Die beiden Blöcke des Schweizer Kernkraftwerks Beznau (KKB) in Döttingen sind seit 1969 respektive 1971 in Betrieb. „Wir gehen von einer Betriebszeit von rund 60 Jahren aus“, sagte ein Axpo-Sprecher noch im vergangenen September. Das würde bedeuten, dass die Reaktoren 2029 respektive 2031 abgestellt werden. So oder so ähnlich hat sich die Axpo in den vergangenen Jahren immer wieder zum Thema Laufzeit geäußert. Es hieß auch schon, dass das AKW Beznau um 2030 definitiv stillgelegt werde.
Was der Aargauer Regierungsrat sagt
Nun lässt ein Satz des Aargauer Regierungsrats aufhorchen. Er steht in der Botschaft zum Richtplaneintrag auf Stufe Festsetzung des geplanten Holzheizwerks in Döttingen. „Es wird damit gerechnet, dass das KKB in rund zehn bis 15 Jahren außer Betrieb genommen wird“, schreibt der Regierungsrat. Das bedeutet: Das AKW Beznau würde bis 2033, ja vielleicht sogar bis 2038 weiterbetrieben. Ein deutlicher Unterschied zur definitiven Stilllegung „um 2030“.
Das soll mit dem Fernwärmenetz geschehen
Die Regionale Fernwärme (Refuna) betreibt ihr Fernwärmenetz mit Abwärme aus dem Kernkraftwerk Beznau schon seit 37 Jahren. Die rund 2700 Kunden stammen aus elf Gemeinden in der Region. Zu ihnen gehört das Paul-Scherrer-Institut (PSI) in Villigen. Wird das Kernkraftwerk Beznau abgestellt, braucht die Refuna eine andere Wärmequelle, um all ihre Kunden zu versorgen.
Ihre Büros befinden sich in einem KKB-Gebäude auf der Beznau-Insel. Die Refuna bildet beim Holzheizwerk ein Konsortium mit der Axpo Power AG, einem Tochterunternehmen des Stromkonzerns. Auf ihr Ersuchen hat der Gemeinderat Döttingen den Richtplaneintrag beantragt.
Woher der Regierungsrat die Aussage hat
Im Mai 2022 lag der Planungsbericht der Axpo zum Holzheizwerk öffentlich auf. Jener Satz des Regierungsrats findet sich auch dort: „Es wird damit gerechnet, dass das KKB in rund zehn bis 15 Jahren außer Betrieb genommen wird.“ Der Aargauer Regierungsrat hat ihn also von der Axpo eins zu eins übernommen.
Das sagt Betreiber Axpo zur Laufzeit
Ist nun aus Sicht der Axpo eine längere Laufzeit denkbar? „Die Schweiz kennt keine Laufzeitbeschränkung für bestehende Kernkraftwerke. Axpo betreibt ihre Werke, solange sie sicher und wirtschaftlich sind“, antwortet Sprecher Noël Graber. Ein Datum für die Außerbetriebnahme für die beiden Beznau-Blöcke habe die Axpo bisher nicht festgelegt. Planungsgrundlage seien 60 Jahre Leistungsbetrieb.
So machen es Frankreich und die USA
Nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs vor einem Jahr und den Befürchtungen um eine Strommangellage erhielt die Diskussion um längere AKW-Laufzeiten neue Nahrung. Mittlerweile haben sechs Reaktoren in den USA eine Betriebsgenehmigung für bis zu 80 Jahre erhalten. Auch der französische Energieversorger Electricité de France (EDF) hält 80 Jahre für denkbar, wie Medien vor mehreren Wochen berichteten. Frankreich überprüft nun mit Studien, ob 80 Jahre möglich sind. Der nationale Atomrat, einberufen von Präsident Emmanuel Macron, hieß Anfang Februar die Aufnahme entsprechender Studien gut.
Keine eigenen Studien oder Untersuchungen
Was sagt die Axpo zu dieser Entwicklung? „Selbstverständlich beobachten wir das Kernenergie-Umfeld sehr genau und verfolgen die Diskussionen um Laufzeitverlängerungen bestehender Kernkraftwerke“, antwortet Graber. Axpo habe aber bisher keine eigenen Studien oder Untersuchungen in Auftrag gegeben, verneint er die entsprechende Frage.
Vergleiche können kaum gezogen werden
Sind die Reaktoren in den USA mit den zwei Blöcken des KKB vergleichbar? Graber: „Die betroffenen Anlagen gehören zu den Anlagen der zweiten Generation. Im Vergleich zu den USA müssen in der Schweiz die Anlagen auf den Stand der Technik nachgerüstet werden, sodass zum Beispiel das Kernkraftwerk Beznau zur stark nachgerüsteten Generation 2 gehört. Wir kennen die erwähnten Anlagen nicht im Detail und können deshalb auch keine vergleichenden Aussagen machen.“
Dieses Ziel verfolgt Axpo
So oder so: Die Planungsarbeiten für die Stilllegung des AKW Beznau laufen weiter. „Axpo startete diese deutlich vor 2017“, sagt Graber. Die Axpo verfolge das Ziel, sich frühzeitig und mit genügend Vorlauf auf das Stilllegungsverfahren vorzubereiten und die dafür notwendigen technischen und planerischen Grundlagen zu erarbeiten. Der Rückbau wird ab der Außerbetriebnahme rund 15 Jahre dauern. Aktuell gibt es im KKB rund 480 Vollzeitstellen.
Der Autor ist Redakteur der „Aargauer Zeitung“. Dort ist dieser Beitrag auch zuerst erschienen.