Am Anfang stand eine große Überforderung. Jahrelang arbeitete Nataša Stojanovic als Pflegefachkraft in den Kliniken Schmieder in Allensbach auf der Intensivstation. Doch als ihr eigener Vater todkrank wurde, konnte sie ihm seinen letzten Wunsch vor dem Sterben nicht erfüllen. „Er wollte mitten im Winter in unserem Garten in den Bergen Kaffee trinken – ich wusste damals nicht, wie ich das hätte bewerkstelligen sollen“, erzählt die 53-jährige Büsingerin.
Ähnlich erging es ihrem Schweizer Lebensgefährten Petar Sabovic. Als sein Vater dement wurde, pflegte er ihn fünf Jahre lang. „Da wurde mir bewusst, wie schwierig es ist, bettlägerige Menschen zu transportieren“, erzählt der 60-Jährige. Schwer krank wollte sein Vater noch einmal seine Heimat Montenegro und das Meer sehen. „Ich konnte ihm das nicht erfüllen, das tat mir weh“, erklärt Sabovic.
Der Lieblingsplatz oder das Begräbnis eines geliebten Menschen
Nach dem Tod ihrer Väter erfuhr das Liebespaar per Zufall, dass es in den Niederlanden schon länger einen Ambulanzdienst gibt, der letzte Wünsche von Sterbenden professionell erfüllt. Die beiden flogen nach Rotterdam, schauten sich alles an und beschlossen, die Idee 2017 mit in die Schweiz zu bringen. Seither haben Stojanovic und Sabovic mit ihrem Verein Wunschambulanz, der sich großteils über Spenden finanziert, rund 600 todkranken Menschen ihre Herzensanliegen erfüllt. Kostenlos und mit professioneller medizinischer Begleitung.

Was sich Menschen an ihrem Lebensende wünschen? „Gesunde Menschen haben andere, größere Wünsche als kranke“, sagt Stojanovic. Etwa einmal an den Nordpol reisen oder den Dalai Lama treffen.
Bei schwerkranken oder sogar sterbenden Patienten ist das letzte Anliegen eher einfach. Meist gehe es darum, geliebte Menschen, Tiere oder Plätze ein letztes Mal zu sehen: „Der Lieblingsplatz am See, den man mit seinem Partner oft geteilt hat. Die schlichte Teilnahme am Begräbnis eines geliebten Menschen. Oder der Stopp an einem Ort, an dem man in glücklicheren Zeiten auf dem Weg in die Ferien regelmäßig angehalten hat“, erzählt das Paar.
Mit der Wunschambulanz direkt in den Elefantenstall
Eine sterbenskranke Patientin, die mit der Wunschambulanz unterwegs war, ist Katharina Abrach. Die 71-jährige Schweizerin ist „multimorbid“. Das heißt, sie leidet an mindestens drei chronischen Krankheiten, darunter COPD, eine unheilbare Lungenkrankheit, die ihre Atemwege verengt. Viel Zeit bleibt ihr nicht mehr.

Bevor sie stirbt, möchte Abrach noch ein letztes Mal einen Elefanten sehen. „Sie sind einfach meine Seelentiere“, sagt die 71-Jährige. Früher reiste sie häufig nach Kenia und Zimbabwe, beobachtete dort Elefanten beim Schwimmen und beim Schlafen.
Mit Unterstützung von Knies Kinderzoo in Rapperswil (Kanton St. Gallen) organisierten Stojanovic und Sabovic eine persönliche Begegnung für Abrach mit einem Elefanten. Der Zoo arbeitet bei solchen Anfragen ausschließlich mit professionellen Organisationen zusammen. Drei ehrenamtliche Helfer des Vereins holen Abrach mit einer Spezialambulanz von ihrer Wohnung ab, darunter sind auch die beiden Vereinsgründer.
„Für mich ist das so ein Riesengeschenk“
In Knies Kinderzoo angekommen, rollt die Wunschambulanz langsam in einen riesigen Stall. Hinter überdimensionalen Gitterstäben, durch die Menschen leicht hindurchschlüpfen können, steht ein 3500 Kilo schwerer Elefant. „Nein, das darf nicht wahr sein“, sagt Abrach und hält sich staunend die Hand vor den Mund.
Behutsam zieht Sabovic das Sanitätsbett, auf dem Abrach liegt, aus dem Heck des Fahrzeugs. Das Stalltor öffnet sich, und der Elefant trottet gemächlich an die 71-Jährige heran. „Ui, du Schöne“, ruft sie überwältigt.
„Das ist Ceylon, sie ist 54 und damit auch in einem fortgeschrittenen Alter“, erklärt Sven Fässler lächelnd. Ginge es nach Abrach, würde sie am liebsten im Elefantenstall übernachten oder Ceylon mit nach Hause nehmen. „Für mich ist das so ein Riesengeschenk, viel schöner, als ich es mir vorgestellt habe. Danke vielmals“, sagt die 71-Jährige.

