Hansueli Nohl und seine Frau Maya wohnen im Nohlhof, dieser liegt am Nohlbuck im Dorf Nohl mit seinen 145 Einwohnern. Was sich wie ein abgedrehtes Wortspiel anhört, ist Tatsache: Die alteingesessene Familie trägt denselben Namen wie das Dorf, das hoch über Rhein liegt. Es ist ein wenig wie in Theodor Fontanes Roman „Der Stechlin“.
Der Nohlhof gehört politisch zum Kanton Zürich, doch gefühlt befindet sich das stattliche Anwesen im Bannkreis von Schaffhausen. Vom Nohl‘schen Anwesen aus sieht man auf den prächtig dahinschießenden Rhein hinunter und man ahnt bereits den berühmten Rheinfall bei Neuhausen.
Von der touristischen Vibration des Rheinfalls ist Hansueli Nohl, 65, weit entfernt. Wer sich hier nicht auskennt, wird das paar Dutzend Häuser hoch über dem Rhein verpassen. Dabei wäre der Ort Nohl einen Besuch wert, wenn man einen Sinn für kuriose Grenzziehungen mitbringt: Die Straße, die zu Familie Nohl führt, gehört zu Deutschland.
Damit zählen die Scheune mit Maschinenpark und Lagerflächen zum deutschen Kreis Waldshut. Das Wohnhaus und die zugehörige Gastwirtschaft „Taverne“ dagegen liegen südlich der Straße, sie stehen auf Schweizer Gebiet.
Nohl ist ein Spezialfall
„Nohl ist ein Sonderfall im Kanton Zürich“, stellt die NZZ bereits vor Jahren fest. Bis 1956 wurden die Lebensmittel mit dem Schiff angefahren. Heute erreicht man die schmale Siedlung über den Rheinfall Neuhausen. Hansueli Nohl fährt meistens über Deutschland, das sei für ihn praktischer, und überhaupt: Zu den „Dütschen“ pflegt er gute Beziehungen, sagt er im Gespräch.
Er hat Ackerflächen in Deutschland gepachtet, auf denen er Getreide und Mais anbaut. Das ist der Broterwerb für den 65-Jährigen, der nach Jahren harter Arbeit nun kürzer tritt, aber klugerweise den Traktor noch nicht aus der Hand gibt. Also bearbeitet er weiterhin die badischen Äcker an und lagert die Frucht in seiner Scheune.

Das macht er seit Jahrzehnten. Er wuchs auf dem Nohlhof auf und half selbstverständlich mit. Wenn die Halle zu klein war, wurde sie erweitert. Sie schoss mit den Traktoren in die Höhe. „Betriebe wachsen“, berichtet Nohl, „das ist normal.“ Auch dass der Bauernhof juristisch gesehen auf zweierlei Staatsgebiet liegt, hat niemanden gestört. Die Erdbeeren, die er lange Zeit kultivierte, wuchsen unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit.
Nur ein schmaler weißer Strich auf der schmalen Straße zeigt den Grenzverlauf an. Das hätte auch so bleiben können, wenn sich nicht das Bundesamt für Zoll- und Grenzsicherheit (BAZG) in Bern gemeldet hätte. Wenn Nohl seine Frucht in einer Scheune auf deutschem Staatsgebiet einlagere, dann müsse er dafür auch Zoll entrichten, sobald er sie in die Schweiz einführt.
Er hat hart gearbeitet
Der Landwirt geht mit dem amtlichen Anliegen gelassen um. Er hofft auf die Berner Politik, die durch entsprechende Berichte auf die Situation aufmerksam werde. Gelassenheit scheint die Stärke von Hansueli Nohl zu sein. Wie zum Beweis führt er den Besucher in das kleine Gasthaus „Taverne“, das er mit seiner Frau Maya aufgebaut hat. Eine verglaste Terrasse steht auf hohen Stelzen, die Besucher schauen zum Rhein hinunter. Kürzlich hat das Ehepaar die Taverne an den Sohn übergeben, der mit seiner Frau die Gäste empfängt.
Man sieht es Nohl an, dass er sein ganzes Leben hart gearbeitet hat. Der schlanke Mann legt seine kräftigen Unterarme auf den Tisch, die gegerbten Hände faltet er. Am linken Unterarm trägt er ein Tattoo, das die Umrisse von Kuba samt Revolutionsflagge zeigt. Er war dort, und das Land hat ihn begeistert. Er würde gerne helfen. Doch das Regime und die Sanktionen verhindern dies.
Einen berühmten Namen hat er aus der Karibik mitgebracht: Seinem prächtigen schwarzen Hund gab er den Namen Che – das Tier heißt wie der kubanische Revolutionsführer Guevara. Kein anderes Lebewesen dürfte den weißen Grenzstrich häufiger übertreten wie dieser Hund.