Lieber Sebastian Hoeneß, es ist jetzt fast genau ein Vierteljahrhundert her, dass wir uns zum ersten Mal getroffen haben. Sie kickten als junger Bursche im Juni 2000 beim Pfingstturnier in Ostrach für den Nachwuchs von Hertha BSC, ich verdiente mir als Student in der SÜDKURIER-Sportredaktion ein paar Mark dazu.

Sie werden sich nicht mehr an diese Begegnung erinnern und, um ehrlich zu sein, ginge es mir ähnlich, wenn Sie nicht einen so klangvollen Nachnamen hätten. Wer Ihre Mitspieler waren und ob auch diese später Karriere gemacht haben, weiß ich nicht. Ihnen ist es jedenfalls gelungen. Sie waren damals ein Berliner und auch jetzt wird das Stadion der Hertha in der Hauptstadt eine wichtige Rolle in Ihrem Leben spielen.

Am Samstag stehen Sie als Trainer des VfB Stuttgart im Endspiel des DFB-Pokals gegen den krassen Außenseiter Arminia Bielefeld und können zwei tolle Jahre in Schwaben mit einem Titel krönen. Längst sind Sie nicht mehr nur der Sohn des früheren Nationalspielers Dieter Hoeneß und der Neffe des noch prominenteren Uli. Sie haben sich selbst einen Namen gemacht mit ihrer erfolgreichen Arbeit an der Seitenlinie.

Schritt für Schritt sind Sie die Karriereleiter nach oben geklettert. Zuerst in der Leipziger RB-Akademie, anschließend mit der A-Jugend und der Reserve des FC Bayern München, mit der Sie die Drittliga-Meisterschaft gewannen, bis hin zu Ihrer ersten Bundesligastation bei der TSG Hoffenheim. Dabei haben Sie stets mit klarem Konzept, Mut zur Entwicklung und einer ruhigen, aber bestimmten Art überzeugt.

Dann sind Sie durchgestartet

So richtig durchgestartet sind Sie aber erst in den jüngsten beiden Jahren beim VfB Stuttgart, den Sie im April 2023 auf dem letzten Tabellenplatz der Bundesliga übernahmen. In den ersten acht Spielen unter Ihnen holte das zuvor so verunsicherte Team drei Siege und vier Unentschieden und belegte am Ende Rang 16. In der Relegation gegen den Hamburger SV sind wir uns dann erneut begegnet.

Ich war beeindruckt davon, wie Ihre so gar nicht demoralisierte Mannschaft den Zweitliga-Dritten förmlich überrollte. 3:0 ging das Hinspiel im Stuttgarter Hexenkessel aus, in Hamburg gewannen Sie 3:1. Der Grundstein für Großes war gelegt.

Im Sommer darauf bewiesen Sie dann ein Gespür für unterschätzte Talente und verpflichteten Spieler wie Alexander Nübel, Maximilian Mittelstädt, Angelo Stiller, Deniz Undav und Jamie Leweling. Vor nicht einmal zwei Jahren war dieses Quintett allenfalls gehobener Bundesliga-Durchschnitt, inzwischen haben alle bereits im Nationalteam geglänzt. Und aus dem Abstiegskandidaten VfB Stuttgart wurde mit ihnen der deutsche Vizemeister.

Dass es in dieser Saison nicht ganz so rund läuft, wäre schnell vergessen, sollte nach 1954, 1958 und 1997 zum vierten Mal „VfB Stuttgart“ in den DFB-Pokal graviert werden. Im Süden drücken Ihnen tausende Fans die Daumen. Auch ich wünsche bei aller Neutralität viel Erfolg. Vielleicht gibt es ja bei unserem dritten Treffern etwas für Sie zu feiern.