Herr Jung, hatten Sie übers Wochenende die 110 Seiten des überarbeiteten Heizungsgesetzes schon durchgeackert, oder hatten Sie darauf gehofft, dass das Bundesverfassungsgericht das noch stoppt?

Das war ja nicht vorherzusehen. Deswegen haben wir uns selbstverständlich auf die Anhörung am Montag vorbereitet. Diese kurze Frist wurde gerade aus dem Kreis der geladenen Sachverständigen als unzumutbar kritisiert. Sie haben dennoch sehr viele Mängel und offene Fragen angesprochen.

Die Ampel hat die Anhörung dann aber vollends zur Farce gemacht und am Mittwoch erklärt, das Gesetz käme trotzdem unverändert, mit nur kleinen redaktionellen Änderungen. Jetzt täten alle Seiten gut daran, zu überlegen, wie man mit diesem Ergebnis umgeht und wieder Vertrauen herstellt.

Warum ist überhaupt solch ein Zeitdruck auf dem Gesetz?

Dafür gibt es keinen sachlichen Grund. Bei der Corona-Pandemie oder bei der Bankenkrise waren solch schnelle Verfahren auch mal nötig, aber da sind Dinge auch quasi über Nacht über uns gekommen, da musste akut gehandelt werden. Der Klimaschutz ist natürlich eine dringliche Aufgabe, der Zeitdruck ist aber entstanden, weil die Ampel-Koalition so lange gestritten hat. Der Grund war: Sie wollten es einfach vor der Sommerpause vom Tisch haben.

Nun hat das Gericht nur einen zeitlichen Stopp verhängt. Sie verlangen aber auch inhaltliche Änderungen. Warum?

Unsere Hauptkritik ist, dass mit dirigistischen Vorgaben für den Heizungsaustausch im Bestand abgewichen werden soll vom Prinzip Fördern, Fordern und Ermöglichen: also Heizungsaustauschförderung und schrittweise CO2-Bepreisung. Das hat die Akzeptanz in der Bevölkerung beschädigt. Jetzt ist die Zeit, um parteiübergreifend an einen Tisch kommen, um nach gemeinsamen Lösungen zu suchen.

Klimaschutz ist eine Generationenaufgabe. Der Weg zur Klimaneutralität wird länger dauern als die Halbwertszeit der Ampel. In diesen grundsätzlichen Fragen ist es ein Wert, wenn es eine Basis über die Grenzen von Regierung und Opposition hinaus gibt. Deshalb werbe ich dafür, dass sich jetzt alle öffnen für einen breiten Wärme-Konsens.

Aber rechnen Sie wirklich damit? Dazu müsste die Ampel ihren schwer errungenen Kompromiss nochmals komplett aufschnüren.

Das Gesetz wird jetzt ohnehin nicht verabschiedet. Wie viel Sorgen dieses Gesetz ausgelöst hat, haben wir in den letzten Monaten erlebt. Da ist Vertrauen verloren gegangen. Das muss uns alle umtreiben. Aber jetzt liegt es an der Ampel zu entscheiden, ob sie einfach ihren Kompromiss durchziehen will, oder ob es ihnen darum geht, die Gesellschaft mitzunehmen.

Ich bin mir sicher, die Bürger erwarten, dass wir das gemeinsam erarbeiten. Es wäre doch das Schlechteste, wenn die eine Regierung das entscheidet und die nächste was anderes. Wie bei der Kernenergie, raus, rein, raus. Die Menschen brauchen doch Planungssicherheit. Eine neue Heizung schafft man doch für 20, 30 Jahre an.

Haben Sie schon durchschaut, was das neue GEG für Baden-Württemberg bedeutet? Stichwort: Wärmeplanung. Es hieß ja, sobald die Wärmeplanung steht, greifen die Regeln, und damit in Baden-Württemberg deutlich schneller als andernorts. Dagegen gab es Protest, unter anderem von Winfried Kretschmann. Aber was ist daraus geworden?

Jetzt gibt es einen einzigen grünen Ministerpräsidenten in Deutschland – und es ist den Grünen nicht mal gelungen, den mitzunehmen! Da wundern sie sich, dass es nicht gelingt, die Gesellschaft mitzunehmen. Tatsächlich ist es nicht klar, was das für Baden-Württemberg bedeutet. Der Grund ist: Das Wärmeplanungsgesetz soll erst im Herbst kommen. Das ist die falsche Reihenfolge.

Wir wissen nicht, wer die Kosten übernimmt für die Wärmeplanung. Wir kennen nicht die konkreten Bedingungen. Fest steht: Nach den Ampel-Plänen sollen die neuen Regeln für das GEG in einer Kommune nur dann greifen, wenn eine Wärmeplanung vorliegt. Dadurch droht ein Flickenteppich unterschiedlicher Heizungsregeln von Ort zu Ort.

Das heißt, da sind die Baden-Württemberger demnächst in der Pflicht.

In Baden-Württemberg muss jede Stadt über 20.000 Einwohner bis Jahresende eine Wärmeplanung vorgelegt haben, in Bayern zum Beispiel nicht. Ulm hat also eine Wärmeplanung, nebenan Neu-Ulm aber nicht. Auch wenn es so eine Planung gibt, wird oft der Anschluss an ein Wärmenetz trotzdem nicht möglich sein. Aus all dem darf den Baden-Württembergern kein Nachteil entstehen. Das alles muss verlässlich geklärt werden. Zumal jetzt eine verpflichtende Wärmeplanung auch für alle kleinen Gemeinden kommen soll.

Sie haben etliche Bürgerdialoge zum Thema veranstaltet. Was treibt dort die Leute am meisten um?

Die Frage was auf sie finanziell zukommt und welche Förderung es gibt. Und auch das ist noch nicht geklärt. Im Gesetz steht drin, dass es eine Förderung geben soll, aber nicht welche. Im Entschließungsantrag stehen ein paar Zahlen drin. Aber das ist nicht verbindlich und zudem gibt es da eine soziale Schieflage. Wenn das so kommt, wäre es eher eine zusätzliche Kürzung als eine bessere Unterstützung.