Auf ihn wird es bei der Regierungsbildung jetzt ankommen: Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer sieht nach dem knappen Wahlsieg seiner CDU bei der Landtagswahl am Sonntag die Grundlage für Koalitionsverhandlungen über eine „stabile Regierung“. Es werde nicht einfach, aber es könne gelingen, Sachsen eine stabile Landesregierung zu geben, sagte Kretschmer nach den ersten Hochrechnungen vor CDU-Anhängern in Dresden. Seine Partei sei bereit, weiter Verantwortung zu übernehmen. Dabei ließ Kretschmer aber offen, mit wem er eine Koalition anstrebt. Die CDU wurde den ersten Hochrechnungen zufolge knapp vor der AfD stärkste Kraft in Sachsen. Kretschmer sagte: „Die Leute hier in Sachsen haben uns vertraut – sie haben keine Protestwahl gemacht.“ Die vergangenen Jahre seien harte Jahre gewesen, die Menschen seien enttäuscht von der Bundesregierung in Berlin. Deshalb sei das Abschneiden ein starker Rückhalt für die sächsische CDU.

Dafür hat sich der 49-Jährige in den Wahlkampf gestürzt. Sein Ansatz: Die Nähe und das Gespräch suchen – egal mit wem. Er habe „allen Sachsen schon einmal die Hand geschüttelt“, bekomme er oft zu hören, meint Kretschmer. Aber nur dadurch wisse er, „was im Land wirklich los ist“. Als Kretschmer nach dem CDU-Wahlsieg 2019 im Amt bestätigt wurde, gab er das Ziel eines Sachsens als „fröhlicher, freundlicher Freistaat“ aus.

Krisen und Kriege im Vorfeld der Landtagswahl in Sachsen

Eine Pandemie und viele Proteste gegen Corona-Maßnahmen später sowie angesichts von Krisen und Kriegen ist die Gesellschaft nun auch in Sachsen eher gespalten als entspannt. Kretschmer wurde von Corona-Leugnern sogar an seinem eigenen Haus heimgesucht. Er selbst sprach im Herbst 2021 angesichts der Entscheidung der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die massiv gestiegenen Infektionszahlen durch starke Gegenmaßnahmen zu bekämpfen, von „Hysterie“. Später räumte er Fehler ein. Danach versuchte er, mit einer starken AfD im Nacken, verlorenes Vertrauen in die Politik zurückzuholen. Vor fünf Jahren hatte er mit seiner Gesprächsstrategie Erfolg, und auch diesmal hielt er sich damit vor der vom sächsischen Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuften AfD, wenn auch nur mit hauchdünnem Abstand.

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Dass Kretschmer keine Konfrontation scheut, beweist er immer wieder mit Alleingängen. Im Zusammenhang mit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine sprach er sich für ein „Einfrieren“ des Konflikts und eine diplomatische Lösung aus und kritisierte die Russland-Sanktionen. In seiner eigenen Partei stieß das zum Teil auf Unverständnis und Empörung. Kretschmer dringt zudem auf verschärfte Regelungen beim Bürgergeld und eine Begrenzung der Migration nach Deutschland. Er will eine eigene sächsische Grenzpolizei schaffen. Bei vielen Sachsen scheint das zu verfangen: Bei der Frage nach einer Direktwahl in die Staatskanzlei liegt der Amtsinhaber in Umfragen klar vor Jörg Urban von der AfD. Die CDU richtete ihren Wahlkampf gezielt auf eine Entscheidung zwischen Kretschmer und der AfD aus.

CDU-Mann Michael Kretschmer: Landesvater in Sachsen seit 2017

Der 49-Jährige übernahm den Regierungssessel im Dezember 2017 in einer Krisensituation, nachdem sein Vorgänger Stanislaw Tillich (CDU) wegen des Wahldesasters bei der Bundestagswahl zurückgetreten war. Die CDU im Freistaat war zuvor mit knappem Abstand nur zweitstärkste Partei hinter der AfD geworden. Für Kretschmer selbst war die Bundestagswahl 2017 eine „persönliche Zäsur“, wie er später sagte, als er seinen eigenen Wahlkreis in Görlitz an den heutigen AfD-Co-Parteichef Tino Chrupalla verlor. Nach 15 Jahren flog der CDU-Politiker damals aus dem Bundestag, wo er zuletzt Vizechef der Unionsfraktion war.

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Kretschmers politische Wurzeln liegen im Wendeherbst 1989, den er als eine ihn „bis heute prägende Zeit“ beschreibt. 1994 wurde er Stadtrat in seiner Heimatstadt Görlitz. Der ausgebildete Büroinformationselektroniker erwarb auf dem zweiten Bildungsweg seine Fachhochschulreife und studierte in Dresden Wirtschaftsingenieurwesen. 2002 zog er in den Bundestag ein, wo der Vater von zwei Söhnen bis 2017 eine recht glatte politische Karriere hinlegte. Seiner größten politischen Niederlage folgte seine bis dahin größte Chance. Als Ministerpräsident setzte er auf einen anderen Politikstil als seine Vorgänger. Er wollte den Menschen wieder mehr zuhören. Das löste er ein. Die Union im Freistaat hielt er gleichwohl weiter auf konservativem Kurs.

(AFP)