz ist eigentlich nichts“, sagt der Albbrucker, der zum Glück noch immer vor Ehrgeiz sprüht. Nach den Frühjahrsklassikern in dieser Saison hatte er die Tour de Romandie als Vorbereitung auf den Giro bestritten. War es das miese Wetter in der französischen Schweiz oder ein kaltes Lüftchen bei der Präsentation kurz vor dem Giro-Start – Denz hatte sich eine Bonchitis eingefangen. Und diese machte ihm in den ersten Tagen der Italien-Rundfahrt gewaltig zu schaffen. Außerdem stürzte er in der zweiten Etappe, verstauchte sich den Finger und lädierte sich sein Knie. Die Verletzungen spürt er noch heute. „Ich war nah an der Aufgabe“, erinnert er sich.

Das könnte Sie auch interessieren

Mühevoll quälte er sich bis zum ersten Ruhetag durch. Denz: „Ich habe mich durchgebissen.“ Danach wurde es etwas besser. Nach dem zweiten Ruhetag – in der letzten Woche des Giro – war er wieder ganz der alte Kämpfer und Angreifer. Denz: „Ich wusste, dass ich noch eine Chance auf einen Etappensieg hatte. Das war auf der 18. Etappe.“ Den Tagesabschnitt nach Santa Maria di Sala am 30. Mai hatte er sich ausgesucht. Er war in einer dreiköpfigen Ausreißergruppe und hätte im Sprint durchaus Chancen gehabt. „100 Meter vor dem Ziel wurden wir eingeholt. Einer meiner Fluchtgefährten, der zuvor weniger Führungsarbeit geleistet hat als ich, hat sich noch zum Tagessieg gerettet. Das ist extrem bitter“, hat Denz noch heute seine Zieleinfahrt als Elfter vor Augen. „Danach war es besser, mich nicht gleich anzusprechen“, lässt er seinem Ärger noch immer freien Lauf. Bis zum großen Finale in Verona fuhr er den Giro anständig zu Ende – ohne Blick auf das Gesamtergebnis. Das ist für einen Teamhelfer wie Denz sowieso kein Thema.

Was bleibt, ist Hoffnung und – noch wichtiger – Ehrgeiz. „Vielleicht habe ich mal das nötige Quäntchen Glück hinten raus“, beschreibt Denz sein Warten auf den ersten großen Coup. Vielleicht könnte ihm dieser schon beim Straßenrennen der Europaspiele gelingen, das am Sonntag in Minsk stattfinden wird. Die Europaspiele gibt‘s in Weißrussland zum zweiten Mal. Einen Hauch von Olympia wird Denz dort verspüren – die Premiere dieser europäischen Sommerspiele vor vier Jahren in Aserbeidschan kam bei den Athleten ganz gut an.

Nach diesem Abstecher ins östliche Europa fährt Denz am Sonntag, 30. Juni, bei der Deutschen Meisterschaft auf dem Sachsenring. Weil er die Tour de France im Juli (noch) auslässt, hat er dann ein anderes interessantes Rennen in Japan in seinem Terminkalender: das olympische Testrennen ein Jahr vor den Spielen in Tokio. Denz: „Das soll ein schwerer Kurs sein. Ich freue mich drauf, weil ich noch nie in Japan war.“

Danach ist einfach noch vieles offen. Die Deutschland-Tour im August will er aber auf alle Fälle fahren. Privat hat er in diesem Jahr noch einen weiteren – sehr angenehmen – Pflichttermin. Im Oktober will der 25-Jährige seine Freundin heiraten. In Albbruck und in Görwihl werden die standesamtliche und die kirchliche Trauung sein. Was ist dagegen schon ein verpasster Etappensieg beim Giro?