„Atmen, Epstein, Atmen!“ Mit diesen Rufen hätten Wärter am vergangenen Samstagmorgen gegen 6.30 Uhr versucht, den 66-jährigen Milliardär und mutmaßlichen Sex-Verbrecher Jeffrey Epstein in seiner New Yorker Zelle wiederzubeleben, so der US-Sender CBS. Doch Epstein konnte nicht mehr atmen, er war längst tot. Angeblich hatte er sich selbst durch ein Bettlaken stranguliert, das man ihm unerklärlicherweise überlassen hatte. Ob sich jene Wärter, die während der Nachtschicht eingenickt sein sollen, ihn deshalb mindestens drei Stunden lang nicht beobachtet hätten und später Aufzeichnungen gefälscht haben sollen, am Leichnam Epsteins zu Schaffen machten, ist nicht bekannt.

Wurden die Wärter bestochen?

Dieser Tsunami an ungeklärten Fragen ist es, der einen fruchtbaren Boden für jene bildet, die die Suizid-Theorie nicht akzeptieren wollen. Zu den Zweiflern zählen mittlerweile auch Anwälte der überwiegend zur Tatzeit minderjährigen Opfer Epsteins. Das FBI müsse nun auch das Privatleben der Wärter und des Gefängnis-Direktors unter die Lupe nehmen, forderte Spencer Kuvin, der drei Frauen juristisch vertritt.

Trotz des Todes des mutmaßlichen Sex-Verbrechers Jeffrey Epstein wird gegen vier Helfershelfer des Milliardärs weiter ermittelt.
Trotz des Todes des mutmaßlichen Sex-Verbrechers Jeffrey Epstein wird gegen vier Helfershelfer des Milliardärs weiter ermittelt. | Bild: dpa

Und es würde ihn nicht überraschen, wenn man auf einem Auslandskonto einer dieser Personen eine hohe Geldsumme finden würde. Unterstellt wird also hier öffentlich, dass Staatsbeamte sich bestechen ließen, um entweder dem als gefährdet geltenden Epstein die Selbsttötung zu ermöglichen. Oder um einer anderen Person einen Anschlag zu erlauben.

Gebrochene Halsknochen als Hinweis auf Mord

Die Washington Post berichtete unter Berufung auf Insider, die Obduktion habe mehrere gebrochene Halsknochen ergeben – unter anderem nahe des Adamsapfels Epsteins. Diese Brüche könnten bei einem Erhängen vorkommen, seien aber noch häufiger bei Mordopfern zu finden, die erwürgt worden seien, so das Blatt.

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Ex-Präsident Bill Clinton und Großbritanniens Prinz Andrew im Fokus

Die kursierenden Mord-Theorien ranken sich mittlerweile vor allem um zwei Figuren: Ex-Präsident Bill Clinton und Großbritanniens Prinz Andrew. Und selbst prominente Demokraten zweifeln mittlerweile die Selbstmord-Erklärung an. Auch New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio, ein Präsidentschafts-Kandidat der Demokraten. Er formulierte, die Suizid-Theorie sei „allzu bequem“ – denn Epstein habe Informationen über einige der mächtigsten Männer des Landes gehabt. Darunter von Bill Clinton. Aufzeichnungen zufolge war er mindestens 26 mal in der als „Lolita-Express“ bezeichneten Privat-Boeing Epsteins unterwegs. Die Erklärung der Clintons, dies seien „Dienstreisen“ im Auftrag der Clinton-Stiftung gewesen, mag in den USA kaum jemand glauben.

Großbritanniens Prinz Andrew im Jahr 2001 neben der damals 17-Jährigen Virginia Roberts im Londoner Haus von Epsteins Vertrauten ...
Großbritanniens Prinz Andrew im Jahr 2001 neben der damals 17-Jährigen Virginia Roberts im Londoner Haus von Epsteins Vertrauten Ghislaine Maxwell (rechts). | Bild: US Second Circuit Court

Königshaus könnte stark unter Erklärungsdruck geraten

Mit dem Tod Epsteins enden nicht die Ermittlungen gegen mindestens vier Helfershelfer des Milliardärs. Gerade das britische Königshaus könnte noch stärker als bisher unter Erklärungsdruck geraten. Denn bisher hat Prinz Andrew, den aus seiner Jugend der Begriff „Randy Andy„ (“der geile Andy„) bis heute begleitet hat, nicht plausibel ein belastendes Foto von 2001 erklärt. Es zeigt, wie der Prinz seinen Arm um den kleidungsfreien Bauchbereich der damals 17-jährigen Virginia Roberts gelegt hat, die heute über ihre Anwälte den Nachlass Epsteins verklagt.

Ominöses Treffen in London

Das in US-Gerichtsakten befindliche Foto wurde im Londoner Haus der engen Epstein-Freundin Ghislaine Maxwell aufgenommen, die als jüngste Tochter des 1991 verstorbenen britischen Medien-Moguls Robert Maxwell ebenfalls auf der Aufnahme zu sehen ist und Zeugenaussagen zufolge Epstein und dessen Freunden als „Madame“ möglichst attraktive junge Mädchen zuzuführen hatte. Was trug sich also an dem Tag zu, an dem das so belastende Foto entstand?

Stacheldraht hängt an der Haftanstalt Metropolitan Correctional Center in Lower Manhattan, New York, in der sich der Milliardär Epstein ...
Stacheldraht hängt an der Haftanstalt Metropolitan Correctional Center in Lower Manhattan, New York, in der sich der Milliardär Epstein mutmaßlich das Leben nahm. | Bild: Emily Michot, dpa

Nach dem Tod Epsteins können einige aufatmen

Welche Beziehung hatte der Prinz zu Virginia? Warum legte er den Arm in einer Art und Weise um das Mädchen, wie es sonst nur Paare tun? Nach amerikanischem Recht hätte Prinz Andrew, ist es tatsächlich wie von Virginia behauptet zu von Epstein bezahlten sexuellen Kontakten gekommen, eine Straftat begangen – denn das mutmaßliche Opfer war eine minderjährige US-Staatsbürgerin. Aufklärung zu diesen brisanten Fragen hätte auch Epstein bringen können, hätte er sich zur strafmildernden Kooperation mit den Ermittlern bereit erklärt. Doch diese Option gibt es seit Samstag nicht mehr. Und nicht nur der 59-jährige Andrew und das Königshaus in London, die bisher ein Fehlverhalten dementiert hatten, können aufatmen.