„Menschen und Roboter können Freunde werden. Ich wüsste nicht, warum das nicht möglich sein sollte.“ Statements wie dieses von Hiroshi Ishiguro, einem führenden Experten für Mensch-Roboter-Interaktion, haben Japan über die letzten Jahre immer wieder in Aufruhr gebracht. Denn selbst wenn Roboter niedlich und auch mal hilfreich sein mögen, so schimpfen Kritiker, seien sie doch durch einen menschlichen Freund nie ersetzbar. So gilt Ishiguro, der schon zahlreiche „freundliche Roboter“ entwickelt hat, vielen als so etwas wie ein Ketzer.

Roboter als Gewinner der Corona-Krise

Inmitten der Pandemie aber könnte der Ingenieursprofessor der Universität Osaka zusehends als Visionär dastehen. Danach sieht es zumindest aus, wenn man sich die Verkäufe japanischer Hersteller von Assistenz-, Heil- und Sozialrobotern ansieht. Wie die Nachrichtenagentur Kyodo Ende Oktober berichtete, gehören sie im prinzipiell roboteraffinen Japan zu den Gewinnern der Corona-Krise, nachdem der persönliche Kontakt angesichts diverser Maßnahmen zur Kontaktbeschränkung schwieriger geworden ist. Im ostasiatischen Land vermelden Roboterbauer für ihre Produkte Rekorderlöse. Ist der Roboter der bessere Freund und Helfer?

Erhält der Sozialroboter Lovot wenig Beachtung zieht er ein Schmollgesicht.
Erhält der Sozialroboter Lovot wenig Beachtung zieht er ein Schmollgesicht. | Bild: Robyn Beck, AFP

Jedenfalls wurde Lovot, ein 43 Zentimeter kleiner, kuschliger Humanoide des Herstellers Groove X, an einigen Verkaufsstellen in Japan über die letzten Monate 15-mal so häufig abgesetzt wie in der Zeit bis März, als sich die Pandemie ausbreitete. Gerade beim Preis von rund 330.000 Yen (rund 2700 Euro) ist das Absatzwachstum beachtlich. Mit seiner menschenähnlichen Körpertemperatur von 37 Grad, einem kugelartigen Körper sowie runden Augen, niedlichen Quieklauten und zwei Armen für Umarmungen soll Lovot seinem Nutzer emotionale Wärme bieten.

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Der Hersteller Groove X hat damit zuletzt auch Kindergärten als Neukunden gewonnen. Den 2019 vorgestellten Lovot sieht man dort als Möglichkeit, den emotionalen Stress, den die Pandemie auch für Kinder bedeutet, zu lindern. Immerhin ist der Roboter einigermaßen intelligent, bemerkt durch seine 50 Sensoren, wo er berührt wird und reagiert dann mit entsprechendem Anschmiegen und Knurren – wie ein echtes Haustier. Als innovative Facette, die den Grad der Emotionalität von Lovot erhöht, betont Groove X die Eifersuchtsfunktion: erhält er wenig Beachtung, zieht er ein Schmollgesicht. Außerdem registriert die Maschine, wie oft sie beachtet wurde und kann diese Information an Angehörige weiterschicken.

Der Roboterhund Aibo erkennt mithilfe 50 Sensoren, wo er berührt wird.
Der Roboterhund Aibo erkennt mithilfe 50 Sensoren, wo er berührt wird. | Bild: dpa

Auch andere Roboter, die nun besonders beliebt werden, stellen eine Verbindung zwischen Personen her, die ansonsten schwierig wäre. So kann Aibo, eine Art Hundeattrappe von Sony, unter anderem durch ein eingebautes Kamerasystem Informationen über das Wohlsein seines Nutzers sammeln und diese an andere Personen verschicken. Laut Sony haben während der Pandemie die Verkäufe stark zugenommen. Den Roboter gibt es inzwischen in der zehnten Generation, er kann nun bis zu zehn Personen durch Gesichtserkennung abspeichern und ist in der Lage, in der Wohnung zu patrouillieren und den Nutzer zu informieren, wenn etwas Untypisches passiert ist.

Ersatz für den Elternbesuch

Nach Angaben von Sony sind es vor allem Erwachsene mittleren Alters, die den Roboterhund Aibo kaufen – und ihn ihren betagten Eltern schenken, die sie inmitten der Pandemie nur noch kaum oder gar nicht mehr besuchen können. Der Roboter soll als Ersatz dienen, ein bisschen Wärme schenken und nach dem Rechten sehen.

Ähnlich kommt wohl der Verkaufsrekord für Qoobo zustande, einem flauschigen, runden Kissen mit intelligentem Schwanz aus Fellimitat. Der Hersteller Yukai Engineering bietet Qoobo als Therapieroboter an, dessen Schwanz immer dann zu wedeln beginnt, wenn er gestreichelt wird.

„Wenn sich Menschen unwohl oder einsam fühlen, brauchen sie meistens ein Gefühl physischer Berührung“, sagte der Roboterforscher Hiroshi Ishiguro diese Tage gegenüber der Nachrichtenagentur Kyodo. „Je länger die Pandemie noch andauert“, so Ishiguro, „desto deutlicher wird sich dies zeigen.“

Zugleich nimmt im Land die Sorge zu, dass durch eine verbesserte Robotik allmählich der menschliche Faktor aus der Pflege zurückgedrängt wird. Jahr für Jahr nimmt in Japans alternder Bevölkerung die Zahl pflegebedürftiger Senioren zu, während die Staatsschulden steigen und das Geld für teure Pflege knapper wird.

Hinzu kommt, dass viele der Alten von heute ob der schon lange niedrigen Geburtenrate nur ein Kind haben, das zudem fern ihres Wohnorts lebt. Wenn nun Pflegearbeit zusehends durch Roboter übernommen werden kann, so fürchten Kritiker, könnten sich Familienangehörige auch nach der Pandemie weniger dazu angehalten fühlen, ihre Eltern zu besuchen.