Herr Kaltenbach, ist die Fasnet ein Fall fürs Museum?

Sicherlich nicht. Die Museen gibt es zu Recht – von uns steht auch eine Häsgruppe im Narrenschopf in Bad Dürrheim. Aber ein Fall fürs Museum ist die Fasnacht trotzdem nicht. Die Teilnehmerzahl der Narren bei uns in Konstanz, zum Beispiel, ist ja gewaltig. Die Fasnacht ist höchst lebendig! Kaputt macht man sie, wenn man sie beliebig macht: Wenn man sein Häs auch auf einer Motto-Party im Juli trägt, zum Beispiel. Dagegen verwehren wir uns.

Andreas Kaltenbach, Zunftmeister der Blätzlebuebe. (Archiv)
Andreas Kaltenbach, Zunftmeister der Blätzlebuebe. (Archiv) | Bild: Rau, Jörg-Peter

Wie halten Sie es mit dem Entlarven?

Bei uns trägt nur der Bolizeiblätz eine Larve, alle anderen tragen eine Haube, aber damit ist man auch vermummt – ein schönes Gefühl! Wenn Sie die Haube anhaben, erkennt Sie niemand mehr. Beim Umzug ist die Haube Pflicht. Und wer keine schwarzen Schuhe und weißen Handschuhe trägt, darf sich den Umzug von außen anschauen. Organisierte Narren sind sehr diszipliniert.

Gibt es bei Ihnen auch so strenge Vorschriften wie in Rottweil – wo sie aber auch nicht mehr eingehalten werden?

Nein, das können wir uns nicht leisten. Unsere Narren dürfen auch bei anderen Umzügen dabei sein und sogar ihr Häs verkaufen. Der Witz ist, dass diese Zünfte – Rottweil, Oberndorf, Überlingen und Elzach – die VSAN 1953 verlassen haben, weil sie gesagt haben: Ihr seid uns zu weltoffen.

Wie offen sind Sie denn für Neuerungen?

Wir hören da sehr gut zu und sind sehr offen. Die Jugend hat ganz eigene Gelegenheiten, wo sie sich verwirklichen kann. Im vergangenen Jahr haben unsere Jungen eine Party im Schnetztor organisiert. Da zuckt man als Verantwortlicher schon erst mal zusammen. Aber sie haben das toll gemacht. Wir sind insgesamt weit weniger engstirnig als die vermeintliche Fastnachts-Aristokratie. Wir gehen das eher pragmatisch an. Der Zeitgeist hat bei uns auch seinen Platz – trotzdem bleiben wir ein Brauchtumsverein. Wir gehören zum immateriellen Kulturerbe. Feste Regeln gehören dazu; sonst ist auch unsere Fastnacht nicht mehr zu organisieren.

Seit einigen Jahren ist die Schwäbisch-Alemannische Fastnacht immaterielles Kulturerbe. Schränkt das auch ein?

Im Gegenteil. Der Kulturerbestatus bedeutet eine Festigung des Brauchtums. Die Fastnacht war schon etliche Male verboten im Laufe ihrer Geschichte. Jetzt hat sie definitiv einen Status erreicht, bei dem man uns nicht mehr von der Platte putzen kann. Mittelfristig wollen wir deshalb auch Weltkulturerbe werden, gemeinsam mit dem Kölner Karneval. Vor diesem Hintergrund können wir auch gegenüber Behörden anders auftreten. Gerade sind wir dabei, mit dem Innenministerium über die Sicherheitsauflagen zu verhandeln: Wir sollen Absperrungen mit eigenen Zunftmitgliedern versehen, während reiche Fußballvereine nichts für Sicherheitsmaßnahmen bezahlen. Wir sind der Meinung: Das kann man mit einem schützenswerten Kulturerbe nicht machen.