Bessere Leistungen, schnellere Terminvergabe und kürzere Wartezeiten: Versicherte einer privaten Krankenkasse genießen einige Privilegien gegenüber den gesetzlich Versicherten. Und wenn sie noch jünger sind, müssen sie dafür auch noch weniger zahlen. Je nach Tarif und eigenen Ansprüchen kann man sich sehr günstig privat versichern.
Niedrige Beiträge in jungen Jahren
So kann ein 30-jähriger Angestellter mit einem Einkommen über der Beitragsbemessungsgrenze von 73.800 Euro Jahresbrutto eine private Krankenversicherung mit umfangreichem Leistungsniveau bereits für etwa 217 Euro pro Monat erhalten. In der GKV müsste er 604 Euro im Monat bezahlen. Wie lässt sich das rechtfertigen? Ist eine private Versicherung besser als die gesetzliche?
Peter Grieble von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg spricht von einer „Ungleichbehandlung“ zwischen privat und gesetzlich Versicherten. In Deutschland muss jeder eine Versicherung abschließen. Dabei hat er zwar theoretisch die Wahl zwischen Gesetzlicher (GKV) und Privater Krankenversicherung (PKV).

Während die GKV jeden aufnehmen muss, kann die PKV Versicherungswillige aber auch ablehnen, etwa wegen Vorerkrankungen. Auch Arbeitnehmer mit einem Jahreseinkommen unterhalb der Versicherungspflichtgrenze haben keinen Zugang. Lediglich Freiberufler, Selbstständige, Studenten und Beamte können sich unabhängig vom Einkommen bei der PKV versichern.
Grieble sieht in dem Dualen System eine Art Sozialdarwinismus: Die PKV ist vor allem für jüngere und gesunde Besserverdiener attraktiv, die weniger Leistungen in Anspruch nehmen, wodurch die Versicherung weniger kostet. Würden sie mit in eine Gemeinschaftsversicherung einzahlen, würden alle davon profitieren, sagt Grieble. Entweder haben wirklich alle die freie Wahl oder aber alle sind im Krankheitsfall etwa über eine Bürgerversicherung abgesichert, meint der Versicherungsexperte.
Nur in Deutschland gibt es das duale System
Die Bürgerversicherung basiert auf einem solidarischen Sozialversicherungssystem, in das ausnahmslos alle Versicherten einzahlen und Leistungen in Anspruch nehmen können. Medizinische Sonderleistungen über die Grundversorgung hinaus sind aber durch private Zusatzversicherungen möglich. Tatsächlich ist Deutschland in Europa das einzige Land mit dem Nebeneinander von gesetzlicher und privater Krankenversicherung.
Im Gegensatz zur öffentlich-rechtlichen GKV ist die PKV privatwirtschaftlich organisiert. Anders als gesetzlich Versicherte können Privatversicherte ihre Absicherung in großen Teilen frei gestalten.
Das kann aber auch bedeuten, dass sie in manchen Fällen nicht ausreichend abgesichert sind und die Kosten dann selbst tragen müssen, erklärt Grieble.
Laut dem Vergleichsportal Check24 gibt es rund 4300 Tarifkombinationen von etwa 23 Anbietern. Die Zahl der gesetzlichen Krankenkassen liegt bei 92.
- Wie unterscheiden sich die Versicherungen? Während sich die Beitragshöhe für gesetzlich Versicherte nach dem Einkommen richtet und derzeit bei 14,6 Prozent liegt, müssen die Mitglieder einer privaten Versicherung nur für die Leistungen zahlen, die sie in ihre Versicherung aufgenommen haben.
Daher sollte man schon zu Beginn wissen, was einem wichtig ist und auch fürs Alter vorsorgen. Die Tarife lassen sich flexibel an die Lebenslage anpassen.
Solidargemeinschaft zahlt für Bedürftige mit
Die Beträge bei der Gesetzlichen sind höher, weil sie als Solidargemeinschaft für diejenigen mit zahlt, die kein Geld verdienen oder verdienen können. In den meisten Fällen liegen die Kosten für die PKV deutlich geringer als in der gesetzlichen Krankenversicherung. Allerdings müssen bei einer Privatversicherung Familienmitglieder einzeln versichert werden, während die Gesetzliche einen Familientarif anbietet.
Ein weiterer Unterschied: Zur GKV gibt der Arbeitgeber die Hälfte des Beitrags dazu, Studenten und freiwillig Versicherte zahlen einen Mindestbeitrag, Selbstständige müssen den Beitrag allein zahlen.
Privat Versicherte erhalten beim Arztbesuch eine Rechnung, die sie selbst begleichen müssen. Die Rechnung reichen sie bei ihrer Versicherung ein, um die Kosten oder einen Anteil erstattet zu bekommen. Wer ein Jahr lang keine Rechnungen vorlegt und geringe Beträge lieber aus eigener Tasche bezahlt, bekommt einen Teil der Beiträge zurück.
Für einen PKV-Patienten darf der Arzt mehr, nämlich das 2,3 Fache, abrechnen. Das macht den privat Versicherten für den Arzt attraktiver.

