Bei einem ungeklärten schwarzen Fleck am Unterarm muss man künftig nicht mehr zum Hautarzt. Die Handykamera erkennt, ob es sich dabei um Hautkrebs handelt. Möglich macht das eine Künstliche Intelligenz. Sie wurde vorher mit entsprechendem Bildmaterial gefüttert, um das Aussehen des Flecks abgleichen zu können. „Die KI kann das besser erkennen als ein Arzt“, sagt Jo Wickert.

Er ist Professor für Interface Design an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Gestaltung (HTWG) in Konstanz, beschäftigt sich also mit der Gestaltung von Computeranwendungen,. Dem SÜDKURIER erklärt er, wo KI den Menschen in Zukunft alltäglich helfen kann, der Gesundheitsbereich ist nur ein Beispiel. Zunächst merkt Wickert an: „Künstliche Intelligenz ist nicht kürzlich erfunden worden.“

KI gegen die Einsamkeit

Denn im Internet wird Nutzern schon lange etwa personalisierte Werbung von ihr zugespielt. Was sich laut Wickert aber vor nicht allzu langer Zeit geändert hat, ist der Zugang zu den Programmen. Ende 2022 veröffentlichte die Firma OpenAI das Programm ChatGPT – und ermöglichte damit einer breiten Masse den direkten Austausch mit einer dieser dubiosen KIs. Über schriftliche Prompts – also Aufforderungen – erteilen die Nutzer den Programmen einen Auftrag, den diese ausführen.

In den nächsten Jahren, glaubt Wickert, wird die KI sich zunehmend von der Schrift lösen. „Es wird KI geben, die nicht nur auf Sprache, Video und Bild begrenzt ist, sondern all diese Dinge verbindet.“ So werde es dann Programme geben, die man direkt ansprechen kann, wie derzeit etwa Siri, die Sprach-Assistenz in Mobiltelefonen von Apple. „Man kann sich dann mit der KI unterhalten“, sagt Wickert. Darin sieht er Potenzial für einsame Menschen, Ältere, die nicht mehr viele soziale Kontakte haben.

Aber werden die Menschen vergessen, dass ihr Gesprächspartner nicht real ist? Das wird sehr schnell gehen, glaubt Wickert. „Wir haben immer eine emotionale Verbindung zu technischen Geräten.“ Als Beispiel nennt er Autos – oder die Wut auf den Drucker. Nicht auszuschließen also, dass Künstliche Intelligenzen uns künftig als ernstzunehmendes Gegenüber erscheinen.

Sicherheit und Bewerbungen

Jo Wickert erzählt von einem Beispiel von KI-Einsatz aus seinem Berufsalltag: In einem seiner Uni-Kurse habe ein Student ein Referat gehalten. „Das hat ChatGPT erstellt, oder?“, habe er im Anschluss den Referenten gefragt. Der habe das bejaht. Solange die Informationen korrekt sind, sieht Wickert darin kein Problem. Viele solcher Schreibaufgaben werde künftig KI für uns übernehmen können, so etwa das Bewerbungsschreiben. Die Konsequenz werde dann aber sein, dass auf das Geschriebene im Bewerbungsprozess weniger Wert gelegt wird.

Auch das Zuhause wird man sich künftig mit Künstlicher Intelligenz teilen. Sogenannte Smart Homes, also intelligente Häuser, könnten etwa lernen, ab wann sie die Heizung anstellen, basierend auf den Zeiten, in denen die Bewohner üblicherweise zuhause sind. Positiv sei das für den Sicherheitsaspekt: KI könne hervorragend feststellen, ob gerade eingebrochen werde, sagt Wickert. Es sei sogar schon gelungen, vorherzusagen, wo bald eingebrochen wird.

Daten gegen Service

Im Gesundheitsbereich werde die KI nicht nur Hautkrebs erkennen können. Wer mit einer Smartwatch seine Gesundheitsdaten sammelt, dem könnte KI frühzeitig Diagnosen zu allen möglichen Krankheiten stellen. Jo Wickert weist allerdings bei all dem möglichen Nutzen von KI im Alltag auf einen Grundgedanken hin: „Das ist ein Handel – Daten gegen Service.“ Damit KIs funktionieren, brauchen sie einen möglichst großen Datenpool und den liefern die Nutzer. Es sei nicht immer klar, wer die Daten am Ende bekommt – und das kann einem zum Nachteil werden.

Jo Wickert, Professor für Interface Design, an der HTWG Konstanz: „Das ist ein Handel – Daten gegen Service.“
Jo Wickert, Professor für Interface Design, an der HTWG Konstanz: „Das ist ein Handel – Daten gegen Service.“ | Bild: Jo Wickert

In Bewerbungsprozessen könnten Menschen mit gesundheitlichen Problemen von KI-Programmen aussortiert werden. Es braucht daher Regeln für ihren Einsatz. Inwieweit sie künftig unseren Alltag bestimmen, hängt somit davon ab, welche Grenzen ihnen die Rechtsprechung setzt.

Greifbar macht Wickert die vielen Fragen um die KI am Beispiel des autonomen Fahrens. An der Technik hakt es nicht, sagt er. Es würden künftig auch deutlich weniger Unfälle passieren, wenn nicht mehr Menschen Fahrzeuge steuern, sondern künstliche Intelligenzen. Wenn es aber doch mal zu einem Unfall kommt, stelle sich die schwierige Frage, wer haftet. Der Ingenieur? Der Fahrer? Das Autohaus?

„Wir erleben etwas, dass uns technisch geliefert wird, womit wir als Gesellschaft noch gar nicht umgehen können“, sagt Wickert. Wir werden aber einen Umgang damit finden müssen, denn ausschließen könne man KI nicht mehr.