„Vater, vergib mir, denn ich habe gezündelt!“ Ausgerechnet in einem der vier Beichtstühle der Kirche St. Ulrich und St. Afra an der Kreuzlinger Hauptstrasse ist am Sonntagnachmittag, 8. Oktober, ein Brand ausgebrochen. Wie es dazu kommen konnte – und ob tatsächlich ein Brandstifter am Werk war –, das will nun der Brandermittlungsdienst der Kantonspolizei Thurgau herausfinden. Einiges weist jedoch darauf hin.

Passantin reagierte geistesgegenwärtig

Der Geruch von Rauch war auch am Montag noch deutlich in der Kirche wahrnehmbar. Kirchenpfleger Simon Tobler fuhr mit einem Finger über eine der Sitzbänke und prüfte ihn anschließend auf Asche oder Rußpartikel. „Wir sind froh, dass die Anwesenden so rasch und umsichtig reagiert haben. Sie haben alles richtig gemacht“, sagte Tobler. Die Brandbekämpfer waren zügig vor Ort und konnten den Flammen frühzeitig Einhalt gebieten.

Kann ein Beichtstuhl von selbst in Brand geraten? Die Ermittler der Kantonspolizei haben die Spuren gesichert.
Kann ein Beichtstuhl von selbst in Brand geraten? Die Ermittler der Kantonspolizei haben die Spuren gesichert. | Bild: Urs Brüschweiler

Das Feuer in der Basilika war kurz vor 15.30 Uhr entdeckt worden. Eine Passantin habe Rauch bemerkt, erzählte der Kirchenpfleger. Sie habe umgehend eine in der Nähe anwesende Mitarbeiterin der Kirchgemeinde informiert. Diese alarmierte die Feuerwehr.

„Als die Feuerwehr bei der Kirche eintraf, war das Kirchenschiff mit Rauch gefüllt“, schreiben die Brandbekämpfer in ihrem Einsatzbericht auf der Internetseite. „Als die Einsatzkräfte genauer hinsahen, entdeckten sie im Innern des Kirchenschiffs einen brennenden Beichtstuhl, der durch die Feuerwehr sofort mit einem Feuerlöscher gelöscht wurde.“ Anschließend lüfteten die Brandbekämpfer durch.

Das verrauchte Kirchenschiff am Tag nach dem Feuer.
Das verrauchte Kirchenschiff am Tag nach dem Feuer. | Bild: Kantonspolizei Thurgau

Der Beichtstuhl, es ist jener mit dem Bildnis der Fußwaschung Jesu aus dem Neuen Testament, weist größere verkohlte Stellen am Boden und an der Seite auf. Die Kantonspolizei Thurgau schreibt von einem Schaden von mehreren tausend Franken. Kirchenpfleger Simon Tobler wagte noch keine Einschätzung. Die Basilika St. Ulrich sei natürlich kunsthistorisch äußerst wertvoll, der Beichtstuhl hingegen wohl kaum älter als 60 Jahre.

Das könnte Sie auch interessieren

Auch Konstanzer konnten nichts ausrichten

Damals, im Sommer 1963, war die Kirche einem Großfeuer zum Opfer gefallen – auch Konstanzer Feuerwehrleute eilten an den Brandort, konnten allerdings gemeinsam mit ihren Schweizer Kollegen nicht verhindern, dass das Gotteshaus ausbrannte. Wie durch ein Wunder blieb dabei das große, aus dem 14. Jahrhundert stammende Gnadenkreuz der Kirche „umgeben von angekohlten Balkentrümmern“ stehen, wie es auf der Internetseite der Katholischen Kirchgemeinde Kreuzlingen-Emmishofen heißt.

Bis 1967 wurde die Kirche wieder aufgebaut. Ursache für die Brandkatastrophe von 1963 waren unsachgemäße Arbeiten an einem Nachbargebäude. Und diesmal? „Wir wissen nicht, wer es war“, sagte Simon Tobler. Über die Brandursache spekulieren wollte er nicht. Das sei Gegenstand der polizeilichen Untersuchungen.

Nur so viel ließ sich Tobler entlocken: „Von selber fängt der Beichtstuhl nicht zu brennen an.“ Es sei nun Aufgabe der Experten, festzustellen, ob Rauch und Rußpartikel weitere Schäden im Kircheninnern verursacht hätten. An der Wand oberhalb des Beichtstuhls seien beispielsweise leichte Schwärzungen auszumachen.

Simon Tobler sagt: „Von selbst fängt der Beichtstuhl nicht zu brennen an.“
Simon Tobler sagt: „Von selbst fängt der Beichtstuhl nicht zu brennen an.“ | Bild: Inka Grabowsky | Archiv

Die Kirche sei am Sonntagnachmittag, als das Feuer entdeckt wurde, menschenleer gewesen, so der Kirchenpfleger. Am Morgen hatte noch ein Gottesdienst stattgefunden. Das Gotteshaus stehe tagsüber offen. Nun bleibe es für die Aufnahme des Schadens vorerst geschlossen.

Restaurator Rolf Zurfluh 2022 im Ölberg der Basilika St. Ulrich in Kreuzlingen, der vom Ruß befreit werden musste.
Restaurator Rolf Zurfluh 2022 im Ölberg der Basilika St. Ulrich in Kreuzlingen, der vom Ruß befreit werden musste. | Bild: Benjamin Manser | Archiv

Der Aufwand, um ihn zu beheben, dürfte sich allerdings im Rahmen halten. Anders als nach einem ähnlichen Vorfall vom August 2021. Damals hatte eine geistig verwirrte Frau in der Kirche ein Feuer entfacht, indem sie auf dem Kerzenständer vor dem geschnitzten Ölberg der Basilika St. Ulrich viele Kerzen zusammenschob und anzündete.

Zudem verbrannte sie einige der ausliegenden, plastifizierten Informationsblätter und goss mit Desinfektionsmittel sprichwörtlich Öl ins Feuer. Das Resultat: zwei bis drei Meter hohe Flammen und Restaurationskosten von rund 100.000 Franken, weil der schwarze Ruß von den Innenwänden, Kunstwerken und Einrichtungsgegenständen entfernt werden musste.

Das könnte Sie auch interessieren

Kantonspolizei prüft Parallelen

Der nun betroffene Beichtstuhl befindet sich unweit des Kerzenständers und des Ölbergs. „Das letzte Mal war der Schaden sicher deutlich schlimmer“, stellte auch Simon Tobler fest. Von einer Häufung der Vorkommnisse in St. Ulrich wollte er nicht sprechen. Die Spurensicherung arbeitete am Montagnachmittag vor Ort. Gemäß Michael Roth, Mediensprecher der Kantonspolizei Thurgau, prüfe die Polizei aber, ob es Parallelen zu der Brandstiftung vor zwei Jahren gibt. Also auch, ob die Frau erneut als Täterin in Frage kommt.

Tobias Hug und Urs Brüschweiler sind Reporter unserer Partnerzeitung, der „Thurgauer Zeitung“.