Sebastian Küster und St. Galler Tagblatt

Es ist mitten in der Nacht auf der Autobahn 7 in der Schweiz bei Frauenfeld. Die Polizei geht auf die Jagd nach Rasern. Ein mobiler Blitzer überwacht vorbeifahrende Autos. Zulässige Geschwindigkeit: 120 Kilometer pro Stunde. Ein im Umland von Basel lebender Deutscher brettert am vergangenen Sonntag um 0.15 Uhr mit 249 Kilometern pro Stunde an der Ausfahrt Frauenfeld-West vorbei. Die Falle schlägt zu. Nach Abzug der Sicherheitsmarge, was dem deutschen Toleranzabzug entspricht, überschreitet er die erlaubte Höchstgeschwindigkeit um 122 Stundenkilometer.

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Die Polizei zieht den Raser umgehend aus dem Verkehr und führt eine Alkoholkontrolle durch. Das Ergebnis ist negativ. Auf eine Blut- und Urinprobe verzichtet die Staatsanwaltschaft. Weil Rasen in der Schweiz eine Straftat ist, wird der 34-Jährige verhaftet. Er macht mit seinem Anwalt eine Aussage bei der Polizei. Ein Gerichtsverfahren droht. Kurz darauf ist er wieder auf freiem Fuß. Der Führerschein bleibt eingezogen. Was in Deutschland undenkbar wäre, wird bei den Eidgenossen Realität: Das Auto des Rasers wird von der Staatsanwaltschaft auf unbestimmte Zeit konfisziert.

Fahrt ist rekordverdächtig

"Das ist die übliche Vorgehensweise, wenn wir einen Raser erwischen. Der Fall war aber schon extrem", sagt Matthias Graf von der Kantonspolizei Thurgau auf Nachfrage des SÜDKURIER. Es könne durchaus sein, dass der 34-Jährige mit der höchsten Geschwindigkeit auf der Autobahn 7 unterwegs war, die jemals von der Polizei gemessen wurde.

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Ein Rekord, über den sich der Fahrer wohl nicht freuen kann. Nach Artikel 90 des Straßenverkehrsgesetzes drohen bei einer derartigen Geschwindigkeitsüberschreitung bei den Eidgenossen ein bis vier Jahre Haft. Dass er sich möglicherweise nicht mit den Geschwindigkeitsbegrenzungen in der Schweiz auskennt, lässt Graf nicht gelten: "Der Fahrer ist seit mehreren Jahren im Besitz des Schweizer Führerausweises", sagt er. Außerdem schütze auch Unwissenheit nicht vor Strafe.

Auto wurde von der Polizei konfisziert

Laut dem Medienchef der Kantonspolizei Thurgau war der Mann mit seinem hochmotorisierten Seat Leon ST Cupra südlich des Bodensees in Richtung Deutschland unterwegs. Der Seat des Rasers steht seit der Verkehrskontrolle bei der Polizei. Was mit dem Auto jetzt passiert ist unklar. Laut Matthias Graf wartet die Staatsanwaltschaft das Urteil des Gerichts ab, um dann festzulegen, wie lang das Auto konfisziert bleibt.

Bild 1: Geblitzt mit 249 Stundenkilometern: Welche Strafen dem Schweizer Raser nun drohen

In der nächsten Zeit wird der Mann aber sowieso nicht hinter einem Steuer sitzen, denn: "Der Führerschein wurde eingezogen. Über die Dauer entscheidet nicht die Polizei oder das Gericht, sondern das Straßenverkehrsamt", sagt Graf. Das orientiert sich meistens am Strafmaß des Gerichts. Je höher die Strafe für den Angeklagten ausfällt, desto länger muss der Mann auf seinen Führerschein warten. "In den meisten Fällen sind das zwei Jahre", so Graf. Ob die Zeit bereits ab der Verkehrskontrolle oder erst ab dem Gerichtsurteil gilt, konnte Graf nicht mit Sicherheit sagen.

Schnelle Autos verleiten zum Rasen

Doch was verleitet einen Autofahrer so schnell zu fahren, obwohl die Strafen in der Schweiz so streng sind? Joachim Kohler, Verkehrs- und Neuropsychologe, macht neben dem Fahrer auch Autos mit straken Motoren für überhöhte Geschwindigkeiten mitverantwortlich: "Es verleitet grundsätzlich stärker dazu, manchmal schneller zu fahren, genauso wie eine lange, gerade Straße ohne Verkehr." Ob jemand in der Schweiz 50 oder sogar 100 Kilometer pro Stunde über der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 120 Kilometer pro Stunde fahre, spiele aus psychologischer Sicht keine Rolle, sagt Kohler. In beiden Fällen sei es eine bewusste Missachtung der Regeln und Gesetze in der Schweiz.

Psychologe warnt vor Selbstüberschätzung

Aus neuropsychologischer Sicht sei laut Joachim Kohler das Autofahren grundsätzlich ein dynamisches Wechselspiel zwischen Routineverhalten und bewussten Entscheidungsprozessen: "Wenn jemand während einer längeren Autobahnfahrt in der Nacht gedanklich mit etwas anderem beschäftigt oder müde ist, dann befindet er sich in einer Art Blindflugmodus." Dann laufe im Hirn ein gesteuertes Routineverhalten ab, wobei Erfahrungen aus dem Straßenverkehr eine große Rolle spielen. Man konzentriere sich nicht mehr vollständig auf den Straßenverkehr. Eine mögliche Folge der gedanklichen Abschweifung: "Ist jemand für gewöhnlich eher schnell unterwegs, dann wird er sich in so einem Stadium ebenfalls so verhalten", sagt Kohler.