Der Trend der Stunde heißt Künstliche Intelligenz (KI). Der weltbekannte ChatGPT hat einen Hype ausgelöst, dem zahlreiche Akteure nacheifern. Dabei will jedes Land einen Platz an der Weltspitze einnehmen. Dort steht bisher unangefochten die USA, gefolgt von China. Für Deutschland gilt: Alleine wird man die Weltmächte nicht einholen können. Gemeinsam mit anderen ist es aber möglich.

Wo steht Deutschland?

Dabei steht es um den KI-Standort Deutschland keineswegs schlecht. „Deutschland ist als Forschungsstandort für KI international anerkannt“, sagt Kai Pascal Beerlink, Referent für künstliche Intelligenz beim Digitalverband Bitkom. Grund dafür seien „exzellente Forschungseinrichtungen und Universitäten“.

Auch in der europäischen Nachbarschaft gibt es starke KI-Länder. Eines davon ist die Schweiz. Geht es um die Zahl der publizierten Forschungsresultate pro Kopf, ist die Schweiz führend. Auch internationale Unternehmen, wie etwa Google, Disney oder Boston Dynamics haben Standorte in der Region Zürich eröffnet. Was zieht sie in die Schweiz?

„Zürich hat eine extrem hohe Dichte an Talenten“, sagt Thilo Stadelmann, Professor für künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Winterthur. Das liege zum einen an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich, „die im Bereich Informatik führend ist“. Dazu kommen noch weitere gute Hochschulen in der vergleichsweise kleinen Stadt.

Thilo Stadelmann, Professor für künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen an der ZHAW Winterthur
Thilo Stadelmann, Professor für künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen an der ZHAW Winterthur | Bild: Stadelmann/ZHAW

„Die Dichte an allen Ressourcen ist hoch“, sagt Stadelmann. Zudem ergebe sich eine gewisse Eigendynamik, wenn sich bereits große Unternehmen dort angesiedelt haben. Vereinfacht gesagt: Geld und Talente ziehen Geld und Talente an. Ähnliche Entwicklungen gibt es laut Stadelmann in Berlin und Heilbronn. Hat die Schweiz nun aber die Nase vorn?

Gemeinsam statt gegeneinander

Deutschland oder Schweiz, das sei die falsche Frage, sagt Stadelmann. Vielmehr gehe es darum, dass Europa als Wirtschaftsraum den Anschluss an Weltmächte wie USA und China nicht verliert. Stadelmann spricht vom „dritten großen Anlauf, einen Digitalisierungsschub nicht zu verpassen“. Ein Konkurrenzkampf zwischen europäischen Nationen sei dabei nicht zielführend.

Dabei sei Europa keinesfalls abgeschrieben. Forschung, Ideen und Talente seien vorhanden. Gerade im Ingenieurbereich seien Deutschland und die Schweiz stark. „Man hat verstanden, dass man zusammenarbeiten muss“, sagt Stadelmann. Das sei in zahlreichen Kooperationen zwischen Forschern und Einrichtungen in Europa auch schon der Fall.

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Allerdings fehlt es aus Sicht des KI-Experten in Teilen noch an der Mentalität: „Das Verständnis dafür, dass man Risiken eingehen muss“. Auf Ebene der Regierung in vielen Ländern sei das bereits im Wandel. Es brauche aber auch private Investitionen von Risikokapitalgebern. „Ich habe das Gefühl, das kommt jetzt mehr“, sagt Stadelmann.

Ein Beispiel für eine gelungene Kooperation ist der Heilbronner Bildungscampus. Dort sind bereits die TU München und die Fraunhofer-Gesellschaft vertreten. Und: Die ETH Zürich will hier ein Lehr- und Forschungszentrum errichten. Finanziert wird dieses deutsch-Schweizer Projekt von der Stiftung des Lidl-Gründers Dieter Schwarz.

Was für die Weltspitze nötig ist

„Um im globalen Wettbewerb mithalten zu können, muss Deutschland seine Investitionen in KI-Technologien erhöhen und ein attraktiveres Umfeld für Start-ups und Fachkräfte schaffen“, sagt auch Bitkom-Referent Beerlink. Laut Website des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) werde in der laufenden Legislaturperiode alleine von dem Ministerium mehr als 1,6 Milliarden Euro als Teil des Aktionsplans „Künstliche Intelligenz“ in KI investiert.

Ein weiterer Punkt: Der Transfer von Forschungsergebnissen in die wirtschaftliche Praxis. Hier besteht laut Beerlink „Optimierungspotenzial bei der Umsetzung dieser Erkenntnisse in marktfähige Produkte und Dienstleistungen“.

Einschränkungen durch EU-Gesetze?

Mit dem Hype um Anwendungen, die auf künstliche Intelligenz setzen, kamen auch Diskussionen um nötige Einschränkungen dieser Technologie auf. Die Europäische Union hat mit dem AI-Act die erste Regulierung einer solchen Art geschaffen. Was bedeutet das für die Forschung in EU-Ländern?

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Um im weltweiten Wettbewerb relevant zu bleiben, brauche es eine vorausschauende Umsetzung des AI Act auf nationaler Ebene, erklärt Beerlink. „Hier gilt es, unbürokratische Strukturen zu schaffen und genügend Ressourcen bereitzustellen, damit Innovationen nicht durch langwierige Prüf- und Zulassungsprozesse gehemmt werden.“

Die Schweiz allerdings ist kein EU-Mitglied. Könnte das ein Standortvorteil sein? Nicht wirklich, sagt Stadelmann. „Die Schweiz kann nicht als Insel funktionieren.“ Der globale Markt für Digitalunternehmen werde für Unternehmen dazu führen, dass sie sich ohnehin an die Regeln angeglichen müssen, die in anderen Ländern gelten.