Die beste Nachricht des Abends bereiten sich die Wählerinnen und Wähler selbst: Eine Wahlbeteiligung so hoch wie seit 1990 nicht. Der knackig-kurze Kampf ums Parlament hat die Menschen an die Urne getrieben, selten war große Politik so intensiv Gesprächsthema wie in den vergangenen Wochen. Das Ergebnis aber produziert mehr lange Gesichter als gedacht, denn bis auf die Linken bleiben alle Parteien hinter den eigenen Erwartungen zurück.

Die schlimmste Niederlage kassiert die Kanzlerpartei SPD. Sie wird auf das schlechteste Ergebnis seit Bestehen der Bundesrepublik zurückgestutzt, Olaf Scholz aus dem Kanzleramt gejagt. Es ist die Abrechnung mit seiner zögerlichen und wankelmütigen Politik und die Quittung für mangelhafte Kommunikation mit den Bürgern. Scholz und seiner Regierung war es zu selten gelungen, den Eindruck zu erwecken, die Lage im Griff zu haben.

Dass der dauerhafte Streit untereinander am Ende die Ampel auseinanderfliegen lässt und zu dramatisch schlechten Ergebnissen für FDP, Grüne und SPD führt, bringt die Erkenntnis, dass Wähler nichts mehr verabscheuen als stänkernde Regierungspolitiker. Die Bürger wollen Klarheit und Führungsstärke.

Herausforderung für Merz

Daraus erwächst vor allem für die CDU und den kommenden Kanzler Friedrich Merz eine gewaltige Herausforderung. Er muss eine Regierung bilden, die tragfähige Kompromisse und eine gemeinsame Richtung findet und nicht nur wieder die Einzelinteressen der Parteien addiert, damit die jeweiligen Lieblingsthemen berücksichtigt sind.

Merz weiß, dass Deutschland nach rechts gerückt ist und die Mehrheit konservativ bis extrem gewählt hat – er agiert dennoch nur bedingt aus der Position der Stärke, denn die CDU fährt ihr zweitschlechtestes Ergebnis ein.

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Nach den verbalen Ausreißern der vergangenen Wochen muss Merz das tun, was ihm schwerer fällt als anderen: Versöhnliche Töne anstimmen und Verbündete suchen. Merz hofft auf kurze Koalitionsgespräche, weil – wie er sagt – die Welt da draußen nicht auf Deutschland wartet.

Das setzt viel Geschick in den Gesprächen voraus und den unbedingten Willen aller Beteiligten, wirklich etwas verändern zu wollen – vor allem bei Migrations- und Wirtschaftspolitik. Wenn das gelingt, ist es das beste Rezept gegen die Extremen. Denn AfD und BSW räumen gemeinsam fast jede vierte Stimme ab und warten nur darauf, dass die Parteien der Mitte die Fehler der Vergangenheit wiederholen.