In der GKV rechnet der Arzt die Behandlungskosten direkt mit der Krankenkasse ab, der Versicherte muss nicht in Vorleistung gehen. Diese Form der Abrechnung gibt es in der Privaten Krankenversicherung nur bei stationären Behandlungen sowie oft auch bei sehr teuren Medikamenten.
Denn in der Regel bezahlt der PKV-Versicherte seine Medikamente erst einmal selbst. Bis zu einer vertraglich ausgemachten Höhe bekommt er das Geld auch nicht erstattet und darüber hinaus nur zu einem Anteil. Der GKV-Versicherte zahlt nur fünf bis zehn Euro pro Rezept dazu.
- Ist eine private Krankenversicherung also besser? Bei der PVK gibt es vor Vertragsbeginn eine sogenannte Risikoprüfung, bei der Antragsteller Fragen zu ihrem Gesundheitszustand beantworten müssen.
Auf dieser Basis und abhängig vom Lebensalter wird dann von der Versicherung ein individueller Beitrag berechnet. Die PKV zahlt dann für alle medizinisch notwendigen Behandlungen entsprechend dem abgeschlossenem Tarif.
PKV bietet Leistungen ohne Begrenzung
Ein wichtiger Unterschied zur GKV ist, dass die Private Krankenversicherung viele Leistungen ohne Einschränkungen erstattet. Das heißt, es gibt keine Begrenzung bestimmter Leistungen wie Vorsorgeuntersuchungen: von der Augeninnendruckmessung bis zur Extra-Ultraschalluntersuchung beim Gynäkologen und auch keine Budgetierungen wie in der Gesetzlichen Krankenversicherung.
Wann bietet sich ein Wechsel an? Einen Wechsel der Krankenkasse hält Grieble für nicht sinnvoll. „Die Entscheidung für ein Kassenmodell ist eine Lebensentscheidung und sollte daher gut überlegt sein.“
Für GKV-Mitglieder, deren Einkommen die geltende Grenze übersteigt, endet die Versicherungspflicht. Sie können dann gesetzlich versichert bleiben, oder in die PKV wechseln.
Ab 55 keine Rückkehr in die GKV
Wer das 55. Lebensjahr vollendet hat und länger privat krankenversichert war, kann praktisch nicht mehr in die Gesetzliche wechseln. Der Betroffene muss in der privaten Versicherung bleiben.
Über Zusatzversicherungen können aber auch gesetzlich Versicherte ihren Krankenversicherungsschutz verbessern, unter anderem für Hörgeräte, Sehhilfen oder höherwertigen Zahnersatz.
Was müssen privat versicherte Rentner beachten? Da die Tarife bei der PKV nicht nach dem Einkommen berechnet sind, müssen Rentner die gleichen Beiträge bezahlen wie als Berufstätige.
Das kann teuer werden, wie auch der ehemalige SÜDKURIER-Mitarbeiter und jetzige Rentner Siegmund Kopitzki aus Konstanz erlebt hat. In diesem Jahr sei sein Monatsbeitrag um 160 Euro auf mittlerweile über 700 Euro gestiegen.

„Wenn das so weitergeht, gebe ich bald ein Drittel meiner Rente für die Krankenkasse aus“, befürchtet der 73-Jährige. Er überlegt nun, auf welche Leistungen er verzichten kann, um den Beitrag zu reduzieren.
Allerdings: Auch privat versicherte Rentner bekommen wie der GKV-Versicherte den staatlichen Zuschuss zur Krankenversicherung. Der liegt derzeit bei 8,55 Prozent der Rente.
Außerdem könne man in Zeiten, in denen der Beitrag niedriger ist, Geld für die Krankenversicherung im Alter zurücklegen, sagt Andreas Braun, Vertreter bei der Süddeutschen Krankenversicherung (SDK). „Heutzutage werden bei der Beratung zur PKV immer die Situation im Rentenalter berücksichtigt und dementsprechende Empfehlungen abgegeben, wie die Aufnahme eines Beitragssenkungsplans.“
Regelmäßig Tarif anpassen
Rentner können aber auch ihr Leistungsniveau auf Kassenleistungsniveau absenken, dadurch sinkt ihr Beitrag.
Grieble empfiehlt privat Versicherten, regelmäßig nach neuen Tarifen und der Entwicklung der Kosten zu fragen. Unter Umständen ändern sich die Wünsche. Die Versicherer sind verpflichtet, Leistungen zu benennen und individuell zu beraten. In aller Regel nutzen sie das auch in der Hoffnung, zusätzliche Leistungen zu verkaufen.
„Sie sind oft sogar dankbar, wenn sich jemand informieren möchte“, sagt der Experte von der Verbraucherzentrale. Fazit: Privat versichert zu sein, bedeutet, sich die Tarife genau anzuschauen.