Martin Weber

Frau Marjan, die Lindenstraße geht nach gut 34 Jahren zu Ende, Sie waren von Anfang an als Mutter Beimer dabei. Sind Sie traurig?

Ja natürlich, die Lindenstraße ist ein großer Teil meines Lebens. 34 Jahre sind eine lange Zeit. Die Serie ist mir in all den Jahren ans Herz gewachsen.

Wie war es am Set, nachdem die letzte Folge im Dezember abgedreht war?

Die war unglaublich emotional, so etwas habe ich überhaupt noch nicht erlebt. Nachdem ich meine letzte Szene, mit Irene Fischer, gedreht hatte, war das ganze Studio voller Menschen, alle haben pausenlos applaudiert. Da wurde mir erst bewusst, dass es vorbei ist, und natürlich flossen auch die Tränen. Die Produzenten Hans Geißendörfer und Hana Geißendörfer (seine Tochter, d. Red.) haben in den letzten Drehwochen mehr als 30 Schauspieler persönlich verabschiedet und jeden mit einer kleinen Rede gewürdigt, die Damen bekamen Blumen, die Herren Champagner. Das war schon ein Abschiedsmarathon, alles war sehr berührend.

Haben Sie auch ein paar Worte gesagt?

Ja, ich habe auch eine kleine Rede gehalten, gefühlte 20 Minuten lang (lacht). Damit es nicht ganz so traurig wird, habe ich auch ein paar lustige Anekdoten eingestreut.

Lindenstraße, Folge 846 „Das Tuch“: Helga (Marie-Luise Marjan, links) hat einen weiteren geheimnisvollen Brief erhalten ...
Lindenstraße, Folge 846 „Das Tuch“: Helga (Marie-Luise Marjan, links) hat einen weiteren geheimnisvollen Brief erhalten – was natürlich Elses (Annemarie Wendl) Neugier weckt. | Bild: WDR/Eckbert Reinhardt

Waren Sie überrascht, als Sie im vergangenen Jahr vom Ende der Lindenstraße erfahren haben?

Ich war zu dem Zeitpunkt mit meiner Kollegin Andrea Spatzek bei einem Eagles-Wohltätigkeits-Golfturnier in Spanien…

Sie spielen Golf?

Ja, ab und an, ich mache gelegentlich Schnupperkurse. Für die Eagles greife ich gerne zum Golfschläger.

Und bei diesem Turnier haben Sie dann vom Aus der Lindenstraße erfahren?

Genau, eine Dame sprach mich an und sagte mir, dass die Lindenstraße abgesetzt ist, ich konnte es zuerst überhaupt nicht fassen. Kurz darauf rief mich Produzent Hans Geißendörfer an und teilte mir mit, dass die ARD beschlossen habe, die Lindenstraße nicht weiter fortzusetzen.

Waren Sie sauer, dass das so beschlossen wurde?

Nein, sauer war ich nicht, ich habe es einfach nicht verstanden, dass die Lindenstraße abgesetzt werden soll. Die Akzeptanz für die Serie ist in der Bevölkerung nach wie vor sehr hoch. Klar, die Einschaltquoten waren nicht mehr dieselben wie noch vor 20 oder 30 Jahren, aber das hängt ja auch damit zusammen, dass es heute im Vergleich zu früher viel mehr Sender und Programme gibt. Außerdem hat sich das Zuschauerverhalten total geändert. Viele Leute schauen heutzutage doch auf dem Tablet oder auf ihrem Smartphone die Lindenstraße, und die werden von der Quotenzählung gar nicht erfasst.

Der Serie wurde oft der Vorwurf gemacht, sie sei ein bisschen angestaubt.

Diesen Vorwurf kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Die Lindenstraße ist gerade in der letzten Zeit erheblich moderner geworden, etwa mit einem schnelleren Erzähltempo, schnelleren Schnitten und einer anderen Kameraführung. Und die Themen sind aktueller denn je. Dafür zeichnet Hana Geißendörfer verantwortlich, die ja die Serie vor ein paar Jahren als Produzentin übernommen hat.

