Sandra Liermann

Vor allem in den Sommermonaten gehören sie zum täglichen Bild unserer Heimat. Massen von Touristen durchwandern den Schwarzwald, strömen durch die engen Gassen von Konstanz oder Villingen oder sorgen für kein Durchkommen an den Uferpromenaden. Egal ob am Bodensee, dem Titisee oder entlang des Hochrheins. Doch im Vergleich zu den Top-Zielen der Touristen-Hochburgen weltweit ist die Situation in unserer Region noch komfortabel.

Mallorca und Venedig im Blickpunkt

Das belegen schon wenige Meldungen, die es in den vergangenen Jahren in die Schlagzeilen schafften: Auf Mallorca bilden einheimische Menschenketten, um die Gemeinde davon abzuhalten, Sonnenliegen, -schirme und eine Strandbar für Touristen aufzustellen. In Venedig hängen Einheimische Plakate mit dem Aufdruck „Tourists, go away!“ (deutsch: „Touristen, geht weg!“) auf und fordern ein Ende des Massentourismus. Teilweise sind Touristen sogar Ziel von Attacken geworden, so etwa in Barcelona: Dort greifen Vermummte einen Reisebus an, sprühen „Tourismus zerstört die Stadtviertel“ auf die Frontscheibe und zerstechen die Reifen.

Die Wut wird größer

Was sind die Gründe für den wachsenden Unmut unter Einheimischen? Sind Touristen, die mit ihren Selfie-Sticks herumfuchteln, überall Wege blockieren, um Instagram-taugliche Fotos zu schießen in den vergangenen Jahren schlicht und ergreifend nerviger geworden?

Für die Inka-Ruinen von Machu Picchu gilt eine Zulassungbeschränkung für Touristen.
Für die Inka-Ruinen von Machu Picchu gilt eine Zulassungbeschränkung für Touristen. | Bild: dpa

„Nein“, sagt Professor Jürgen Schmude, Experte für Tourismuswirtschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität München. „Es sind einfach mehr geworden. In den vergangenen Jahren haben wir ein enormes Wachstum internationaler Reiseströme verzeichnet.“ Und das geht wohl auch vorerst noch so weiter, wenn man Prognosen der Weltorganisation für Tourismus (UNWTO) Glauben schenkt.

Demzufolge werden internationale Ankünfte bis 2030 um weitere 50 Prozent wachsen, von derzeit 1,2 Milliarden pro Jahr auf 1,8 Milliarden. Das Problem dahinter? „Die Zahl der Urlaubsziele wächst nicht im gleichen Maße mit. Touristen werden sich auch zukünftig auf die Urlaubsziele konzentrieren, die es heute schon gibt. Und dann wird es irgendwann eng“, erklärt Schmude. Dafür gibt es in der Forschung ein Fachwort: „Overtourism“. Über-Tourismus, sozusagen.

Die kroatische Küstenstadt Dubrovnik will täglich nur noch 8000 Gäste.
Die kroatische Küstenstadt Dubrovnik will täglich nur noch 8000 Gäste. | Bild: dpa

Die Konsequenz: Zugangsbegrenzungen wie in den Inka-Ruinen von Machu Picchu (Peru), am Taj Mahal (Indien) oder im Nationalpark Cinque Terre (Italien). Beschränkung der Tagesgäste auf 8000 in der kroatischen Stadt Dubrovnik, der Abbau von Übernachtungsmöglichkeiten auf Mallorca, oder die Sperrung ganzer Inseln für Touristen – so geschehen auf der Trauminsel Boracay auf den Philippinen.

Ein Polizist auf der philipinischen Insel Boracay patrouliert entlang des Strandes. Die Insel ist seit April diesen Jahres für sechs ...
Ein Polizist auf der philipinischen Insel Boracay patrouliert entlang des Strandes. Die Insel ist seit April diesen Jahres für sechs Monate wegen massenhafter Umweltschäden für Touristen gesperrt. | Bild: AFP

Der Unmut der Einheimischen richtet sich dabei keineswegs nur gegen Touristen, die sich daneben benehmen. Viel mehr sind es die Begleiterscheinungen, die Einheimische aufbringen – unter anderem ökonomische: Darunter fällt das, was Professor Schmude als „Airbnb-Phänomen“ bezeichnet. Durch Kurzzeitvermietungen an Touristen wird dem Wohnungsmarkt Wohnraum entzogen, wodurch die Mieten steigen. Hinzu kommt eine sogenannte perzeptuelle Dimension: „Das bedeutet, dass das Vorhandensein von so vielen Touristen die Einheimischen stört, aber auch die Touristen selbst.

Da gibt es eine kritische Grenze. Wenn die überschritten wird, wird es zuviel.“ Also eine Obergrenze für Touristen – aber wo liegt diese Grenze? Schmude schmunzelt, diese Frage hat er schon öfter gehört: „Diese Grenze lässt sich nicht beziffern. Eine Stadt wie Dubrovnik in Kroatien kann nicht sagen, 8000 Touristen und dann ist Schluss, dann machen wir zu.“ Denn Overtourism ist kein flächendeckendes Phänomen. „Es tritt zu bestimmten Zeiten an bestimmten Plätzen auf. Das gibt es in München genauso: während der Wiesn. An anderen Orten in München bekommen Sie zur selben Zeit nichts mit von all den Touristen.“