Steffen Kautzmann, Sie können sich am Samstag mit einem Heimsieg gegen den direkten Konkurrenten FC 08 Villingen II im letzten Saisonspiel mit dem Klassenerhalt vom FC 03 Radolfzell verabschieden. Könnten Sie sich ein packenderes Finale vorstellen?

Nein, mehr geht nicht. Es scheint, als hätten wir uns noch mal alles für dieses letzte Spiel aufgespart. Dass es am Saisonende um etwas geht, ist ja nicht so selten, aber ein direktes Duell mit leichtem Derbycharakter – das spitzt das Ganze schon ziemlich zu.

Bereiten Sie Ihre Mannschaft speziell auf das entscheidende Duell vor?

Wir werden nichts anders machen als sonst auch, werden unseren Rhythmus beibehalten und uns genauso gewissenhaft vorbereiten wie auf jeden anderen Gegner. Es wird aber auf jeden Fall emotionaler sein, weil es um mehr geht. Wir konnten in den letzten Jahren zu diesem Zeitpunkt eigentlich immer befreit aufspielen, nun ist der Druck gerade bei den jungen Spielern größer, und das merkt man auch. Sie brauchen vielleicht ein bisschen mentale Unterstützung, dass wir Ruhe bewahren, wenn das Umfeld schon verrücktspielt.

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Seit dem Wiederaufstieg vor fünf Jahren hat Ihr Team immer einen einstelligen Tabellenplatz belegt, 2017/18 waren Sie gar Dritter. Warum lief es in dieser Saison nicht rund?

Ich hoffe, Sie haben genug Platz auf Ihrer Seite (lacht). Im Ernst: Wir haben noch nie gesagt, wir wollen Meister werden. Mit unserem Kader sind die Top 5 das Optimum. Am Anfang der Saison hat alles ganz gut geklappt, wir haben sogar Rielasingen aus dem SBFV-Pokal geworfen. In diesem Spiel hat sich aber Alexander Stricker verletzt, der uns bis zur Schlussphase der Runde gefehlt hat, dann ist Robin Niedhardt aus persönlichen Gründen ausgefallen. Die beiden sind absolute Unterschiedsspieler, die zusammen schon mal 40 Tore erzielen.

Dann waren Daniel Wehrle beruflich bedingt und Moritz Hlavacek mit Corona lange nicht verfügbar. Einen Großteil der Saison musste ich ohne festen Co-Trainer bestreiten, in Summe waren sieben verschiedene dabei. So kam nie wirklich Ruhe rein. Diese ganzen Nackenschläge haben unheimlich viel Kraft gekostet. Unser Sportlicher Leiter Alex Thumer sagt daher: Wenn wir dieses Jahr den Klassenerhalt schaffen, dann ist das wie eine Meisterschaft. Für uns ist es ein positives Finale, weil uns nach der Niederlage gegen Lahr eigentlich keiner mehr auf dem Schirm hatte.

Sie sind ordentlich aus der Winterpause gestartet, haben aber nach dem Aus im SBFV-Pokal-Halbfinale gegen Oberachern neun Spiele lang nicht gewonnen. Hatte diese Negativserie mit dem 0:4 gegen den Oberligisten zu tun?

Auf jeden Fall. Es war erst das zweite Halbfinale der Vereinsgeschichte, ein Spiel, auf das wir lange hingearbeitet hatten. Mit der Möglichkeit, vielleicht den Pokal zu gewinnen. Wir hatten viel Energie, auch mental, in dieses Spiel gesteckt. Das 0:4 gab schon einen kleinen Knacks, dann sind in der Partie ein paar Verletzungen entstanden – und so hat das alles seinen Lauf genommen.

Es scheint aber, als habe das Team rechtzeitig die Kurve gekriegt. Zuletzt gelang der erste Sieg seit dem 12. März. Was haben Sie verändert?

Wir haben ein bisschen was umgestellt in der Phase, wo es nicht so lief, um wieder mehr Emotionen auf den Platz zu bekommen. Wenn das nötige Quäntchen Glück nicht zu dir kommt, dann musst du es dir eben erarbeiten. Wir sind positiv geblieben und haben gesagt: Wir glauben an uns und dass das Gute wieder zurückkommt.

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Wenn Sie auf Ihre Zeit beim FC Radolfzell zurückblicken: Was bleibt am meisten in Erinnerung?

Der Gewinn der Deutschen Meisterschaft 2016 mit der U17. So etwas wird es nicht mehr geben mit Siegen gegen den HSV oder den 1. FC Köln. Daneben gab es unglaublich viele Spiele, Erlebnisse, die für mich als junger Trainer immer bleiben werden. Über das Sportliche hinaus sind es die Menschen, die mich begleitet haben. Dass ich die Chance bekommen habe, mit 24 Verbandsligatrainer zu werden, war nicht alltäglich. Das war ein riesiger Schritt in meiner Persönlichkeitsentwicklung. So bin ich ein Stück schneller erwachsen geworden.

Warum hören Sie nach acht Jahren auf?

Wir haben immer ein bisschen mehr gemacht als andere Vereine, mussten wir auch, weil die finanziellen Möglichkeiten nicht da sind. Wenn man 20 bis 25 Stunden pro Woche neben Job oder Studium für den Verein arbeitet, kostet das viel Kraft. Diese Saison hat die Belastung auf die Spitze getrieben. Wenn du nach dem Training nicht mehr weißt, wie du heimkommst, dann solltest du auf die Signale deines Körpers hören.

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Was werden Sie nun machen?

Erst einmal werde ich im Sommer in Ruhe in den Urlaub gehen, ohne ständig schauen zu müssen, wie das Training zuhause läuft. Ob ich wirklich abschalten kann? Das lasse ich auf mich zukommen. Ich werde auf jeden Fall im Fußball bleiben und mich weiterbilden, Bücher lesen oder bei anderen Trainern hospitieren.

Das können auch Dinge sein, die nicht unmittelbar mit dem Sport zu tun haben: Führung, Mentales, neue Inspirationen eben. Ich will auch nicht ausschließen, dass ich irgendwann wieder auf die Mettnau zurückkomme. Der FC Radolfzell ist ein Stück weit Heimat und Familie für mich geworden.

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Vorher steht das Abstiegsfinale gegen die Reserve des FC 08 Villingen an. Was dürfen die Zuschauer am Samstag erwarten?

Sie werden eine Radolfzeller Mannschaft sehen, die ihr Herz auf dem Platz lässt. Als ich gesagt habe, dass ich aufhöre, habe ich gespürt, dass das bei den Spielern Kräfte mobilisiert hat, die vorher nicht da waren. Die Fans werden sehen, dass die Mannschaft alles in ihrer Macht Stehende tut, um den Klassenerhalt zu schaffen. Das ist unser Anspruch. Mein Wunsch ist es, dass das Mettnaustadion ganz in Blau erscheint und alle kommen, die uns die Daumen drücken. Das hätten die Jungs verdient.

Warum spielt der FC Radolfzell auch künftig in der Verbandsliga?

Weil das Konzept, das der Verein in den letzten Jahren aufgebaut hat, das richtige ist: eigene junge Spieler und Spieler aus unteren Ligen zu fördern. Das ist nachhaltiger, als nur aufs Geld zu setzen. Hier haben junge Spieler die Chance, ohne Druck auf einem guten fußballerischen Niveau weiterzukommen. In vielen anderen Vereinen wäre Aktionismus entstanden, wenn die Mannschaft – wie wir – neun Spiele in Folge nicht gewinnt. Umso schöner wäre es, wenn unser Plan am Ende aufgeht.