Sie sind an Bord geblieben und waren ja auch immer das Gesicht der Lindenstraße. Hätten Sie damals, vor mehr als 30 Jahren, gedacht, dass das so eine große Sache werden wird?

Nein, das hat niemand von uns geahnt. Wir haben damals gedacht, wenn wir das erste Jahr überstehen, sind wir gut dran. Meine Kollegin Ruth Maria Kubitschek hat mir damals aber gesagt, wenn eine Serie auf mehr als 30 Folgen kommt, dann hat das Publikum sie angenommen und die Serie läuft länger. Heutzutage haben die Sender ja überhaupt keine Geduld mehr mit neuen Serien, wenn sie nicht sofort einschlagen, werden sie abgesetzt.

Hatten Sie in all den Jahren auch mal den Drang, was anderes als die Lindenstraße zu machen?

Ja, hatte ich, ich habe zum Beispiel die ZDF-Reihe „Kein Rezept für die Liebe“ und auch andere Sachen gedreht, bei RTL war ich einmal eine Art Miss Marple in dem Film „Immer wenn sie Krimis liest!“. Und ich liebte meine Pfarrerin in dem Film „Dem Himmel sei Dank“.

Exakt 27 Jahre liegen zwischen diesen beiden Fotos: Helga (Marie-Luise Marjan) und Klaus (Moritz A. Sachs) Beimer beim weihnachtlichen ...
Exakt 27 Jahre liegen zwischen diesen beiden Fotos: Helga (Marie-Luise Marjan) und Klaus (Moritz A. Sachs) Beimer beim weihnachtlichen Plätzchenbacken in der Küche Beimer. Das linke Bild ist ein Original-Szenenfoto und stammt aus Folge 4 der „Lindenstraße“ (Titel: „Frohes Fest“, Sendung am 29.12.1985). Mitte Dezember 2012 fanden sich die beiden erneut zum Plätzchenbacken ein. | Bild: WDR/Steven Mahner

Aber in erster Linie waren Sie immer Mutter Beimer.

Damit hatte ich nie ein Problem. Im Gegenteil: Ich habe die Helga Beimer immer gern gespielt. Es gab nie eine Phase, in der ich hinschmeißen wollte.

Was sind Ihre schönsten Erinnerungen an Helga?

Sie hatte es oft schwer, und die eher traurigen Szenen waren immer eine ganz besondere Herausforderung für mich als Schauspielerin. Noch schwieriger aber war es, den Alltag glaubwürdig zu spielen. Die ganz normalen alltäglichen Szenen mit Leben zu füllen und spannend zu machen.

Sie haben viele Spiegeleier gebraten...

Stimmt, immer wenn Helga Probleme hatte, hat sie ein Spiegelei in die Pfanne gehauen. Dann hat sie sich hingesetzt und das ganz langsam und genüsslich gegessen – das war das Zeichen dafür, dass sie mit einem Problem fertig werden musste, und erfahrene Lindenstraßen-Zuschauer haben das auch erkannt. Die wussten schon Bescheid, wenn Helga nur die Bratpfanne aus dem Schrank holte (lacht).

Lindenstraße, Folge 771 „Kabale und Liebe“: Maja (Christine Stienemeier, links) tröstet Helga (Marie-Luise Marjan), die aus ...
Lindenstraße, Folge 771 „Kabale und Liebe“: Maja (Christine Stienemeier, links) tröstet Helga (Marie-Luise Marjan), die aus Frust über Erich wieder Spiegeleier brät. | Bild: WDR/Thomas Kost

Wie läuft es denn für Helga Beimer in der letzten Folge der Lindenstraße?

Das darf ich nicht verraten und das will ich auch nicht, denn damit würde ich ja jedem die Spannung nehmen.

Und wie geht es mit Ihnen weiter, ist jetzt Ruhestand angesagt?

Auf keinen Fall, ich habe noch ganz viel vor (lacht).