Anahita Rehbein aus dem kleinen Inzigkofen bei Sigmaringen wird ihre Krone am heutigen Samstagabend wieder abgeben, an eine der 16 Kandidatinnen, die wie einst sie über den Laufsteg des Europa-Parks schreiten werden. Dann gibt es eine neue Miss Germany. Zwar beneidet sie die Kolleginnen um den großen Auftritt, trotzdem ist sie froh, dass ihre Amtszeit zu Ende geht. „Klar war es eine tolle Erfahrung. Aber es ist nicht das, was dich im Leben weiterbringt.“

Rehbein wurde im Februar 2018 gekrönt. Da war die Debatte, die in Hollywood ihren Anfang nahm und weltweit Wellen schlug, gerade auf dem Höhepunkt. Schauspielerinnen warfen dem Filmproduzenten Harvey Weinstein vor, sie sexuell belästigt, ja vergewaltigt zu haben. Es entstand eine Bewegung, die viele unangenehme Fragen stellte. Auch, ob Schönheitswettbewerbe, bei denen Frauen sich in Badeanzügen bewerten lassen, noch in die Zeit passen.
Auftritt in Badeanzug ist abgeschafft
Das mit dem Badeanzug-Auftritten gehört nun der Vergangenheit an. Am heutigen Samstag präsentieren sich die Frauen im Europa-Park erstmals ausschließlich in Abendgarderobe. Zuvor haben schon die Organisatoren der Miss-America-Wahl entschieden, dass der Auftritt in Bademode wegfällt – wegen #MeToo. Anders als in den USA sei in Deutschland die Diskussion um den Badeanzug nicht erst durch die #MeToo-Debatte aufgekommen. Das sagt jedenfalls Max Klemmer. „Wir haben bestimmt schon seit fünf Jahren darüber gesprochen.“ Mit 24 Jahren ist er der Sprössling der Miss Germany Corporation, die sein Großvater Horst Klemmer Anfang der 1970er gründete. Trotzdem schreckt sein Enkel nicht davor zurück, das Familienunternehmen mit Vater Ralf umzukrempeln. Aber langsam, Schritt für Schritt, wie er sagt.
Model-Ideale sind nicht mehr Pflicht
Doch ist so eine Miss-Wahl überhaupt noch zeitgemäß? Dirk Schulz glaubt, dass #MeToo auf die Wettbewerbe abgefärbt hat, dass diese sich wegen des gesellschaftlichen Drucks wandeln, zumindest versuchen, zu kaschieren. Er beschäftigt sich an der Universität Köln mit Geschlechterforschung. Doch laut Schulz passen die Wettbewerbe trotzdem nicht in unsere Zeit. „Persönlichkeiten zu zeigen, ist eine tolle Sache. Aber warum sollten sie in Konkurrenz zueinander stehen?“
Welche Konfektionsgröße soll es sein?
Auch bei den Vorschriften hat sich der Wettbewerb verändert. Heute müssen die Kandidatinnen keinem Model-Ideal mehr entsprechen. „Wir schreiben die Kilos nicht vor“, sagt Horst Klemmer. Aber? „Man kann da kein Mädchen hinstellen, das 90 Kilo wiegt und 1,60 Meter groß ist.“ Warum? Kann eine Frau, die kräftig ist, nicht auch schön sein? „Sarina Nowak beispielsweise“, sagt Anahita Rehbein, weit weg von Horst Klemmer, sowohl räumlich als auch gedanklich. „80 Kilo, macht viel Sport, hat eine Bombenausstrahlung, die kann doch genauso Miss Germany werden.“

Also doch eine Miss Germany mit Konfektionsgröße 44? „Unsere Miss Germany soll für einen gesunden Lebensstil stehen“, entgegnet Klemmer. Dann eben eine gesunde Größe 44? „Wir haben auch Kandidatinnen, die größere Kleidergrößen als 38 haben“, räumt er schließlich ein.
Jetzt wird das Studium beendet
Für Anahita Rehbein ist jetzt jedenfalls alles vorbei. Sie will auf jeden Fall ihr Studium der Bildungswissenschaften beenden, das sie auch während ihrer Amtszeit nicht unterbrochen hat. Denn in ihrem Jahr als Schönheitskönigin hat sie vor allem eines gelernt: „Nur weil du Miss Germany geworden bist, hast du nicht sonst was erreicht.“