Bürokratische Hindernisse
Auch aufgrund solcher emotionalen Erlebnisse haben Stojanovic und Sabovic eine Vision von länderübergreifenden Wünscherfüllungen entworfen. Sie wollen ihr Angebot auf den gesamten Bodenseeraum ausweiten. „Egal, ob jemand aus Konstanz, Bregenz, St. Gallen oder Friedrichshafen kommt – Wünsche sollen künftig unabhängig von Ländergrenzen erfüllt werden können“, sagt die Büsingerin.
Realisiert werden sollen die Fahrten mit speziell ausgestatteten Rettungsfahrzeugen („Wunschmobile“), die in Büsingen stationiert werden. Wie die Wunschambulanz in der Schweiz sollen auch die Wunschmobile Bodensee vom freiwilligen Engagement medizinisch qualifizierter Fachpersonen getragen werden.
Doch freiwillige Unterstützer dürfen sich nach aktueller Gesetzeslage in ihrer Freizeit nicht ohne weiteres im benachbarten Ausland engagieren. „In jedem Land gibt es eigene gesetzlichen Anforderungen in Bezug auf Ehrenamt, medizinische Transporte, das Spendenwesen und die Fahrzeugzulassung“, sagt Sabovic.

Daher laden die Initiatoren die Bevölkerung, regionale Institutionen und Unternehmen ein, die Wunschmobile Bodensee mitzutragen. Besonders willkommen sind Gesundheitsinstitutionen aus dem Bodenseeraum. „Spitäler, Pflege- und Rettungsdienste könnten interessierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen kleinen Teil bezahlter Arbeitszeit für die Begleitung von Wunschfahrten zur Verfügung stellen“, sagt Stojanovic, die sich selbst seit vielen Jahren ehrenamtlich bei den Wunscherfüllungen engagiert und hauptberuflich als Krankenschwester im Spital Schaffhausen arbeitet.
Für die Mitarbeitenden hätte das den Vorteil, dass ihr Engagement nicht in der knappen Freizeit geleistet werden müsste, sondern als Teil ihrer regulären Arbeit anerkannt wird. „Die Institutionen wiederum würden sich als attraktive Arbeitgeber positionieren und die Motivation und den Teamgeist in ihrer Belegschaft stärken“, erklärt die 53-Jährige.

Erste Fahrzeuge und ein Büro in Büsingen sind bereits vorhanden. Die Kosten für den laufenden Betrieb sollen durch Partnerschaften mit regionalen Unternehmen, Spenden, Stiftungen und Förderprogramme gedeckt werden. Das Paar hofft, im Frühling 2026 die ersten Wunschfahrten in Baden-Württemberg durchführen zu können. Später sollen auch der bayerische und österreichische Bodenseeraum sowie Liechtenstein hinzukommen. Schon jetzt suchen sie ehrenamtliche Pflegefachkräfte, Rettungssanitäter und Berufsfahrer.
„Wir wollen die Kraft sein, die Wünsche in Erinnerungen verwandelt und schwerkranken Menschen ein Stück Normalität, Freude und Würde zurückgibt“, sagt Nataša Stojanovic und hofft auf viele Unterstützerinnen und Unterstützer für die Wunschmobile Bodensee.
Kontakt zu Wunschmobile Bodensee per E-Mail via natasastojanovic.wumoEU@gmail.com sowie telefonisch unter 0151 19 194 194.