Fußball: – Die Sorge ist – noch – unbegründet: „Bis jetzt ist mir kein konkreter Fall bekannt, dass ein aktiver Schiedsrichter wegen der Corona-Zwangspause aufgehört hat“, sagt Ralf Brombacher, Chef aller Schiedsrichter in Südbaden. Für den 48-Jährigen aus Kandern, der 2019 zum Nachfolger von Manfred Schätzle (Furtwangen) gewählt wurde, ist das allerdings kein Grund, es sich gemütlich zu machen: „Wir kämpfen während des Lockdowns mit den gleichen Problemen wie die Vereine.“
Wie für zig Tausend Fußballerinnen und Fußballer aller Spiel- und Altersklassen, ruht der Ball eben auch für nahezu alle Unparteiischen in Südbaden. Lediglich die Spitzen-Schiedsrichter sind im Einsatz, weil sowohl in der Regionalliga Südwest als auch in den Profi-Ligen gespielt wird.

Diese Tatsache ist für Brombacher ein Grund, trotz des nun beschlossenen Abbruchs der Saison, im Gegensatz zu den annullierten Spielen der Mannschaften, möglichst nicht auf Auf- und Abstieg zu verzichten: „Nahezu alle Liga-Schiedsrichter haben die Hälfte der vorgesehenen Beobachtungen hinter sich. Wir hätten also durchaus Kriterien für Entscheidungen“, will Brombacher dem Schiedsrichter-Ausschuss jedoch nicht vorgreifen: „Ob es tatsächlich Auf- und Abstieg gibt, entscheiden wir dort demokratisch und fair. Wichtig ist uns, dass es keine Corona-Opfer geben darf. Im Zweifel entscheiden wir für den Unparteiischen.“
Regellehrabende finden online statt
Während also im Spitzensport nicht auf den Fußball gepfiffen wird, muss sich der Großteil der 1243 südbadischen Unparteiischen gedulden. Für sie läuft der Betrieb dennoch weiter: „Die monatlichen Regellehrabende in den Gruppen finden trotz Lockdown regelmäßig statt“, freut sich Brombacher über das Engagement seiner Lehrwarte und Obleute: „Das läuft natürlich jetzt alles online – mit Einschränkungen.“ Per Video-Chat werden Regelfragen besprochen und wichtige Infos weitergegeben. Was fehle, sei der zwischenmenschliche Kontakt: „Auch Schiedsrichter sitzen gerne mal gemütlich bei einem Bierchen zusammen“, weiß Ralf Brombacher, dass auch bei der „schwarzen Zunft“ die Kameradschaft auf einem harten Prüfstand steht.
Dieses Problem können die Funktionäre um Brombacher zwar kaum lösen, dafür setzen sie an anderen Stellen an: „Wir haben seit meiner Amtsübernahme und unabhängig von Corona viele Abläufe neu strukturiert“, blickt er auf arbeitsreiche Monate zurück: „Wenn man im Zusammenhang mit der Pandemie von etwas Positiven reden kann, dann ist es die Tatsache, dass wir für diese Änderungen mehr Freiräume hatten – weil eben kein Fußballbetrieb läuft.“
Video-Coaching für Liga-Schiedsrichter
Ein wichtiger Schritt wurde bei der Betreuung und Weiterbildung der jungen, aufstrebenden Schiedsrichter gemacht: „Aus Video-Material, geliefert von den Dienstleistern der überregionalen Ligen, stellen wir die wichtigsten Szenen zusammen, die mit den Liga-Schiedsrichter besprochen werden.“ Beim Coaching der Unparteiischen mit Karriere-Perspektive gehe es weniger um Fehlersuche, als um Analyse: „Die Jungs sind froh darum, sich anhand dieser Bilder weiter verbessern zu können. Das gilt vor allem fürs Stellungsspiel, aber auch um die Körpersprache auf dem Platz.“
Im nächsten Schritt plant Ralf Brombacher, diese Coaching-Videos in Eigenregie zu erstellen. Eine große Hilfe ist sein älterer Sohn David, selbst Unparteiischer, mit seiner Firma „DVision“: „Dank seiner Erfahrung als Schiedsrichter liefert er uns noch aussagekräftigere Bilder. Leider konnten wir diesen Schritt wegen des eingestellten Spielbetriebs noch nicht vollziehen“, so Brombacher.

