Herr Wetzel, was bleibt einem, wenn man vom Erbe ausgeschlossen wird?
Wenn man von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen wird, dann können Pflichtteilberechtigte den Anspruch auf einen Pflichtteil des Erbes geltend machen. Pflichtteilberechtigt sind die Abkömmlinge des Erblassers, die Eltern, der Ehepartner oder der eingetragene Lebenspartner.
Wie wird der Pflichtteil ermittelt?
Die Höhe des Pflichtteils ist gesetzlich geregelt und steht damit fest. Er beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Wenn etwa ein Vater zwei Töchter hat, er jedoch nur einer Tochter das gesamte Erbe vermacht, so ist die andere automatisch enterbt und hat Anrecht auf den Pflichtteil. Nach der gesetzlichen Erbfolge hätte jede der beiden Töchter die Hälfte bekommen. So beträgt der Pflichtteilsanspruch ein Viertel des Erbes. Der Unterschied zwischen Erbteilsanspruch und Pflichtteilsanspruch kann jedoch gewaltig ausfallen, da der Erbe in die „Fußstapfen“ des Erblassers tritt. Der Pflichtteilberechtigte hingegen hat nur einen Zahlungsanspruch.
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Das heißt konkret?
Wenn die eine Tochter beispielsweise ein Haus im Wert von einer Millionen Euro erbt, hat die Pflichtteilberechtigte Anspruch auf ein Viertel dieses Werts, sprich 250.000 Euro. Jedoch nicht auf einen Teil des Hauses.
Muss ich denn als Erbe den Pflichtteil überhaupt annehmen?
Nein. Um ihn zu bekommen, muss man seinen Anspruch innerhalb von drei Jahren geltend machen. Müssen tut man das aber nicht. Wir sprechen von einem Pflichtteilsrecht, nicht von einer Pflichtteilspflicht.
Hat denn der Erblasser noch zu Lebzeiten Einfluss auf den Pflichtteil, der nach seinem Tod dem Enterbten zusteht?
Nein. Der Pflichtteil ist ein sogenanntes Noterbenrecht. Das heißt, dem Abkömmling steht mindestens der Pflichtteil zu. Damit wird sichergestellt, dass bestimmte Erben nicht komplett vom Nachlass ausgeschlossen werden. Es sei denn, der Erblasser entzieht dem Nachkommen im Testament den Pflichtteil. Dafür braucht es bestimmte Voraussetzungen. Etwa dann, wenn der Abkömmling dem Erblasser oder dessen Ehegatten nach dem Leben trachtet oder sich eines Verbrechens schuldig gemacht hat. Oder wenn er zu mindestens zu einem Jahr Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt ist.
Wie sieht es in der Landwirtschaft aus, wenn es Streit ums Erbe gibt?
Der Nachkomme eines Landwirts kann genauso enterbt werden wie jeder andere auch. Jedoch hat der Pflichtteilberechtigte beim sogenannten Landgut nur eingeschränkte Rechte. Daher kann ein Erbstreit für ihn sehr bitter ausgehen. Normalerweise berechnet sich der Pflichtteilsanspruch grundsätzlich aus dem Verkehrswert, also dem aktuellen Geldwert der gesamten Erbschaft. Bei der Landwirtschaft spielt jedoch der Ertragswert die entscheidende Rolle. Dieser liegt meistens wesentlich unter dem Verkehrswert. Bei einer Landwirtschaft mit einer Größe von 50 Hektar Land ist dann nicht der aktuelle Bodenpreis ausschlaggebend, sondern nur der Ertragswert. Also der Preis, den ein Dritter dafür bezahlen würde, um dort sinnvoll Landwirtschaft zu betreiben. Mit dieser Regelung, die es seit über 100 Jahren gibt, soll sichergestellt werden, dass der Hof nicht wegen eines Pflichtteils zerschlagen werden muss. So kann es passieren, dass der eine Sohn den gesamten Hof bekommt und der andere lediglich ein paar Euro als Pflichtteil.
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