Herr Falter, die Wahlen wurden als Demokratie-Test beschworen. War das eine Schicksalswahl für Deutschland?

Das war vielleicht eine Schicksalswahl für Sachsen und Thüringen, aber nicht für Deutschland. Für die beiden Länder wird es spannend, welche Koalitionen sich bilden oder ob es in Thüringen wieder zu einer Minderheitsregierung kommen wird.

Die CDU lehnt jede Zusammenarbeit mit der Linken ab. Wie glaubwürdig wären Koalitionen mit dem BSW?

Abgesehen von einer Minderheitsregierung bleibt der CDU in Thüringen gar nichts anderes übrig, da die Brandmauer zur AfD auf Bundesebene steht und auch auf Landesebene zumindest derzeit nicht eingerissen werden dürfte. Inhaltlich dürften Koalitionen von CDU und BSW sehr schwierig werden und sehr viele Kompromisse erfordern. Die Frage ist, wie sehr es das BSW darauf anlegt, in die Regierung zu kommen.

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Die AfD ist erstmals stärkste Kraft in einem Landtag. Was bedeutet das?

Man sollte die bundesweite Bedeutung des AfD-Ergebnisses nicht künstlich aufblähen. Thüringen zählt mit gut 2,1 Millionen Einwohnern zu den fünf kleinsten Bundesländern und hat auch nur ein begrenztes politisches Gewicht im Bund. Für Thüringen selbst ist das aber ein einschneidendes Ergebnis, wenn die AfD ein Drittel oder mehr der Landtagsmandate stellt. Das hat unter anderem auf dem Gebiet der Justiz eine enorme Auswirkung.

So entscheidet in Thüringen der Richterwahlausschuss über die Berufung aller Richter auf Lebenszeit mit Zweidrittelmehrheit. Das ist nur ein kleines Beispiel, wie die AfD hier Macht erhalten dürfte.

Was sind die Hauptursachen für den AfD-Erfolg im Osten?

Da spielen viele Faktoren zusammen. So gibt es eine tiefe Unzufriedenheit mit der Ampel-Koalition, deren Gesetzesvorhaben gerade in den östlichen Ländern auf sehr viel Unverständnis stoßen. Bei dem niedrigeren Einkommensniveau im Osten treffen beispielsweise hohe Kosten durch das Heizungsgesetz die Menschen noch härter als im Westen. Und es gibt immer noch viele in den östlichen Bundesländern, die sich nicht zuletzt wegen der unterschiedlichen Einkommenssituation als Bürger zweiter Klasse fühlen.

So entwickeln sich Zukunftsängste im Osten etwas stärker und werden oft verstärkt durch eine im Wahlkampf von AfD und BSW instrumentalisierte DDR-Nostalgie: Man vergisst sehr viele negative Seiten der Diktatur und erinnert sich lieber an die positiven. Die AfD profitiert von diesem Unmut und ihr Potenzial kann sogar noch größer werden, je nachdem, wie die Lebensverhältnisse sich entwickeln und ob die Unzufriedenheit mit „denen in Berlin“ weiter steigt.

Überlebt die Linke die Abspaltung des BSW?

Die Linke ist ziemlich am Ende. Zur Konkurrenz des BSW kommen die internen Dauerkonflikte. Die Linke hat sich inhaltlich unendlich weit weg von ihrer eigentlichen Basis entwickelt. Sie ist keine Arbeiterpartei mehr, sondern eine linke, „woke“ Lifestyle-Partei, deren ursprünglicher Kern bis zur Unkenntlichkeit verschwommen ist.

Wie sind die bundespolitischen Signale?

Für die Ampel werden das Regieren und der Zusammenhalt noch schwerer werden. In der FDP wird sich nach dem Absturz in das Sammellager der Sonstigen die Panik verstärken und sie wird notgedrungen noch mehr Opposition in der Regierung spielen. Wenn die Wahl in Brandenburg für die Liberalen ähnlich katastrophal ausgeht, dürften sich viele in der Partei ernsthaft überlegen, ob sie aus der Ampel ausscheiden sollen.

Fragen: Michael Pohl