Die Digitalisierung eröffnet dem so Schiedsrichter-Wesen neue und vor allem schnellere Wege der Kommunikation. Nicht nur die Coaching-Videos werden in der neu erstellten „Schiedsrichter-Cloud“ abgelegt: „Die Schiedsrichter haben dort auf alle für sie wichtigen Informationen schnellen Zugriff. So gewährleisten wir, dass im gesamten Verbandsgebiet nicht nur der gleiche Wissenstand herrscht. Wir vereinheitlichen damit auch Abläufe, für die es früher in jedem Bezirk andere Auslegungen gab.“
Paten-System für neue Schiedsrichter
Zur Professionalisierung bei der Förderung der Unparteiischen zählt auch das neu eingeführte Paten-System. Überregional aktive Schiedsrichter stehen dem Nachwuchs zur Seite: „Ich finde es gerade für junge Schiedsrichter wichtig, zu Beginn ihrer Karriere einen erfahrenen Mann an der Seite zu haben, der ihnen Sicherheit gibt.“
Dieser Aspekt werde gerade jetzt wichtig, denn erstaunlicherweise verzeichnen die Schiedsrichter in Südbaden – Corona zum Trotz – mehr Zulauf als in den Jahren zuvor. Eine Ursache für das gestiegene Interesse an der Ausbildung zum Unparteiischen könnte die Umstellung bei den Neulings-Lehrgängen sein.
Wo sich vor der Pandemie die Anwärter an zwei Wochenenden im Januar stundenlang in einem Sportheim zur Ausbildung getroffen haben, büffeln die Neulinge nun die Regeln am heimischen Laptop: „Hätte man mir 2019 gesagt, dass wir auf diese Weise neue Schiedsrichter bekommen, hätte ich nur müde gelächelt“, ließ sich Brombacher vom Gegenteil überzeugen: „Diese Zeiten haben vieles verändert. Wir haben aus der Not eine Tugend gemacht“, freut er sich im Rückblick über 115 Teilnehmer am ersten Versuch des zentralen Neulingslehrgang 2020: „Mittlerweile sind es fast 300 neue Schiedsrichter, die wir auf diese Weise gewonnen haben.“

Regelabende vor der Saison bei den Vereinen
Damit der Stellenwert des 23. Mann auf dem Sportplatz verbessert wird, regt Brombacher einmal mehr an, die Kommunikation zwischen Vereinen und Unparteiischen zu verbessern. „Es gibt in allen Bezirken viele gute Schiedsrichter. Diese Leute könnten vor der Saison die Vereine – ab Bezirksliga aufwärts – besuchen.
Ein informativer Abend, bei dem neue oder auch strittige Regeln besprochen werden, würde dazu beitragen, dass das gegenseitige Verständnis wächst.“ Schon in früheren Zeiten habe es solche Ansätze gegeben, die aus verschiedenen Gründen eingestellt wurden: „Wir haben vor vielen Jahren sogar zusammen gekickt – Trainer gegen Schiris. Das war eine tolle Sache“, erinnert sich Ralf Brombacher gern zurück.
Ralf Brombacher blickt also schon im Lockdown zuversichtlich in die Zukunft: „So lang der Fußball nicht komplett digitalisiert ist, wird es uns Schiedsrichter geben“, lacht er. Dass es künftig nicht nur Schiedsrichter, sondern auch mehr Schiedsrichterinnen gibt, ist ihm ein großes Anliegen: „Es gibt keinen Grund, weshalb Frauen keine Spiele leiten sollen“, sieht er viel Potenzial bei Fußballerinnen: „Wir sind in der glücklichen Lage, in Sina Gieringer aus dem Bezirk Baden-Baden eine engagierte Schiedsrichterin mit Bundesliga-Erfahrung zu haben. Sie wird sich um das noch unbestellte Feld „Frauen im Schiedsrichter-Wesen“ kümmern.“ Als leuchtendes Beispiel nennt Brombacher dabei eine Initiative des Badischen Fußballverbands: „Binnen zwei Jahren haben die Kollegen immerhin 58 neue Schiedsrichterinnen gewonnen – das können wir auch schaffen.“