Da sitzt er nun in seinem Rollstuhl und weiß nicht mehr, was er sagen soll: „Ich bin total geflasht – es ist nicht zu glauben, was ich hier erlebe“, ringt Kevin Simanowski nach Worten. Sein Besuch des Abschlusstrainings von RB Leipzig endet mit einem Gänsehaut-Moment für den 29-jährigen Torwart des TuS Blumberg, der nach einem schweren Arbeitsunfall im Oktober 2021 an den Rollstuhl gefesselt ist.
Eben kam Athletiktrainer Ruwen Faller aus der Kabine, bepackt mit Geschenken für Kevin Simanowski. Handschuhe von Torwart Janis Blaswich, Schuhe von Stürmer Timo Werner – und ein ganz besonderes Torwarttrikot. Es ist beflockt mit seinem Namen und vom kompletten Kader des Bundesligisten signiert. Kevin Simanowski starrt auf die Devotionalien und ist einfach nur noch sprachlos.

Ruwen Faller hat dem jungen Fußballer, dem das Schicksal so brutal mitgespielt hat, eine Riesenfreude gemacht und dem Bundesligisten aus Sachsen wahrscheinlich einen neuen Anhänger beschert. Die tief eingebrannte HSV-Raute werden die roten Stiere kaum aus Kevins Herz verdrängen können, doch die Sympathiewerte von RB Leipzig sind bei allen Beteiligten ganz ordentlich gestiegen: „Natürlich drücke ich jetzt RB gegen Eintracht Frankfurt fest die Daumen“, freut sich Kevin Simanowski auf das Bundesliga-Spitzenspiel in der Arena.
Zusammen mit seinen Brüder Dennis und Steven machte sich Kevin Simanowski, der seit einigen Monaten mit seiner Familie in Stühlingen wohnt, auf die Reise nach Sachsen. Ruwen Faller aus Bad Säckingen, seit Dezember 2018 bei RB Leipzig als Athletiktrainer angestellt, hatte im SÜDKURIER-Regiosport von Simanowskis Unfall erfahren und ihn spontan zu einem Besuch rund ums Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt eingeladen.

Der Empfang im Trainingszentrum des Clubs am Cottaweg fällt herzlich aus. Teammanagerin Franziska Pietschmann empfängt die Simanowski-Brüder, führt die staunenden Jungs durch die „heiligen Hallen“.

Das von Ruwen Faller eingerichtete Fitnesscenter begeistert ebenso, wie die Freizeit-Ecken für die Profis, die alle ein eigenes Zimmer im großen Komplex haben: „Für die Privatsphäre zwischen zwei Trainingseinheiten“, erklärt Franziska Pietschmann, gemeinsam mit Babacar N‘Diaye fürs Team zuständig.
Grüße an Onkel Michael
Der Senegalese N‘Diaye kickte übrigens als junger Fußballer in der Saison 1995/96 beim damaligen Landesligisten FC Wehr – unter Trainer Michael Gessner aus Steinen. Dessen Neffe wiederum ist RB-Trainer Marco Rose: „Grüßt Onkel Michael schön von mir. Er soll sich wieder mal sehen lassen“, gibt Rose dem Besuch vom Hochrhein mit auf den Weg.

Pünktlich zum Trainingsbeginn tröpfelt es langsam aber stetig von oben. Doch RB Leipzig lässt Kevin Simanowski und seine Brüder nicht im Regen stehen. Gut beschirmt und eingewickelt in eine knallrote Decke, wartet der 29-Jährige auf die Profis, die zwei Tage nach dem 1:1 gegen Manchester City gut gelaunt um die Ecke kommen. Und wie sie kommen: Mit „Hallo Kevin, alles klar“ versetzt André Silva den Stühlinger gleich mal ins Staunen: „Der kennt meinen Namen?“

In der Tat hatte Ruwen Faller die Profis im Kabinentrakt auf den exklusiven Trainingskiebitz vorbereitet: „Eigentlich ist das Abschlusstraining nicht öffentlich. Da wollen die Jungs schon wissen, wer da draußen sitzt.“
Doch es ist nicht nur André Silva, der Bescheid weiß.
Der schwedische Stürmer Emil Forsberg begrüßt Kevin ebenso herzlich, wie Willi Orban und letztlich alle anderen Profis aus dem Kader von Marco Rose.
Der stellt sich trotz des nunmehr strömenden Regens und nasskaltem Nordost-Wind zum Foto mit Kevin Simanowski: „Ihr habt ja echt ne lange Anreise gehabt.“
Nach kann einer Stunde räumen jene Profis das Feld, die in der Champions League eingesetzt wurden. Allerdings nicht ohne Gruppenfoto mit Kevin. Kaum ist der Auslöser betätigt, interveniert André Silva: „Moment – Christopher fehlt noch!“ Und schon drückt sich auch Youngster Nkunku aufs Bild, zollt damit Kevin ebenfalls seinen Respekt.

Als wären die Fotos, Videos, Selfies und die kurzen Smalltalks mit den Profis nicht schon die Krönung des Trainingsbesuches, legt Ruwen Faller wenig später nach.
Mit vollbepackten Händen kommt er aus der Kabine: „Ich soll dich von den Jungs herzlich grüßen und sie wünschen dir nur das Beste für die Zukunft.“
Kevin Simanowski ist tatsächlich sprachlos, als ihm Faller die signierten Handschuhe von Janis Blaswich in die Hände drückt. Ungläubig starrt der Stühlinger auf die Treter von Timo Werner, die der Stürmer signiert hat.

Dann aber werden die Augen des 29-Jährigen richtig feucht. Ruwen Faller entfaltet ein blaues RB-Torwartdress, beflockt mit Kevins Namen und unterschrieben vom gesamten Kader – Wahnsinn.
„Es ist schön, seine Freude zu erleben“, bringt es Faller auf den Punkt. Der 42-jährige Modellathlet, der 2004 in Athen und 2008 in Peking in der Olympischen 400-Meter-Staffel für Deutschland gestartet ist, hat das Herz Kevin Simanowskis, der einst im Tor des FC Weizen, des FC Erzingen und des SV Gündelwangen stand, ehe er zum TuS Blumberg wechselte, im Sprinttempo erobert.
Für Ruwen Faller, dessen kleine Familie in Bad Säckingen lebt und der vor zwölf Jahren auf Vermittlung von Ralf Rangnick als Athletiktrainer beim FC Schalke 04 einstieg und im Dezember 2018 nach Leipzig gewechselt ist, ist es schlichtweg eine Herzenssache gewesen, dem Besuch vom Hochrhein die Tage in Leipzig zu einem unvergesslichen Erlebnis zu machen.